Der Islamische Staat führt die grausame Tötung von türkischen Soldaten vor
Die Türkei bombardiert die nordsyrische Stadt al-Bab, Proteste wegen der Tötung von Zivilisten hört man aus dem Westen nicht
Der Kampf der türkischen Truppen mit den verbündeten Milizen, man könnte auch von Söldnern sprechen, um die vom Islamischen Staat verteidigte Stadt al-Bab im Westen des Korridors zwischen den von den syrischen Kurden kontrollierten Gebieten ist verlustreich. Unbekannt ist, wie viele der Milizen beim Vorrücken getötet wurden, das türkische Verteidigungsministerium sprach am Donnerstag von 16 getöteten und 33 verletzten Soldaten. Der IS berichtet immer wieder von angeblichen Selbstmordanschlägen, vielen Toten und zerstörten Panzern und Militärfahrzeugen, während das türkische Militär erklärt, man habe seit Donnerstag das IS-Hauptquartier in al-Bab zerstört und Dutzende von Kämpfern "neutralisiert".
Es wurden aber auch türkische Soldaten vom IS gefangen genommen. Der IS versucht, weiter durch extrem grausame Spektakel für Aufmerksamkeit zu sorgen. Damit sollen Gegner und Oppositionelle abgeschreckt, aber auch das Image der Organisation nach innen und außen verstärkt werden. Die vom IS für Propagandavideos nach einer überlegten Choreographie inszenierten Tötungsrituale, die das Exekutieren von Menschen zum emotionslosen, aber blutigen Abschlachten transformieren, dürften einen wichtigen Teil der Attraktion darstellen, durch die Rekruten angeworben und im Westen motiviert werden, selbst Massaker wie zuletzt in Berlin auszuführen.
In einem langen Video präsentiert der IS sein Narrativ. Ausgehend von Kampfszenen um al-Bab wird der türkische Präsident Erdogan gezeigt, um dann die gefangenen Soldaten, kahlgeschert mit einer Halskette in einem Käfig vorzuführen, bewacht von zwei martialisch auftretenden, in Scharz gekleideten und bärtigen IS-Kämpfern. Sie führen in einer offensiv demütigenden Show die beiden Soldaten, die wie Hunde auf dem Boden kriechen müssen, zu einer Stelle, wo sie angekettet und dann lebendig langsam verbrannt werden. Auf Arabisch soll IS-Chef al-Bagdadi dazu aufrufen, die Türkei angreifen, auf Türkisch wird schließlich dazu aufgefordert, über die Türkei Tod und Vernichtung zu bringen, so lange die Soldaten nicht abgezogen werden.
Der türkische Präsiden Erdogan wollte darauf gar nicht eingehen und verkündete gestern hingegen, dass die Einnahme von al-Bab kurz bevor stünde. Er wies die Kritik der noch in der Türkei vorhandenen Opposition zurück. Die Oppositionspartei CHP will von der türkischen Regierung wissen, ob das Video echt ist. Falls dies der Fall sei, fordert man Antworten auf die Fragen, was die Regierung unternommen habe, um die gefangenen Soldaten zu befreien, ob es Verhandlungen gegeben habe und was der IS für eine Freilassung verlangt habe.
Russland, Iran, Syrien und die Türkei haben bekanntlich beschlossen, gemeinsam in Syrien vorzugehen, einen Waffenstillstand landesweit wie in Aleppo durchzusetzen und Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition einzuleiten. Für die Türkei würde der Waffenstillstand wahrscheinlich bedeuten, dass die syrischen Kurden, wenn sie ihr von den USA gedecktes Vorrücken auf Raqqa nicht abbrechen und sich nicht aus Manbij und der Umgebung von al-Bab zurückziehen, zum Abschuss freigegeben würden. Putin betonte auf seiner Pressekonferenz gestern denn auch, dass die Türkei eine wichtige Rolle in der Aleppo-Krise gespielt habe. Über die türkische Vermittlung wurde der Abzug der bewaffneten Gruppen aus Aleppo nach Idlib ermöglicht. Man kann allerdings erwarten, dass die Konflikte zwischen der Türkei und Syrien, Iran und Russland wieder aufleben, da ähnlich wie mit den USA offen bleibt, welche Gruppen als legitime Opposition und welche als Terroristen gelten sollen.
Schon länger war klar, dass die Türkei nicht gegen die die Eroberung von Ost-Aleppo durch syrische, iranische/schiitische und russische Truppen protestiert, wenn Ankara selbst freie Hand hat, den Korridor an der türkischen Grenze bis nach Aleppo zwischen den kurdischen Gebieten einzunehmen. Während die Welt auf Aleppo blickte und Kritik an den Bombardierungen gegen "Rebellen" und Zivilisten übte, blieben die Kämpfe um Mossul oder Raqqa, wo auch immer wieder Zivilisten durch Bombardierungen getötet und verletzt und die Städte verwüstet werden, ebenso aus dem Blick wie das Vorgehen in al-Bab, wo die Türkei immer wieder auch Wohngebiete zu bombardieren scheint.
Berichte sowohl von kurdischen Medien als auch von SOHR geben Hinweise darauf, dass die von türkischen Militärflugzeugen ausgeführten Bombardierungen von Zielen in al-Bab nicht nur IS-Stellungen treffen, sondern auch den Tod von Zivilisten zur Folge haben. So berichten die Kurden, dass bei türkischen Luftangriffen 84 Zivilisten getötet worden seien und zählen diese teils auch mit Namen auf. SOHR sagte gestern, dass in den letzten 24 Stunden alleine 88 Zivilisten von türkischen Bombardierungen getötet worden seien, darunter auch Kinder und Frauen. Am Tag zuvor seien 72 Zivilisten getötet worden, was als Massaker bezeichnet wird. Der IS berichtete, 50 Zivilisten seien getötet worden. Verbeitet werden Videos, die angeblich die Opfer zeigen sollen. Im Unterschied zu Aleppo hört man hier von westlicher Seite keine Proteste oder Forderungen nach Untersuchungen, die Türkei ist schließlich nicht nur Verbündeter von Russland, sondern auch Nato-Mitglied.
Das türkische Militär spricht davon allerdings nicht, sondern nur von Erfolgen gegen den IS. Am Freitag sagte das türkische Verteidigungsministerium, türkische Flugzeuge hätten 51 IS-Ziele angegriffen, 22 Terroristen getötet und 37 Gebäude, 3 Waffenarsenale und ein Logistikzentrum zerstört. Zudem hätte die Artillerie 143 Ziele angegriffen und zwei Terroristen getötet. Man darf sich hier - wie auch bei den Erfolgsmeldungen des Pentagon - fragen, wie man die genaue Zahl der angeblich getöteten Kämpfer ermitteln will und warum man damit rechnet, dass ansonsten geglaubt wird, dass ein sauberer Krieg ohne "Kollateralschaden" geführt wird. Zugegeben wird auch nur, dass der IS 3 türkische Soldaten gefangen genommen hat, mehr wisse man aber nicht, womit jede Stellungnahme zu dem Video vermieden wird.