Demokratischer Präsidentschaftskandidat O'Rourke in der Moralfalle
Der Präsidentschaftsbewerber war Mitglied der Hackergruppe Cult of the Dead Cow und schrieb unter dem Pseudonym "Psychedelic Warlord" zotige Gedichte
In vergangenen Wahlkämpfen konzentrierten sich US-Medien zunehmend auf Elemente in der Vergangenheit von Politikern, die sich skandalisieren ließen. Zum Beispiel auf Donald Trumps Grab-them-by-the-Pussy-Prahlereien (vgl. US-Wahl: Sex, Lügen - und das zweite Fernsehduell). Die Demokratische Partei nahm solche Moralattacken dankbar auf, so lange sie bei ihnen nur Personen wie Bill Clinton und John F. Kennedy zu betreffen schienen, die bereits auf die eine oder andere Weise aus der aktiven Politik ausgeschieden warten. Nun könnte sie auch einen oder mehrere ihrer aktiven Politiker erwischen.
Der Texaner Robert Francis O'Rourke, der am Donnerstag in Iowa offiziell sein bereits erwartetes Antreten bei den Vorwahlen der Demokraten verkündete, hatte nämlich die anscheinend scherzhaft gemeinte Äußerung getätigt, seine Ehefrau Amy habe ihre drei Kinder "manchmal mit seiner Hilfe" erzogen. Das führte zu einem "Aufschrei", er mache Witze auf Kosten alleinerziehender Frauen, woraufhin der Kandidat meinte, er werde das "nie wieder sagen" und in Zukunft sehr viel mehr darauf achten, wie er über seine Ehe spricht.
Canossagang beim Zeitgeist
Außerdem kam heraus, dass O'Rourke in der Vergangenheit nicht nur sein heute noch verwendetes spanisches Pseudonym "Beto", sondern noch ein anderes benutzt hatte: das anscheinend einem Hawkwind-Stück entlehnte "Psychedelic Warlord". Unter diesem Namen erschien 1988 unter anderem das Gedicht "The Song of the Cow":
Wax my ass, scrub my balls. The Cow has risen, Provide Milk (Psychedelic Warlord)
In einem weiteren fiktionalen Werk, das O'Rourke damals verfasste, fährt der Ich-Erzähler mit einem Automobil in einen Haufen schreiender Kinder. Die Art und Weise, in der O'Rourke dies schildert, macht deutlich, dass er kein Bret Easton Ellis und kein Robert Wimmer ist, was das literarische Talent betrifft. Eine Medienkultur, die nicht erst seit der Gamer-Gate-Hysterie zunehmend weniger zwischen Fakt und Fiktion trennt, macht ihm aber nicht das zum Vorwurf, sondern die Gewaltschilderung.
Deshalb leistete O'Rourke am Wochenende öffentlich Abbitte und meinte, er "schäme" sich dafür, es sei ihm "unbeschreiblich peinlich" und er müsse nun lange und intensiv darüber nachdenken, um sich zu "bessern". Bei einem Teil der amerikanischen Wähler mag eine so umgehende Bereitschaft zum Canossagang beim Zeitgeist ankommen. Auf einen anderen könnte sie eher den Eindruck mangelnder Aufrichtigkeit machen.
Auf Bulletin Boards gecrackte Computerspiele getauscht
O'Rourkes tiefe Verbeugung vor dem Gesslerhut steht auch im Gegensatz zu einem anderen Bestandteil seiner Vergangenheit, der am Wochenende öffentlich wurde: Seiner Mitgliedschaft bei der durch die etwas zotig "Back Orifice" benannte Software bekannten Hackergruppe Cult of the Dead Cow (vgl. Cult Of The Dead Cow gegen Microsoft). Einem Buch über diese Gruppe nach, das im Juni erscheint, soll sich der Politiker damals aber im wesentlichen darauf beschränkt haben, auf Bulletin Boards gecrackte Computerspiele zu tauschen, über Bands wie die Dead Milkmen zu schwadronieren und seine literarischen Werke zu verbreiten.
Eher traditionell als zeitgeistig ist dagegen der gestern getwitterte Angriff der Republikanischen Partei auf O'Rourke, der ein nach einer alkoholisierten Autofahrt 1998 aufgenommenes Polizeifoto des irischstämmigen Texaners zeigt. Dass man das zum St.-Patricks-Tag machte und O'Rourke via Bildbearbeitung einen grünen Koboldshut aufsetzte, spielt auf Stereotypen von Trinkgewohnheiten und auf einen andere bekannten irischstämmigen Politiker in der Demokratischen Partei an: Edward Kennedy, der nach einer Party ein Auto mitsamt einer darin befindlichen jungen Frau versenkte und sich erst zehn Stunden später bei der Polizei meldete.
"#CreepyBiden"
Ebenfalls von Zeitgeistvorwürfen betroffen ist ein weiterer möglicher Bewerber bei den Demokraten, der am Wochenende die Wahrscheinlichkeit für ein Antreten durch eine Bemerkung erhöhte, die er anschließend als "Versprecher" abtat: Barack Obamas Vizepräsident Joseph Biden, der vor einer vierstelligen Zahl von Fans meinte, er sei "der Progressivste, von allen, die antreten".
Ihm wird anhand von Bildmaterial und unter Hashtags wie "#CreepyBiden" angelastet, dass er seine Hände gerne auf die Haare und Körper von Frauen und jungen Mädchen legte, was diese (ihren Gesichtsausdrücken nach) möglicherweise nicht immer als angenehm empfanden.
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