Der Mehrwert ist überhaupt kein Rätsel

Seite 7: Einwand 9: Kommunismus widerspricht der Natur des Menschen

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So wie der Kommunismus immer in seiner Perfektion beschrieben wird, braucht er dazu auch den perfekten Menschen, um zu funktionieren. Solange es den nicht gibt, funktioniert auch der Kommunismus nicht.

Forist "DJ Doena"

Das hat natürlich mal wieder rein gar nichts mit dem Artikel zu tun, ist aber ein Dauerschlager unter den Einwänden. Ein Forist hält tapfer dagegen:

So kann man alles rechtfertigen. Kriege, Diebstahl, Ausbeutung von Menschen usw. Kein erdachtes System braucht einen neuen Menschen. [...] Und wer weiß. Womöglich wollen Menschen nicht andauernd in sozialer und ökonomischer Konkurrenz zueinander stehen. Kannst du das so genau sagen, dass es vollkommen natürlich ist, dass man sich gegenseitig bescheißt, ausbeutet, beklaut und gegenseitig Neid empfindet? Und das Ganze auch noch organisiert? [...] Als Gemeinschaft wollen Menschen womöglich das nicht so handhaben, weil Menschen eher ein stressfreies Leben bevorzugen. Vielleicht ist es gerade so, dass Kapitalismus genau solche negative Verhaltensweisen fördert.

Forist "nihil_jie"

Eigentlich ist es egal, welches Menschenbild man hat. Es liegt nicht am Menschenbild, dass der Kapitalismus seine Brutalitäten entfaltet, sondern ist der Eigendynamik dieser Produktionsweise geschuldet, die notwendig zur Akkumulation auf der einen und Armut auf der anderen Seite führt. Umgekehrt ist es aber ein Trivialität, dass in einer Konkurrenz derjenige tendenziell besser fährt, der über die besseren Konkurrenzmittel verfügt, wozu eben auch ein durchsetzungsfähiger Charakter gehören mag. Ein Typ mit solchen Attributen ist von außen betrachtet aber sowieso immer ein Charakterschwein, muss er ja auch sein, ganz klar. Beweis: Er hat sich ja gegen andere durchgesetzt. Anständig kann es "bei dem" nicht zu gegangen sein. Hast du seine Ellenbogen gesehen? Der geht ja glatt über Leichen. Apropos, neuer Mensch und über Leichen gehen, hier der schönste Einwand aus dieser Richtung:

Emanzipation führt zuerst zur Befreiung von der Scholle, dem Stand, der Klasse, der Nation, der Kultur, dem Geschlecht, der Befreiung vom Menschsein. D.h. dieser Kleinbürger Marx führt auch in eine Spielart des Transhumanismus [!!!], einer Art des dystopischen Globalfaschismus. Oder geht gar über in den Suizid, da die Vermittlung [?] scheitert.

Forist "semmering"

Anscheinend braucht der Kommunismus nicht nur den "neuen Menschen", er braucht sogar den neuen Nicht-Menschen. Mit anderen Worten: Der Kommunismus ist unser aller Untergang. Er will die Menschen von ihrem Menschsein befreien. Alle werden gemessert.

Das Problem am Menschsein ist die natürliche Ungleichverteilung von Gesundheit, Attraktivität, Talent; zur Ökonomie finde ich keinen Zugang, aber Mensch und Kapitalismus gehören irgendwie [!?!] zusammen.

Forist "Leser2015"

Einwand 10: Kapitalisten in der Produktionssphäre gehen kein Risiko ein!

So ein Quatsch. [...] Wer Zwischengüter oder Werkzeuge für die Industrie fertigt, der fertigt nicht auf Halde, denn produzierte und nicht verkaufte Güter binden Kapital. Etwas anders sieht das bei vielen Konsumprodukten aus, die dem Verbraucher zum schnellen Verkauf angeboten werden, wie z.B. Kleidung, Spielzeug etc."

