Der Fall der Gina-Lisa Lohfink
Seite 2: Zu viel Öffentlichkeit?
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Da wäre zum einen die Kritik daran, wie stark betont wurde, dass Frau Lohfink unter der Öffentlichkeit und dem Verfahren leide, während sie selbst sich doch entschloss, zu jedem Termin während des Verfahrens zu erscheinen obgleich dies nicht notwendig gewesen wäre. Frau Lohfink hat selbst festgestellt, dass sie das Verfahren "durchstehen" wolle - sie wolle "da durch, egal wie schlimm es werde". Dass ein Verfahren wegen Falschbeschuldigung, bei dem die Frage der Vergewaltigung eine zentrale Rolle spielt, für keine Seite leicht ist, ist bekannt - und die Überlegung, wenn sowieso keine Aussage gemacht werden möchte, dem Verfahren fernzubleiben, ist nicht weit hergeholt.
Wer sich allerdings für eine aktive Teilnahme entscheidet, der muss auch mit unangenehmen und detaillierten Fragen nicht nur rechnen, er muss wissen, dass diese kommen werden. Es ist auch Sache der Verteidigung, den Mandanten auf diesen Aspekt hinzuweisen. Gerade auch, wenn das Verfahren Prominente betrifft, ist eine Öffentlichkeit nur bedingt auszuschließen. Hinzu kommt, dass Management und/oder Verteidigung nicht gerade für eine diskrete Abwicklung des Verfahrens sorgten. Gleiches gilt für Frau Lohfink selbst, die im Frühstücksfernsehen über das Verfahren zu berichten wusste, gemeinsam mit ihrem Verteidiger und sogar noch medienträchtig Minister Heiko Maas zum Verfahren einlud.
Zwar kann auch das Verhalten der Richter gerügt werden, die nicht hinreichend gegen gewisse Showeinlagen eintraten - dennoch ging die Initiative zur Öffentlichkeit nicht von den Richtern aus, sondern von denen, die Frau Lohfink vertreten sollten - bzw. von ihr selbst. Teilweise hat Frau Lohfink ja auch auf ein Erscheinen vor Gericht verzichtet, z.B. während der Zeugenbefragungen der beiden Männer, die sie beschuldigt hatte - doch mehrheitlich war sie vor Ort, zeigte sich auch gerührt ob der Teilnahme der Damen und Herren, die vor Gericht die Solidaritätsbanner schwenkten und ihr Mut zusprachen und spendierte diesen Geld. "Ich danke euch! Ihr habt den ganzen Tag hier draußen gestanden, kauft euch was Schönes zu trinken." wird sie von Beate Lakotta bei Spiegel Online zitiert. Bilder zeigen sie, wie sie die vor Gericht stehenden Fans begrüßt.
Wenn der Verteidiger doch nur etwas vom Strafrecht verstünde ...
"Wenn Sie unter diesem Verfahren gelitten haben, dann sollten Sie sich einen Verteidiger suchen, der Ihre Interessen wichtiger nimmt als seine. Und wenn er dazu noch etwas von Strafrecht verstünde, wäre das wirklich ein Gewinn." Eine weitere harsche Bemerkung des Richters zum Abschluss, die für manche unsachlich klingt. Doch auch hier muss angemerkt werden, dass der Richter Gründe dafür hatte, so deutlich zu werden.
Verteidiger Burkhard Benecken wagte während des Verfahrens einen Schlingerkurs und versuchte gerade auch nach der Sprungrevision eine Taktik, die (freundlich ausgedrückt) fahrig wirkte. Die Richterin, die zuvor Frau Lohfink verurteilt hatte, sei befangen gewesen, so Herr Benecken; das Verfahren habe sich zu lange hingezogen, Frau Lohfink habe ferner doch nie von Vergewaltigung gesprochen. Doch Recherchen zeichnen ein anders Bild - obgleich viele Medien von einem Befangenheitsantrag gegen die Richterin berichteten, gibt die Süddeutsche Zeitung, die direkt von dem Verfahren berichtete, an, dass es laut Protokoll keinen Befangenheitsantrag gegen die Richterin gegeben habe, weshalb auch die unrechtmäßige Ablehnung dieses Antrages kein Argument sein kann. Es sei vielmehr ausdrücklich festgehalten worden, dass die Verteidigung keinen Befangenheitsantrag stellen würde.
Auch die Strategie, die Beschuldigung als quasi nichtexistent darzustellen, da Frau Lohfink ja nicht von Vergewaltigung gesprochen habe, ist nicht nachvollziehbar. Wie die Kommissarin Claudia R., die in der Abteilung für Sexualdelikte des Berliner Landeskriminalamtes arbeitet, aussagte, habe Frau Lohfink zwar den Begriff Vergewaltigung nicht genutzt, doch ist dies für eine entsprechende Anzeige auch nicht notwendig. "Sie sagte, das wäre ein hartes Wort, und sie wisse nicht, wie man es sonst nennen soll, wenn man gegen seinen Willen Sex hat" wird die Beamtin zitiert, die angab, wie Frau Lohfink das Geschehen beschrieben hatte und feststellt: "Aber wenn jemand sagt: Ich hatte Sex gegen meinen Willen, wurde festgehalten, habe gerufen: 'Hilfe, Polizei' und ,Nein, nein' - dann erfüllt das natürlich den Tatbestand der Vergewaltigung."
Es ist nur logisch, dass für Anzeige wegen eines bestimmten Straftatbestandes die Benennung dieses Straftatbestandes in juristisch korrektem Terminus nicht notwendig ist, sonst wäre es für juristisch unbewanderte Menschen oder Menschen, die die Sprache nicht korrekt beherrschen, nur schwerlich möglich, eine Anzeige zu erstatten. Wer gegenüber der Polizei behauptet, jemand habe ihn gerade eben mit einem Baseballschläger attackiert, der muss das Wort Körperverletzung nicht nutzen um eben diese anzuzeigen. Hinzu kommt im Fall Frau Lohfink, dass diese zumindest gegenüber den Medien durchaus von Vergewaltigung sprach.
Auch die Wahl des Rechtsmittels, der Sprungrevision, ist nicht nur für den Richter schlecht nachvollziehbar. Wenn es doch darum geht, den Fall ans Amtsgericht zurückzuschicken, wo er erneut verhandelt werden soll, warum dann nicht die Möglichkeit der Berufung beim Landgericht nutzen? "Sinn macht die Argumentation eigentlich nur, wenn man von der völligen Aussichtslosigkeit seines Rechtsmittels überzeugt ist und nur um des schönen Scheins willen nicht kampflos aufgeben will" folgert der Richter. Dass aus allen diesen Bausteinen eine sehr direkte, im Tonfall teils harsche Kritik an dem Anwalt entsteht, ist daher in sich schlüssig.
Teil 2: Das Schweigen der Unterstützer
Teil 3: Ein Verein, den es niemals gab