Der Anti-Populist Macron: Wie lange ist er noch Präsident?

Seite 2: Volksverhetzer und Putin-Freunde

Macron verliert wiederum Zustimmung, seit er angekündigt hat, das Rentenalter von 62 auf 65 anheben zu wollen und die Auszahlung der Mindestsicherung an unter 25-Jährige an die Bedingung zu knüpfen, dass diese bis zu 20 Stunden pro Woche arbeiten. Damit bestätigte er seinen Ruf, ein "Präsident der sozialen Kälte" zu sein.

Der Chefin des rechtsextremistischen ehemaligen Front National ist es gelungen, das Thema Kaufkraft zum Wahlkampfthema zu machen. Dies ist derzeit die größte Sorge der Menschen in Frankreich: Nicht die Ukraine oder das französische Verhältnis zur Nato oder zu Russland. Le Pens Vorschlag der "nationalen Präferenz", eine illegale Diskriminierung, kommt an. Le Pen gewinnt auch gegen den noch rechtsradikaleren Kandidaten Eric Zemmour.

Zemmour gegenüber erscheint sie vielen plötzlich moderat. Ihr nützt die Kandidatur des Mannes, der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist, denn insgesamt ist mit ihm das rechtsextreme Lager erstarkt, und zugleich sieht Le Pen Zemmour gegenüber bürgerlicher aus.

Erstarkt ist auch das Lager der Linkspopulisten: Jean-Luc Mélenchon liegt derzeit auf dem dritten Platz und hat weiterhin Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl. Dass Mélenchon einen Austritt Frankreichs aus der Nato fordert, und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin freundlich zugetan ist, schadet ihm nicht wesentlich.

Autoritarismus gegen Bürokratismus

Der Gegensatz in Frankreich ist keiner zwischen links und rechts. Es ist vor allem der zwischen Stadt und Land, urbaner Metropole und Provinz. Es ist ein Gegensatz zwischen reich und arm, gebildet und ungebildet. Und es ist ein Gegensatz zwischen Autoritarismus und Bürokratismus.

Also jenem neuen Autoritarismus, der in vielen Demokratien in den letzten Jahrzehnten um sich greift und schnelle einfache Lösungen verspricht, und den Vertretern des Systems, die an Sachzwänge appellieren, diese aber zunehmend schlechter erklären können und ihre Machtausübung bürokratisch kaschieren, anstatt sie zu erklären. Demokratie erscheint im ersten Fall als Exekution dessen, "was das Volk will" und im zweiten Fall dessen, "was für das Volk gut ist".

Lange Zeit und immer wieder konnte Macron diese Kluft überbrücken, seine Politik in einfachen, klaren Worten erklären, und mit politischen Visionen unterfüttern. Aber auch er scheint zunehmend als ein Gefangener jener Sach- und Systemzwänge, die die Zerschlagungsphantasien der Populisten und Extremisten provozieren.

Dieser Kampf geht nun in Frankreich in die nächste Runde.