Forist "Mathematiker"

Maschinen, also die "Werkzeuge für die Industrie", mögen zwar auf Auftrag produziert werden - übrigens genau so wie alle Dienstleistungen -, aber sie fertigen sich nicht von selbst. Um Maschinen überhaupt fertigen zu können, braucht es zunächst andere Maschinen. Und die müssen eingekauft oder selbst produziert werden. Man muss als Maschinenbauer schon sehr weit in Vorleistung gehen, bevor man überhaupt den ersten Auftrag an Land ziehen kann - ebenfalls wie bei allen Dienstleistern. Und ob man den findet, ist doch gerade das Risiko.

Wenn der Markt für bestimmte Maschinen gesättigt ist oder die Konkurrenz ihre Maschinen billiger produziert, bleiben die Aufträge beim Maschinenbauer einfach aus. Dann hat man als Maschinenbauer riesige, unbenutzte Werkhallen zu verwalten, die laufend Kosten produzieren und vollgestopft sind mit hochtechnologischem - Müll. Nicht die produzierten Waren liegen auf Halde, da hat der Forist "Mathematiker" schon recht, sondern die Produktionsmittel, mit denen sie gefertigt werden. Sie werden plötzlich unbrauchbar. Und zwar nicht etwa deshalb, weil sich mit ihnen nichts anstellen lässt. Funktionieren tun sie nach wie vor. Nein, sie sind nur deshalb Müll, weil sie sich an dem Zweck des Kapitals blamieren, Gewinn zu erwirtschaften.

Marx bezeichnet diese speziell kapitalistische Sorte von Unbrauchbarwerdung von Produktionsmitteln als "moralischen Verschleiß". Er ist "moralisch", eben weil er keinen realen Verschleiß darstellt. Was tut man damit? Man darf jedenfalls nur wenig hoffen, dass ein Branchenkonkurrent - und ein anderer braucht sie nicht - die moralisch unbrauchbar gewordenen Produktionsmittel plötzlich zu ihrem Wert abkauft. Was soll er denn mit solchem Zeug? Es hat sich doch gerade bewiesen, dass man damit nicht lohnend produzieren kann.

Überdies kann der Käufer der Maschinen, der Bestellkunde, der ihre Abnahme vertraglich garantiert hat, seinerseits ja auch mit einem Vertragsbruch und der zugehörigen Strafe kalkulieren, wenn sich seine Geschäfte doch anders entwickeln, als er ursprünglich gehofft und geplant hatte, z.B. weil er selbst insolvent gegangen ist, da er selbst seine Ware (Kleidung, Spielzeug, etc.) nicht erfolgreich absetzen konnte. Dann hat der Maschinenbauer plötzlich das Nachsehen. Den Letzten beißen die Hunde. Es ist jedenfalls keineswegs so, dass auch international extrem erfolgreiche Maschinenbauer nicht Pleite gehen können, weil sie nur auf Auftrag produzieren (z.B. Baumaschinenhersteller IBH Holding).

Von wegen, der Kapitalist geht kein Risiko ein. Ein anderer Forist argumentiert ganz gegenteilig und sieht überall nur Risiken:

Dass sich ein Gründerdasein objektivierbar lohnt, bezweifle ich so lange, bis ich Statistiken sehe, die etwa das Einkommen von tausend Gründern [...] verglichen, denn man darf nicht vergessen, dass man in den Medien immer nur die Gewinner sieht.

Forist "Leser2015"

Ein Gründerdasein "lohnt sich objektivierbar" nur dann - und dann aber ganz sicher -, wenn der Gründer sein Produkt zum vorgesehenen Preis verkauft bekommt.

Anti-Marxisten müssen sich schon entscheiden, wie sie mit dem Begriff des "Risikos" umgehen wollen. Einerseits müssen sie es bestreiten, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass die kapitalistische Produktionsweise lauter gesellschaftlich unnützer Arbeit in Auftrag gibt, die für Verschwendung von Ressourcen und vergebens verausgabte Arbeitskraft sorgt. Andererseits wollen sie dran festhalten, um zu rechtfertigen, dass der Mehrwert allein dem Kapitalisten gehört, weil er ja angeblich das Risiko trägt. Ein Dilemma, was sie mit sich selbst ausmachen müssen.