EU-Sanktionen: Spaltet der Wirtschaftskrieg gegen Russland Europa?
Die EU plant 15. Sanktionspaket gegen Russland. Neue Maßnahmen sollen Moskaus Kriegskasse treffen. Doch der Widerstand aus den eigenen Reihen wächst.
Je mehr die EU-Sanktionen gegen Russland ausgeweitet werden, desto mehr werden diese Maßnahmen zum Streitpunkt zwischen den Mitgliedsstaaten. Der Grund: Länder der Union sind in unterschiedlicher Intensität von den wirtschaftlichen Konsequenzen selbst beeinträchtigt.
Der Europäische Rat erwägt deswegen, ab dem kommenden Jahr keine großen Sanktionspakete mehr gegen Russland zu verabschieden, sondern aufgrund zunehmender interner Spannungen und Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten kleinere Sanktionen in Folge zu beschließen.
Noch aber bereitet die Europäische Union ein umfassendes neues Sanktionspaket gegen Russland vor, um den Druck auf Moskau aufgrund des anhaltenden Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter zu erhöhen.
Zunehmender Dissens in der EU
Aus internen Dokumenten aus EU-Ratsarbeitsgruppen, die unserer Redaktion exklusiv vorliegen, gehen nun Details über das Ausmaß der Pläne hervor. Zugleich belegen die Protokolle einen zunehmenden Dissens zwischen EU-Mitgliedsstaaten.
Das neue Paket soll demnach 83 Individuallistungen, 48 Schiffslistungen und 33 Listungen von Firmen unter den bestehenden EU-Sanktionen umfassen. Ziel ist es, durch die neuen Strafmaßnahmen den Druck auf Moskau weiter zu erhöhen und Russlands Einnahmen aus Öl- und Gasexporten zu reduzieren.
Schattenflotte im Visier
Besonders im Fokus stehen dabei Schiffe der russischen Schattenflotte, die an Verstößen gegen den Ölpreisdeckel, an Waffentransporten oder am Export von ukrainischem Getreide beteiligt sein sollen. Auch chinesische Firmen geraten ins Visier, denen vorgeworfen wird, Sanktionen zu unterlaufen, indem sie Drohnenkomponenten an Russland liefern.
Die Individuallistungen betreffen laut den Dokumenten den russischen militärisch-industriellen Komplex, Verantwortliche für Luftangriffe auf zivile Ziele in der Ukraine, Verantwortliche für Kindesentziehungen sowie russische Firmen, die in besetzten ukrainischen Gebieten tätig sind. Auch die russische Fluggesellschaft Utair soll gelistet werden.
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Während viele EU-Staaten das Sanktionspaket grundsätzlich befürworten, gibt es im Detail noch Diskussionsbedarf. Länder wie Griechenland und Malta warnen davor, den maritimen Sektor überproportional zu belasten. Frankreich und Italien drängen auf Verlängerung von Ausnahmen, um Entflechtungsprozesse von Unternehmen zu ermöglichen.
Deutschland unterstützt die Vorschläge, sieht aber ebenfalls noch Klärungsbedarf bei bestimmten Aspekten. So forderte Berlin bei den jüngsten Beratungen in Brüssel Schutz vor "Anti-Suit Injunctions", mit denen russische Gerichte Klagen gegen Unternehmen anstrengen, die sich an EU-Sanktionen halten.
Auch eine Verlängerung von Übergangsfristen für bestehende Verträge, insbesondere im Luftfahrtsektor, sei für die deutsche Zustimmung zentral, so bestätigt ein beteiligter Diplomat.
Die EU-Kommission zeigt sich nach den uns vorliegenden Informationen offen für technische Diskussionen und Anpassungen. Gleichzeitig drängt der Europäische Auswärtige Dienst auf eine schnelle Verabschiedung, da das Paket als Ergebnis für den EU-Gipfel in diesem Monat vorgesehen ist – und die EU-Institutionen gegen demnächst in die Weihnachtspause.
Spätestens zum dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine Anfang 2025 sollen auch Beschränkungen für den Import russischer Agrarprodukte und Düngemittel erlassen werden.
Die Vorbereitungen für das 15. Sanktionspaket kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die EU weitere Strafmaßnahmen gegen Verbündete des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Betracht zieht. Nach Agenturinformationen haben Vertreter der 27 Mitgliedstaaten am Mittwochabend erstmals über neue Vorschläge der EU-Kommission beraten.
Die Diskussionen über das neue Sanktionspaket finden vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden humanitären Lage in der Ukraine statt. Russland hat in den letzten Wochen seine Angriffe auf zivile Infrastruktur, insbesondere auf das Energienetz, intensiviert. Millionen Ukrainer sind von Strom- und Heizungsausfällen betroffen, während der Winter naht.
Die EU sieht sich daher unter Druck, ihre Unterstützung für die Ukraine zu verstärken und gleichzeitig die Kosten für Russland in die Höhe zu treiben. Die Sanktionen zielen darauf ab, die russische Wirtschaft zu schwächen und Moskaus Fähigkeit zur Finanzierung des Krieges einzuschränken.
Allerdings ist die EU auch mit den Auswirkungen der Sanktionen auf die eigene Wirtschaft konfrontiert. Steigende Energiepreise und Lieferengpässe belasten Unternehmen und Verbraucher. Die Mitgliedstaaten sind daher bemüht, einen Balanceakt zu finden zwischen effektiven Strafmaßnahmen und dem Schutz der eigenen Interessen. Und die eigenen Interessen treten angesichts wachsender geopolitischer Probleme immer stärker in den Vordergrund.