Der AfD fehlen Experten und ein "wohlwollendes" großes Medium

Götz Kubitschek. Bild: Karl-Ludwig Poggemann/CC BY-SA-2.0

Götz Kubitschek, der als intellektueller Ratgeber des rechten AfD-Flügels gilt, macht dies auch nach der Wahl in Brandenburg und Sachsen

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Die AfD hat in den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen stark zugelegt und ist in den Rang einer "Volkspartei" aufgestiegen. Immerhin ein Viertel der Wähler hat sich auch bei relativ hoher Wahlbeteiligung für die völkischen Migrationsgegner, die noch schwanken zwischen Neoliberalismus und Nationalsozialismus, entschieden. Viele erst einmal nur, um ein Protestzeichen - Denkzeichen - zu setzen, viele aber auch wohl aus rechtsnationaler Überzeugung, die nun von der AfD nach dem "Vogelschiss" des Nationalsozialismus als "bürgerlich" und legitim verkauft wird.

Als "bürgerliche Parteien" sieht Alexander Gauland nur die AfD und die CDU. Damit stößt er aber die radikaleren Kräfte ab, die in der AfD ein Instrument sehen, rechtsextremistische Politik durchzusetzen. Während Gauland auf die Tränendrüse drückt, dass die "bürgerliche" Partei von einer Koalition mit der CDU diskriminierend und gegen die Demokratie verstoßend ausgeschlossen werde, jubelt Götz Kubitschek aus dem Umkreis der Identitären über den Wahlerfolg und darüber, dass die AfD in keine Koalitionsverhandlungen einsteigen muss. Ein Blick in seine "5 Anmerkungen" zur Wahl.

Mehr Wähler als Mandatsträger oder Mitarbeiter

Die Frage ist, auch nach den Erfahrungen mit der NSDAP, höchst umstritten, ob die völkischen Rechten in Regierungsverantwortung eingebunden werden sollen, mit der Erwartung, dass sie ihr Image als Außenseiter und Alternative verlieren, wie dies gerade der Linken passiert, oder ob sie dadurch weiter aufgewertet werden und wie in den 1930er Jahren an die Macht gelangen können.

Götz Kubitschek setzt, wie er in "Nach den Wahlen: fünf Anmerkungen" als scheinbar gewiefter Stratege schreibt, darauf, dass die AfD an Attraktion verlieren würde, wenn sie in Regierungsverantwortung eintritt, auch schon deswegen, weil der Partei die Leute fehlen: "Experten auf ihrem Gebiet, Verfahrens- und Verwaltungsfachleute, IT-Spezialisten und Organisationsgenies, Medienprofis und vorzeigbare Gesichter". Die AfD würde nur Juniorpartner eines Koalitionspartners werden - und müsste damit radikale Forderungen abschleifen.

Kubitschek ist auch Anhänger der Diskriminierungsthese der Rechtsnationalen, auch wenn zuvor die Linken und die Grünen ebenso von den etablierten Parteien boykottiert wurden. Kubitschek konstatiert, dass die AfD mehr Wähler als Mandatsträger oder Mitarbeiter habe. Dass dies ein Symptom dafür ist, dass viele die AfD nicht wegen ihrer Programmatik, sondern aus einem wie auch immer motivierten Frust wählen, kommt da allerdings als Vermutung nicht vor.

Man müsse sicherstellen, rät Kubitschek, dass sich diejenigen, die sich für die Parteiarbeit entscheiden, nicht von Leuten instrumentalisiert werden, die "etwas wollen, was in Deutschland schon einmal gründlich schiefging". Keine Hinweise gibt es, was er damit meinen könnte. Man kann vermuten, dass eine Art Drittes Reich angestrebt wird, das aber nicht die Fehler des Nationalsozialismus begeht, der gerade mal 12 Jahre an der Macht war, aber die "Leistung" erbrachte, dass Deutschland schrumpfte und viele Millionen Menschen in KZs und im Krieg sterben mussten. Tatsächlich ein schwieriges Vorbild. Das Schweigen ist ebenso beredt wie das der Kommunisten früher, die den Gulag, den Stalinismus oder die Repression der chinesischen Kulturrevolution verleugneten oder relativierten.

