Der Fall des Rubels und seine Ursachen
Der russische Rubel hat innerhalb weniger Tage signifikant an Wert verloren. Der Inflation dürfte dies weiteren Aufschwung geben. Doch die Ursachen liegen tiefer.
Seit Anfang August 2024 ist die russische Landeswährung gegenüber dem US-Dollar und dem chinesischen Yuan um 24 Prozent eingebrochen. Allein am vergangenen Mittwoch Nachmittag ist der Rubel um 7,25 Prozent auf 113,15 zum US-Dollar gefallen.
Der russischen Zentralbank zufolge lag der Rubel am Freitag bei 109,58 US-Dollar. Damit ist er auf den niedrigsten Stand gefallen seit März 2022, dem ersten Monat nach Beginn des Ukrainekriegs.
Beschönigung und flüchtige Ursachenforschung
Da ein Währungsabfall zwangsläufig eine Verteuerung der Importe nach sich zieht, dürfte der schwächelnde Rubel die sowieso schon hohe Inflation im Lande weiter befeuern. Dem gegenüber ergibt sich dabei das Potenzial, die Einnahmen durch Exporte zu steigern.
So machte der russische Finanzminister, Anton Siluanow, zunächst gute Miene zum bösen Spiel, in dem er auf einer Finanzkonferenz in Moskau erklärte, dass der Wechselkurs sehr, sehr günstig für Exporteure sei. Tatsächlich könnte er der Regierung helfen, höhere staatliche Einnahmen aus Energiesteuern und Exportzöllen zu generieren.
Um die Währung gegenwärtig zu stabilisieren, wird dies jedoch nicht genügen. Über die Ursachen des Verfalls des Rubels sind sich Expertinnen und Experten in Wirtschaft, Presse und Politik weitestgehend einig , indem sie die unmittelbaren Ursachen benennen.
Das sind zum einen die neuen Sanktionen gegen die Gazprombank, über welche zuvor die Devisenzahlungen für russische Energierohstoffe abgewickelt worden sind. Zum anderen ist das die Veränderung beziehungsweise Erhöhung der Geldmenge im Vergleich zu den wichtigsten Handelspartnern.
Tiefliegende Ursachen der Inflation
Diese angeführten Gründe bestehen, doch sind sie nur Auslöser im Verhältnis zu den tiefer liegenden Ursachen der Probleme des Rubels und der russischen Wirtschaft insgesamt.
Die russische Wirtschaft ist derzeit mit einem Anstieg der Geldmenge konfrontiert, weil die Regierung reichlich Geld in die Wirtschaft pumpt – dazu gehören etwa die deutlich höheren Verteidigungsaufträge oder Ausgleichszahlungen für Unternehmen gegen den Sanktionsdruck.
Gleichzeitig hat ausgehend vom militärisch-industriellen Komplex und übergehend auf andere Wirtschaftszweige in der Russischen Föderation eine Reallohnsteigerung stattgefunden, die die Verbrauchernachfrage erhöht hat.
Der gestiegene Konsum fließt wiederum vielfach in importierte oder auch einheimische Waren, die jedoch mit importierten Geräten oder aus importierten Komponenten hergestellt werden. Für eben diese importierten Waren muss am Ende in ausländischer Währung bezahlt werden, wodurch bei zu niedrigem oder fehlendem Exportausgleich, die eigene Währung an Wert verliert.
Historisch betrachtet, gab es eine Situation in der Russischen Föderation, bei der eine angelegte "Injektion" von Geld in Wirtschaft und Gesellschaft zu einem Wirtschaftswachstum statt zu einer Krise führte.
Nachdem das Land im Jahr 1998 (im Zuge seiner kapitalistischen Transformation) seine Zahlungsfähigkeit einstellen musste, wurde damals unter der Regierung von Jewgeni Primakow und dem damaligen Zentralbankchef Viktor Geraschtschenko die Geldmenge mehrmals erhöht, was entgegen dem Dogma der "Neoliberalen" nicht zu einem Anstieg der Inflation führte.
Im Gegenteil begann sich der Mechanismus des Wirtschaftswachstums in Gang zu setzen. Denn das zusätzliche Geld belebte den Binnenmarkt und ermöglichte die Inbetriebnahme der noch erhaltenen sowjetischen Produktionsanlagen, die in der Lage waren, die Inlandsnachfrage mit inländischer Produktion zu decken.
Charakter einer Rohstoffwirtschaft
In der jetzigen Situation ist jedoch mit einem ähnlichen wirtschaftspolitischen Handeln ein Ungleichgewicht geschaffen worden, dessen Folgen in der Inflation und den Wechselkurssteigerungen des Rubels ersichtlich werden.
Denn um die gestiegene Inlandsnachfrage durch inländische Produktion zu befriedigen, wird wirtschaftliche Infrastruktur benötigt. Eine solche Infrastruktur, die in der UdSSR über Jahrzehnte hinweg systematisch aufgebaut worden war, war vormals noch vorhanden und die "Geldspritze" ermöglichte ihren Aktivierung.
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In den Jahren danach jedoch entwickelte sich die russische Wirtschaft immer mehr zu einer Rohstoffwirtschaft, die auf den Export von Rohstoffen und die Befriedigung der Inlandsnachfrage auf Kosten der aus den Exporterlösen importierten Waren ausgerichtet war.
Dies war eine bewusste liberale Wirtschaftspolitik, deren Charakter trotz umfassenden Versuchen des Gegensteuerns nach den Sanktionen von 2014 und vom Februar 2022 weitgehend unverändert blieb.
Auf der Grundlage einer weitgehenden Rohstoffwirtschaft ist es jedoch schwer möglich, eine Volkswirtschaft mit einer Bevölkerung von vielen Millionen Menschen entsprechend hochtechnologisch zu entwickeln.
Die Politik der russischen Zentralbank, auf die Inflation mit der Verhängung extrem hoher Zinssätzen zu reagieren, schwächt indes die reale Produktion weiter. Notwendig wäre dagegen die Schaffung eines umfassenden Programms zur wirtschaftlichen Entwicklung, das eine echte Importsubstitution ermöglicht.
So könnte der Erhalt des Geldes in den Händen der Bevölkerung zur Grundlage für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum werden; statt zu weiterer Inflation und Wechselkurswucher zu führen.