Der Container als Wiege der Menschheit

Schwarze Afrikaner stören sich an weißem Teilnehmer im pan-afrikanischen Big-Brother-Ableger

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In Deutschland ist Big Brother langweilige Alltagskost, in Afrika sorgt es noch für Aufregung. Schwarze wollen dort unter sich sein, auch wenn sie in einem Reality-TV-Format gar nicht unter sich sind. Denn ein weißer Namibier sorgt als Big-Brother-Kandidat für Turbulenzen. Viele Schwarze halten ihn für keinen "echten" Afrikaner und damit für deplaziert. Und das, obwohl neueste archäologische Funde den Schwarzen Kontinent als vermutlich alleinige Wiege der heutigen Menschheit bestätigen.

Es ist nicht mehr wie früher. Eigentlich redet niemand mehr über Big Brother. Eine im Vergleich zur desaströs versackten letzten Staffel wieder etwas gewachsene, aber sehr stille Fangemeinde beschert RTL II am Vorabend stabile Quoten. Die hysterischen Zeiten vor drei Jahren, als es noch ein hochanständiger staatstragender Akt war, bewusst Zlatko und seinen Freunden in dem verfilmten Ikea-Katalog nicht beim Popeln zuzuschauen, die sind jedoch erst einmal vorbei. Spannen bzw. die völlige Entblößung sind zur ersten Bürgerpflicht geworden.

Nicht genug, dass Senioren-Schätzchen Uschi unverlangt ihre faltigen Bewerbungsunterlagen abgibt, auch eine Schauspielerin auf Hausmeister-Krause-Niveau hält es mittlerweile für nötig, sich nackt den hochschwangeren Babybauch vom Lover abbusseln und das als Foto in BILD abdrucken zu lassen. Erst seien die intimen Fotos fürs private Familienalbum gedacht gewesen, sagt sie. Und dann? Fielen sie leider vor einer BILD-Redaktion aus der Handtasche, logisch. Nun, gegen solche Schamlosigkeiten stinkt so ein BB-Container heutzutage einfach ab, auch wenn die Kandidaten jetzt tagtäglich Topfschlagen-Schlachten führen (sehr schön der Battle-Untertitel, gerade Ende März!) tun und frühgeschichtliche Ruckzuck-Quizshows nachstellen müssen, um vom Underdog-Bereich in die Container-Oberklasse aufzusteigen.

Tatsächlich muss jeder jedoch ständig hin und her wechseln, und so katastrophal wie z.B. in manchen afrikanischen Ländern ist der Armenbereich auch nicht ganz ausgestattet. Daher fehlt es wohl noch an der gesunden Aggression bei der Personal Attitude Appearance im TV. Deutschland kann man also Großer-Bruder-mäßig beruhigt vergessen. Angst verbreiten höchstens noch die Hits entlassener Insassen (siehe den Brunft-Schlager von Ulf alias Meister P(r)opper.

Anderswo geht es noch etwas aufgeregter zu. So wie in Polen, wo ungeheure Liederlichkeiten wie nackt duschende Kandidaten (vgl. Big Brother in Polen) die Grundfesten des katholischen Staates bedenklich ins Wanken brachten. Sex muss aber nicht immer das Big-Brother-issue sein, in Afrika ist es jetzt die Hautfarbe. Und Afrika geht uns alle an. Ein weißer auf Lügendetektor-Untersuchungen spezialisierter Psychologe namens Stefan Ludik aus Namibia (zufällig unser altes Deutsch-Südwestafrika) erhitzt afrikanische Gemüter, weil er mit elf dunkelhäutigen Kollegen aus anderen afrikanischen Ländern in den pan-afrikanischen Big-Brother-Container einzog, der sich (ausgerechnet) im südafrikanischen Johannesburg befindet.

Zyniker könnten es seltsam finden, dass Afrikaner sich überhaupt bemüßigt fühlen, das von einer europäischen Firma ersonnene Format zu übernehmen, weil man den von Krieg und Seuchen geplagten Kontinent durchaus auch als eine Art Container ansehen könnte, in dem die Menschen "contained" sind. Anyway, die unselige Diskussion über den echten, wahren Afrikaner läuft. Der südafrikanische Pay-TV-Sender M-Net, der zusammen mit der dortigen Endemol-Tochterfirma das Format ausstrahlt, das von bis zu 20 Millionen Menschen in 40 Ländern gesehen wird, möchte die Show zwar gerne als Beispiel für einen friedlichen, multikulturellen Melting Pot verkaufen. Außerdem, so M-Net, sei Ludik ausgewählt worden, weil er der beste namibische Kandidat für das Reality-TV-Format gewesen sei, nicht wegen seiner Hautfarbe.

Schwarze Namibier fühlen sich jedoch besonders auf den Schlips getreten, da die Weißen in Namibia klar in der Minderheit sind. Und viele andere Afrikaner scheinen der Gelegenheit, auch mal einen Weißen unter Aufsicht zu haben, wenig abgewinnen zu können. Afrika den Schwarzen? Reicht es schon aus, schwarz zu sein, um sich als Afrikaner zu definieren? (dazu sehr treffend ein vom amerikanischen Rapper King Sun 1990 in seinem Hit "Be black" beschriebener Dialog mit einem fiktiven Africa-Medaillon tragenden Jugendlichen: "I am from Africa!" - "Boy, you`re just a Faker! Name one City!" - "Eeeeh, Jamaica?!" -"Wrong! And I think that`s a Shame, an African Look with an American Name!") Freilich: Die ersten Geschöpfe, die man Urahnen der heutigen globalen Menschheit nennen darf, lebten unzweifelhaft auf dem schwarzen Kontinent, aus dem Schoß von Mutter Afrika. Dies ist schon lange Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und wurde durch neueste Ausgrabungen in Äthiopien wieder untermauert. Forscher haben in der Nähe der Stadt Herto Überreste geborgen, die anscheinend von entwicklungsgeschichtlich unmittelbaren Vorfahren des heutigen Homo Konsumens stammen, dem sogenannten Homo Sapiens idaltu. Liebe Afrikaner, warum nicht also den hellhäutigen Namibier Ludik einfach als über viele Ecken heimgekehrten Sohn / Bruder ansehen, zurück im Schoß der afrikanischen Ur-Gemeinschaft, und ihn mitspielen lassen?

Und übrigens: Die von den amerikanischen Forschern Tim White und Clark Howell erhobene These, dass es niemals ein Neandertaler-Stadium in der menschlichen Geschichte gegeben hat, weil es lange vor dem Verschwinden des urigen Ur-Europäers schon weiter entwickelte Homo Sapiens idaltu in Afrika gab, wagt man durchaus zu bezweifeln.

Denn in Sangriaeimern, in der Abwehr von Fußballclubs und in Kickbox-Studios finden sich immer wieder solche menschlichen Quastenflosser.

Oder - Mother Africa sei's geklagt - gerade auch in bestimmten Containern, wie dieses recht unschöne Beweisfoto zeigt.