Der Funkbaum

Auch die Amerikaner wollen inzwischen guten Handyempfang, aber keine sichtbaren Antennen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Mobilfunkmarkt boomt. Handys gehören längst zum Alltagsbild, überall telefonieren Menschen mobil, ob nun auf der Straße, im Auto, im Laden, in der Straßenbahn oder im Lokal. Jedes Netz bemüht sich nach Kräften, kein Funkloch offen zu lassen. Dafür müssen Mobilfunkantennen errichtet werden – aber gegen die Sendestationen erhebt sich zunehmend die Opposition der Anwohner, die gesundheitliche Schäden durch Elektrosmog befürchten.

Die Telekommunikationsfirmen müssen sich inzwischen immer öfter mit wütenden Bürgern, Gerichten und starkem politischem Gegenwind auseinander setzen. Eine Strategie dagegen ist die Tarnung der Antennen, z.B. als Kamine, Kreuze auf Kirchtürmen oder immergrünes Nadelgehölz.

Kirchenfunk: Mobilfunk-Antenne im Kreuz der evangelischen Kirche (Apostelkirche) in Neuburg/Donau (Bild: Umweltinstitut München)

Mendham Township ist eine hübsche kleine verschlafene Gemeinde mit rund 5.000 Einwohnern, 3 Schulen, 2 Tennisplätzen, 143 Hydranten und 10 „Houses of Worship“ im Großraum New York - New Jersey. Der Ort liegt 55 km westlich von New York und 45 km nordwestlich von Newark. Wer hierher zieht, mag es ruhig, das aufregendste Ereignis des Jahres ist die Parade zum Unabhängigkeitstag. Und wer hier wohnt, verfügt über ein sehr gutes Einkommen, der durchschnittliche Wert eines Einfamilienhauses in der Gemeinde liegt bei 470.000 Dollar. Es geht den Bewohnern von Mendham Township gut, sie genießen ihr Leben in ihrem beschaulichen Örtchen und keiner macht nach acht Uhr abends Lärm.

So war das jedenfalls bisher, denn wie die New York Times berichtet, gibt es jetzt ein lokales Bauvorhaben, dass die Bürger auf die Barrikaden treibt: Die Firma Verizon Wireless will eine mehrere Meter hohe Mobilfunkantenne auf dem höchsten Hügel des Städtchens errichten.

Aber aller Widerstand der Leute von Mendham Township hat nichts genützt, demnächst baut die Firma gemäß ihrem Motto: „We never stop working for you“ ihren Funkmast. Von fast allen Teilen des Ortes wird die Mobilfunkantenne gut sichtbar sein. Der stellvertretende Bürgermeister Robert D. Pierson kommentiert: „Wir sind sehr gereizt und frustriert“. Die Gemeinde hat mithilfe von Flächennutzungsplänen vergeblich versucht, das Vorhaben zu verhindern.

Mobilfunkantennen in Form von Palmen in Südkalifornien (Bild: Larson Utility Camouflage)

Es gibt hunderte von Gemeinden in den USA, denen es genau so erging oder gerade so ergeht wie Mendham Township. Mehr als 500 ähnlicher Fälle endeten nach Schätzungen von Experten bereits vor Gerichten und üblicherweise entscheiden die Richter für die Telefongesellschaften, die sich auf das nationale Telekommunikationsgesetz berufen. Kein Stadtrat hat danach das Recht, die Bereitstellung von Mobilfunk für seine Bürger durch lokale Beschlüsse grundlos zu unterbinden. Hinweise auf eine eventuelle Gesundheitsgefährdung sind nach der Auffassung der meisten Juristen irrelevant, da bisher keine umfassende wissenschaftliche Studie etwas Derartiges belegt. Die Gerichte befinden dementsprechend meistens, dass das Recht überall telefonieren zu können, durch vage Befürchtungen in Sachen Elektrosmog nicht eingeschränkt werden darf.

Die meisten Bewohner von Mendham Township besitzen ein Handy und schätzen den Komfort des Mobilfunks. Dass es in ihrer Stadt Funklöcher gibt, hat sie dabei bisher nicht gestört. Jeder kennt sie und bleibt dann eben an einer Ecke stehen, um sein Gespräch zu Ende zu führen, bevor in der nächsten Straße der Funkkontakt abbricht.

Auf das Recht zur vollständigen Versorgung beruft sich Verizon Wireless, die Firma hat mehr als 30 potenzielle Standorte untersucht und nur die höchste Stelle in der Stadt gewährleistet Mobilfunk für alle überall. Der Gemeinderat hatte erfolglos andere, weniger sensible Standorte angeboten.

Mobilfunkantenne in Form eines Kaktus in Arizona (Bild: Larson Utility Camouflage)

Immer mehr Menschen haben Handys und wollen nirgends auf ihre Erreichbarkeit verzichten. Anderseits möchte niemand eine Mobilfunkantenne auf dem Grundstück nebenan stehen haben – das ist der Interessensgegensatz, um den es geht. Laura Altschul von T-Mobile USA erklärt:

Vor fünf Jahren war das Sendernetz wirklich im Einsatz der Mobilität und nur wenige Leute benutzten ein Handy, wenn sie erst einmal zu Hause waren. Aber jetzt ist das anders und wir müssen uns entsprechend näher in die Wohngegenden begeben. Das Problem ist, dass die Leute dort, wo sie leben, den Service wollen, aber nicht die dafür nötige Anlage.