Jedenfalls ist bei Kubitschek von revolutionärem Überschwang nichts zu bemerken, sondern eher ein Streben nach sicheren Posten für die angeblichen Revolutionäre. Sonderlich intelligent analysiert Kubitschek, der doch als rechter Vordenker mit seiner Vorzeigebibliothek gilt, die Lage nicht. Es gebe zwei Parteien in einer, schreibt er, um nur zu sagen, dass die AfD im Westen und in Großstädten nicht so ankommt. Eigentlich müsste es deprimierend sein für Möchtegern-Revolutionäre, wenn man auf die Abgehängten, Konservativen, Loser und Landbewohner zurückgreifen muss.

"Normalisierungspatriotimsus"

Der Möchtegern-Lenin der Rechten ist nicht imstande, ein konkretes "Was tun?" zu verfassen, sondern faselt taktisch davon, "keine Überheblichkeit von Ost nach West und wieder zurück" zu veranstalten, um auf den wenig originellen "Zweikampf" zwischen Grünen und AfD zu kommen. Die Grünen, so schwadroniert Kubitschek, verfolgen eine "widersinnige, unproduktive, schulmeisterliche, sauteure Besserwisserei nach der anderen - finanzierbar nur, weil fünfzehn Millionen deutsche Plusmacher sich ausnehmen lassen wie Weihnachtsgänse und Welthandel und Finanzsystem gerade noch funktionieren".

Gegen dieses Zerrbild wird ein "Normalisierungspatriotismus" oder "Verteidigungspatriotismus" gesetzt, der auf einer "Wir-Definition" beruhen sollen: auf "nationaler Identität, auf Ordnungsstaat und spürbarer Autorität, auf solidarischem Patriotismus und auf einer für die deutsche Mentalität typischen Mischung aus Leistungsgedanke und Verstaatlichung".

Das ist ziemlich wirr, abgesehen davon, dass es irgendwie um ein Wir gegen Sie und um einen autoritären Staat gehen soll. Eine tolle Vision, die angeblich nur etwas verteidigen, aber nichts Neues für die Zukunft erreichen will. Klar, dass in der rückwärts gewendeten Ideologie der Verteidigung die Migranten als Bedrohung gelten, aber nicht KI, die Digitalisierung der Lebenswelt, Industrie 4.0 und die Folgen für die "Heimat". Passenderweise lebt der Avantgardist in einem "Rittergut" in einem Dorf, nicht in einem smart house in einer Großstadt und ist auch noch irgendwie religiös.

Was Kubitschek fehlt für den "Unmut", der umstürzt, sind nicht gesellschaftliche Bedingungen, sondern "eine große Zeitung, der eine große Sender, der sich entschlösse, das alternative Milieu wohlwollend abzubilden und zu Wort kommen zu lassen". Das ist der lange gepflegte Wahn, dass nur die Kommunikation Schuld am Scheitern sei, dass die Menschen leicht manipuliert werden können durch Fake News und Propaganda. Die Welt oder die Faz könnten doch umfallen, träumt der Revolutionär, der auf den Ordnungsstaat setzt. Was Neues sei nicht hilfreich, es müsse schon ein "Fahnenwechsel" sein, der aus der Mitte kommt.

Kubitschek belegt, dass hinter dem nationalrevolutionären Gestus die Langeweile des Erhaltens und der Abwehr des Neuen steckt. Dafür braucht es keine Phantasie, mit ein bisschen Heidegger oder Jünger macht man sich scheinintellektuell interessant, hat aber nur "No Future" im Gepäck. Das wird nichts, und wenn es etwas wird, nur eine Katastrophe der Veränderungsunwilligen, die sich jetzt als die Revolutionäre geben.

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