Den Feind beim Namen nennen
Präsident Xi Jinping soll nicht mehr "Präsident" genannt werden
Schnellen Schrittes bauen die republikanischen Vertreter der Vereinigten Staaten ein jahrzehntelanges politisches, wirtschaftliches und soziales Verhältnis mit China ab. Die rüden Schuldzuweisungen in Folge der Coronavirus-Pandemie, etliche Sanktionen gegen chinesische Unternehmen und Beamte, Revier markierende Marineübungen im Südchinesischen Meer, die plötzliche Schließung des chinesischen Konsulats in Houston, Kampfrhetoriken führender Beamte in Grundsatzreden sowie die Initiative für ein "sauberes" Internet zeigen an, wie die Trump-Regierung die Voraussetzungen für eine neue Ära der Konfrontation schafft.
In der vergangenen Woche kam noch US-Präsident Donald Trumps unerwartete Absage der Handelsgespräche hinzu. Als Begründung hieß es lapidar, er wolle jetzt nicht mit China sprechen. China unter der Führung von Xi Jinping übt sich in nahezu stoischer Zurückhaltung. Die sofortige Schließung der US-Botschaft in Chengdu war die Ausnahme. Xi verliert kein Wort über seinen Washingtoner Amtskollegen.
Derzeit befassen sich die Republikaner jedoch mit einer weiteren Provokation gegen den chinesischen Präsidenten. Sie wollen, dass Xi Jinping nicht mehr als "Präsident" betitelt wird. Ein Gesetzentwurf, der vom republikanischen Abgeordneten Scott Perry aus Pennsylvania eingebracht wurde, fordert, dass für Xi Jinping die Verwendung des Begriffs "Präsident" verboten werden soll. Das soll alle offiziellen Dokumente gelten, berichtet die South China Morning Post (SCMP).
Der neu eingeführte Gesetzesentwurf soll laut SCMP die Bezeichnung "Name the Enemy Act" tragen und habe Unterstützung von einigen anderen republikanischen Gesetzgebern erhalten. Demnach soll die Verwendung von Staatsgeldern für offizielle Dokumente und Mitteilungen verboten werden, in denen das Staatsoberhaupt der Volksrepublik China als "Präsident" bezeichnet wird und nicht entsprechend seiner Rolle als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).
"Sich an das Staatsoberhaupt der Volksrepublik China als 'Präsident' zu wenden, berechtigt zu der falschen Annahme, dass das Staatsvolk mit demokratischen Mitteln den Führer, der es regiert, ohne weiteres legitimiert hat", zitiert SCMP den neu eingebrachten Gesetzentwurf. Die Chancen überhaupt verabschiedet zu werden, stehen jedoch äußerst schlecht.
Chinesen sprechen selbst nicht vom "Präsidenten"
2012 wurde Xi Jinping beim 18. Parteitag der Kommunistischen Partei zum Generalsekretär und gleichzeitig zum Vorsitzenden der zentralen Militärkommission der KPCh gewählt. Am 14. März 2013 wurde Xi vom Nationalen Volkskongress zum neuen Staatsoberhaupt der Volksrepublik China ernannt. Wie SCMP entsprechend klarifiziert, trägt der chinesische Führer Xi Jinping drei offizielle Titel, von denen keiner "Präsident" ist: Staatsoberhaupt (guojia zhuxi, wörtlich "Staatschef"), Vorsitzender der zentralen Militärkommission und Generalsekretär der KPCh.
Obwohl keines davon direkt mit "Präsident" übersetzt wird und obwohl offizielle chinesische Missionen und Berichte in den staatlichen Medien fast immer mit dem Parteititel von Xi, also "Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei" beginnen, wird weltweit "Präsident" verwendet.
Der Gesetzesentwurf der Republikaner bezieht sich auch explizit auf das Staatsoberhaupt Chinas, obwohl in zahlreichen Ländern Präsidenten regieren sind, die entweder nicht gewählt oder in Folge von nicht freien und fairen Wahlen an der Macht sind.
Das Amt des Militär-Chefs und das Amt des Generalsekretärs sind zeitlich nicht beschränkt. Seit 2018 ist auch die seit 1982 geltende Beschränkung der Amtszeit des Staatsoberhauptes auf zwei Wahlperioden, das heißt auf maximal zehn Jahre, aufgehoben. "[Xi] ist jetzt Präsident auf Lebenszeit. Präsident auf Lebenszeit. Und er ist großartig", sagte Trump dazu. "Vielleicht sollten wir das eines Tages auch mal versuchen."