Tumore und Ohrensausen

Nicht nur in den USA gibt es immer wieder Streit mit den Anwohnern, wenn eine Mobilfunkantenne errichtet wird, auch in Deutschland sind die Sendeanlagen äußerst umstritten, die Debatte tobt seit Jahren. Immer wieder gab es kritische Studien, die eine Gesundheitsgefährdung durch die Sendeanlagen und auch durch die mobilen Telefone vermuteten (Schlaflosigkeit und Konzentrationsschwäche durch Mobilfunkantennen). Beispiele für mögliche negative Auswirkungen der Handystrahlung sind Tumore im Kopfbereich (Langjährige Handy-Nutzung erhöht Risiko für Ohrtumor) oder eine Reduktion der Spermienaktivität (Machen Handys ihre Nutzer unfruchtbar?). Aber Handy ist nicht gleich Mobilfunkantenne, tatsächlich strahlen die Anlagen ständig, aber sehr viel schwächer als die Endgeräte.

Das Forschungszentrums Jülich legte gerade seinen Projektbericht zur Bewertung neuerer Forschungsergebnisse bezüglich Mobilfunk und Gesundheit vor. 25 Spitzenforscher aus Deutschland und der Schweiz warfen einen vertieften Blick auf die wichtigsten Untersuchungen aus den Jahren 2000 bis 2004 zu den zentralen Forschungsgebieten: Krebs, erbgutschädigende Effekte, Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, Befindlichkeitsstörungen und Blut-Hirn-Schranke. Abschließend erklärte Dr. Peter Wiedemann, der Leiter der Jülicher Programmgruppe:

Die im Risikodialog betrachteten Studien erhärten nicht den Verdacht, dass der Mobilfunk negative gesundheitliche Auswirkungen hat

Bewertung der wissenschaftlichen Literatur zu den Risikopotenzialen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks

In Österreich ist zurzeit eine aktuelle Studie des Umweltmediziners Gerd Oberfeld vom Land Salzburg) heftig umstritten. Für die so genannte „Salzburger Studie“ stellten sich zwölf Personen im Alter zwischen 20 und 78 Jahren, neun Frauen und drei Männer freiwillig für die Messung ihrer Gehirnströme zur Verfügung. Sie bezeichneten sich selbst als „empfindlich“ gegen Mobilfunkstrahlung. Als sie ihr ausgesetzt wurden, zeichnete das EEG veränderte Hirnströme auf und die Probanden schilderten ihre Symptome – unter anderem Herzbeklemmungen, Unwohlsein und Ohrengeräusche (Strahlung von Mobilfunksende-Anlagen beeinflussen Gehirnströme).

Das Forum Mobilkommunikation bezweifelt jetzt die wissenschaftliche Methode und wirft dem Land Salzburg vor, eine Kampagne gegen die Errichtung neuer Masten für die UMTS-Versorgung zu fahren (Kritik an Salzburger Handymast-Studie).

Camouflage-Taktik

In der Bundesrepublik gibt es bereits ungefähr 50.000 Mobilfunkantennen, über die mit 60 Millionen Handys telefoniert wird. Das Netz wird ständig ausgebaut, allein für UMTS werden noch weitere tausende Antennen nötig, damit noch schneller und zuverlässiger telefoniert, Bilder oder SMS verschickt werden können. Die Gegner formieren sich nicht zuletzt im Internet bei Verbraucherinitiativen wie dem Forum Elektrosmog oder dem Verein Bürgerwelle. In der Öffentlichkeitsarbeit halten die Mobilfunkbetreiber mit dem Informationszentrum Mobilfunk online dagegen.

Zwei als Bäume verkleidete Mobilfunkmasten in Portugal. Im rechten Bild sieht man die Plattform und einen Tritt. Auch in nördlicheren Gefilden soll es solche "Nadelbäume" geben. (Bild: Umweltinstitut München)

Viel mitzureden haben die Anwohner bisher nicht, wenn in ihrer Nachbarschaft eine Sendeanlage errichtet wird. Aber immerhin können sie sich im Internet darüber informieren, wo sich in ihrer Gemeinde Mobilfunkantennen befinden. Eine Datenbank der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (EMF-Datenbank) gibt darüber Auskunft. Wer da fündig wird, sucht aber oft vergeblich nach der Antenne auf dem Dach nebenan, denn die Betreiber greifen gerne zur Camouflage-Taktik und tarnen die Sendemasten als Kamine, Bäume, Kirchenkreuze oder andere unauffällige Formen. Litfasssäulen oder Fahnenmaste dienen als Verpackung. Offiziell begründen das die Telekommunikationsfirmen allerdings nicht als Schutz vor Anwohnerprotesten, sondern als Anpassungen an Denkmalschutz oder Städtebau (T-Mobile will keinen Hinweis auf versteckte Mobilfunkantennen). Der Trend ist international, in den USA gibt es bereits auf Mobilfunk-Mimikry spezialisierte Firmen, die Sendeantennen höchst professionell als Architekturelemente, Palmen oder Kakteen erscheinen lassen (Larson Company Camouflage Division).

Zumindest in Bayern will die ÖDP jetzt das Recht ändern, das bisher Sendemasten bis 10 Meter Höhe Genehmigungsfreiheit garantiert. Ein Volksbegehren ist auf den Weg gebracht. Das Ziel: „Sendeanlagen sollen künftig nach dem Vorsorgeprinzip nicht in Wohngebieten, bei Kindergärten und Schulen, sondern an unproblematischeren Standorten errichtet werden können. Um dies zu erreichen, muss eine Genehmigungspflicht für Sendemasten in der Bayerischen Bauordnung und die Gesundheitsvorsorge im Landesentwicklungsplan verankert werden“. Ab Mitte Juni werden voraussichtlich die Listen für das Begehren zwei Wochen lang offiziell ausliegen (Für Gesundheitsvorsorge beim Mobilfunk).