Der Irak - ein Schwarzes Loch im Cyberspace
Machterhaltung und Embargo lassen das Land hinter einer Kommunikationsmauer versinken
Wenn die USA und Großbritannien mit High-Tech-Waffen auf Saddam Hussein und sein Militär zielen, so treffen sie ein Land, das trotz aller möglichen militärischen Aufrüstung mit chemischen, biologischen oder nuklearen Waffen technisch weit zurückliegt. Zumindest was das Internet angeht, ist Irak ein Schwarzes Loch. Die einzige offizielle Website der irakischen Regierung ist die der UN-Vertretung.
Während sonst in vielen Krisengebieten die Menschen über das Internet und Emails den Kontakt mit der Außenwelt halten, Informationen erhalten und senden können, ist die irakische Bevölkerung weitgehend von der Kommunikation abgeschnitten. Nicht einmal die Regierung nutzt das Internet, um in eigener Sache in den Medienkrieg einzusteigen. Immerhin hat sie die Chance erkannt, die darin liegt, ausländische Medien nicht fernzuhalten, sondern sie, wenn auch gut überwacht und in ihrem Bewegungsradius höchst eingeschränkt, aus dem Land berichten und Live-Bilder senden zu lassen.
So sind die Kameras verschiedener Sender, darunter natürlich die von CNN, aber auch von BBC, ABC oder NBC, auf Hoteldächern oder in Zimmern installiert. In einem Fall sind Journalisten in einem Hotel direkt neben einer Waffenfabrik untergebracht. Auf dem Dach des Hotels, von dem CNN berichtet, befinden sich Flugabwehrsysteme. Man vermutet auch, daß möglicherweise in Hotels auch Massenvernichtungswaffen untergebracht sein könnten. Es wäre natürlich ein schöner Mediensieg Husseins, wenn Cruise Missiles einen ausländischen Reporter treffen würden. Waffen schützen in diesem Fall nicht die Menschen, sondern Menschen, deren blutende Leiber strategisch wichtige Medienbilder liefern, dienen als Schutzschilde der Waffen.
Während die anderen arabischen Staaten zwar vorsichtig die Nutzung des Internet für ihre Bürger zulassen, hält die irakische Regierung ihr Volk wie eine Mediengeisel. Auch die chinesische Regierung sucht noch immer, die Menschen vor "gefährlichen" Informationen fernzuhalten, die aber gleichwohl ins Land eindringen, weil ganz einfach die Infrastruktur für Kommunikation vorhanden ist (China kämpft gegen neue Publikationsformen im Netz). Die serbische Regierung ist in den Medienkrieg eingestiegen, hat oppositionelle Zeitungen geschlossen, aber das Internet hat sich seit dem Bosnienkrieg bereits zu einem wichtigen Kommunikationsmittel für Regierung und Opposition entwickelt, das nicht mehr zu unterdrücken ist.
Wer wirtschaftlich nicht völlig zurückbleiben will, muß mit allen innenpolitischen Gefährdungen sich den neuen Medien öffnen, die in diesem Fall mit den ökonomischen Vorteilen tatsächlich auch ein Stück Demokratie, Meinungs- und Informationsfreiheit mit sich bringen. Das aber scheint Hussein wie der Teufel das Weihwasser zu fürchten. Nur im Ausland haben Iraker und die irakische Opposition wie der Irakische Nationalkongress, die Iraq Foundation oder das Iraq Net eine Präsenz im Web aufgebaut. Doch anders als etwa die im Ausland wohnenden chinesischen Dissidenten, die die Filter der Regierung umgehen und Informationen über Email ins Land schicken, können die Iraker keine Informationen ins Land übers Internet senden. Auch die im Ausland lebenden Iraker, die gegen den Angriff auf den Irak protestieren, müssen auf Websites etwa im Libanon oder in Syrien zugreifen.
Die Menschen - und damit auch die mögliche Opposition - im Irak ist von der Außenwelt abgeschnitten. So sind sie leichter zu beherrschen. Aber daß der Irak ein Schwarzes Loch im Cyberspace ist, geht nicht allein auf das Machterhaltungsinteresse Saddam Husseins zurück, sondern auch auf die UN-Sanktionen, die bereits einsetzten, bevor das Web sich existierte: "Der Irak wurde den schärfsten Sanktionen unterworfen, die jemals ein Land in der menschlichen Geschichte erleben mußte", sagte Ali Abunimah von dem Arabisch-Amerikanischen Netzwerk gegenüber Wired. "Fast nichts darf in das Land mehr eingeführt werden. Keine neuen Autos, Radios, Computer, Schulbücher, Stifte, kein Schreibpapier, keine Brillen, kein Shampoo, keine Seife und keine Maschinen dürfen eingeführt werden. Das ist die kurze Antwort, warum der Irak keine Internet-Infrastruktur besitzt." Aber es ist eben nur eine Antwort, denn gleichzeitig dient diese Unmöglichkeit, mit der Außenwelt frei kommunizieren zu können ebenso wie die Aufrechterhaltung des Embargos den Interessen Husseins. Daß sich Sanktionen umgehen lassen, wenn man dies denn will, hatte nicht nur Serbien, sondern auch der Irak selbst gezeigt.
Der Irak mag zwar über chemische und biologische Massenvernichtungswaffen verfügen, aber zu einem Infowar, wie ihn das amerikanische Militär derzeit beschwört, ist er wohl derzeit nicht imstande. Selbst Rußland sieht sich in dieser Hinsicht abgeschlagen und fordert bereits eine Abrüstung der Informationswaffen.