Das Ende einer Bromance
Als die Pandemie noch eine Epidemie in China war, sprach Trump in hohen Tönen von Xi. Am 24. Januar tweetete Trump: "China hat sehr hart daran gearbeitet, das Coronavirus einzudämmen. Die Vereinigten Staaten wissen ihre Bemühungen und ihre Transparenz sehr zu schätzen. Es wird alles gut funktionieren. Insbesondere möchte ich im Namen des amerikanischen Volkes Präsident Xi danken!"
Zwei Wochen später schwärmte er erneut: "Hatte gerade ein langes und sehr gutes Telefongespräch mit Präsident Xi von China. Er ist stark, scharfsinnig und entschlossen darauf ausgerichtet, den Gegenangriff auf das Coronavirus anzuführen. Seiner Meinung nach geht es ihnen sehr gut, sie bauen sogar Krankenhäuser in nur wenigen Tagen ... In China herrscht große Disziplin, da Präsident Xi eine sehr erfolgreiche Operation anführt. Wir arbeiten eng mit China zusammen, um zu helfen!"
Selbst als Ende Februar die Aktienmärkte ins Corona-Chaos stürzten, sagte Trump auf der Pressekonferenz der Coronavirus Task Force: "Ich habe mit Präsident Xi gesprochen. Wir hatten ein großartiges Gespräch. Er arbeitet sehr hart, das muss ich sagen. Er arbeitet sehr, sehr hart. Und wenn man sich auf die Berichte aus China verlassen kann, dann ist die Ausbreitung ziemlich stark zurückgegangen. Die Infektion scheint in den letzten zwei Tagen zurückgegangen zu sein. Sie hat sich nicht vergrößert, sondern ist sogar zurückgegangen."
Nachdem die USA wie kaum ein anderes Land von der Pandemie getroffen wurden, schlugen Trumps warme Worte in giftige Anklage um. Xi blieb jedoch verschont. Seit März hat Trump trotz Hunderter Tweets gegen China und das "China Virus", wie Trump nach wie vor das Coronavirus nennt, Präsident Xi in keinem Tweet erwähnt. Während der BLM-Proteste Ende Mai tweetete Trump einfach nur: "China!"
US-Außenminister und Top-Diplomat Pompeo spricht SCMP zufolge seit Monaten nicht mehr vom "chinesischen Präsidenten", sondern vom "Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh)". Vor zwei Jahren, während der ersten Monate von Pompeo als US-Außenminister, habe er stets herzlich von dem "Präsidenten Xi Jinping" gesprochen, etwa, als Pompeo an einem Arbeitsessen mit Xi in Buenos Aires teilnahm und sich bei Xi für seine Rolle, "Nordkorea an den Verhandlungstisch zu bringen" sowie für ein "produktives Treffen mit Präsident Xi" bedankte. In der Woche, als die US-Regierung Peking anordnete, sein Konsulat in Houston zu schließen, lautete Pompeos Erklärung, dass "Generalsekretär Xi Jinping ein wahrer Anhänger einer bankrotten totalitären Ideologie" sei.
Auffällig ist allerdings auch, dass die für die außenpolitische Berichterstattung so wichtige New York Times seit Beginn der Proteste in Hongkong letztes Jahr auf die Wortwahl zur Betitelung von Xi Jinping zu achten scheint. Geht es um Themen, die Trump in ein schlechtes Licht rücken, spricht NYT von "President" Xi. Wenn es um den Ausbruch der Pandemie geht, heißt es "China's leader" oder "China's top leader". In der Berichterstattung zu Hongkong schreibt die NYTimes in zahlreichen Artikeln lieber nur "Communist Party leader Xi Jinping".
Justizminister Barr und Außenminister Pompeo haben im Juli in Grundsatzreden zur amerikanischen China-Politik zuletzt einen aggressiven Ton angeschlagen (vgl. Stricken die USA am seidenen Vorhang?). Beide bedauerten dabei Richard Nixons Politik, die die Nähe zu China suchte, den Handel mit dem Land aufnahm und zu Chinas Öffnung führte, welche ihrer Meinung nach gleichzeitig zur heutigen "Bedrohung" durch China geführt habe. Zu Nixons China-Politik gehörte, dass der damalige US-Präsident 1969 ein Gesetz aufhob, das US-Bürgern verbot, Geschäfte mit dem "Feind" zu machen, das "Trading with the Enemy Act of 1917". Fortan galt Mao Zedongs China nicht mehr als Enemy. An der Politik der Feindbildpflege scheint nun das "The Name the Enemy Act" anzuknüpfen.