Der Mutti-Backlash
Die Konjunktur sinkt, die Frau soll zurück zu den Windeln
"Comeback der Mutter Der neue Mutterstolz Kinder statt Karriere" titelte der Spiegel diese Woche. Das hat man sich ja schön ausgedacht. Kaum sinkt die Konjunktur und die Arbeitslosenzahlen stagnieren, schickt man die Mädels zurück an den Herd.
Journalismus ist ja so praktisch. Für jede Landeslage findet sich stets eine passende Lösung. Im Moment geht die New Economy den Bach runter, der traditionellen Wirtschaft geht es auch nicht viel besser, da ist es Zeit, doch mal wieder zuzuschlagen und die Dinge für die Menschen in die Hand zu nehmen: Hört mal Jungs. Wir reden den Frauen einfach ein, dass das hier nichts für sie ist. All der Stress und so. Mit einem Baby, das die ganze Nacht schreit, ist das Leben doch gleich viel schöner. Und die Inder schicken wir auch einfach wieder nach Hause. Dann können wir Jungs all die Arbeitsplätze behalten und mit unseren japanischen Geschäftsfreunden auch guten Gewissens wieder in den Puff gehen, ohne rot zu werden. Und gerade war so ein bisschen Geburtenschwund in der Presse "Die Deutschen sterben aus" und so da passt das ganz gut. Sommerloch ist ja eh.
Der Backlash der Vollzeit-Mutter
Als ich das aktuelle Titelblatt des Spiegels erblickte, konnte ich es kaum fassen. "Comback der Mutter" - klar, blond natürlich - blickte mir vom Titelblatt entgegen. Sie will mit dem Mann nicht mehr um den Arbeitsplatz konkurrieren. Sie gibt sich geschlagen und zieht sich zurück an den Herd, um sich auf ihre Kinder zu konzentrieren. "Kinder statt Karriere." Auch da wird sie noch belehrt. Denn wenn sie sich nicht selber besser aufgibt und auf das Kind einstellt, dann wird ihr Kleines ein geigenspielender, Tennis beherrschender Krüppel. Oh Gott. Also raus mit dem Ehrgeiz, weg mit der Aggression, wieder schön weich werden, nachsichtig, sozial. Die Frau. Sowieso. Ein Problem. Glücklich nur mit Kind. Ohne Kind gleich voll Stress. Da bleibt mir ja die Milch weg, wenn ich so etwas lese. Dass immer weniger Menschen in diesem Land keine Kinder kriegen, ist bei einem Journalismus wie ihn der Spiegel betreibt auch kein Wunder. Welche Frau hat schon Lust, sich immer noch an der angeblichen Lebensidentität "Mutter" abzuarbeiten, obwohl sie schon lange begriffen hat, dass Mama-Sein nur ein Job für ein paar Jahre ist? Und welcher Mann hat schon Lust, sich immer noch die Zuständigkeit für sein Kind zu erarbeiten, nur weil der Vater als liebende Aufsichtsperson immer noch als artifizielle Ausnahme dahingestellt wird? Oder warum reden die Spiegel-Reporterinnen im Gespräch mit dem Psychologen immer noch ausschließlich über die Probleme der Frau? Warum müssen Männer hier immer zu kurz kommen? Wie ist es mit dem Stress des Mannes, seinem Wunsch nach Kindern und seiner Rolle als Vater? Denn es ist bezeichnender Weise im Kinofilm "Tage wie dieser" nicht die Teilzeitmutter Michelle Pfeiffer, die erschöpft einschläft, wie der Spiegel behauptet. Es ist der stolze Teilzeitpapa George Clooney.
Kinderkriege Eine Frage des Geldes
Frauen und Kinder vs. Männer und Karriere, dass diese konservative Zuschreibung nicht so funktioniert, wie es der Spiegel gerne haben würde, zeigt sich auch deutlich in der Bebilderung des Artikels. Denn komisch: Weder Madonna noch Nadja Auermann haben als Mütter aufgehört zu arbeiten. Von wegen Kinder statt Karriere. Auch bei Pressemami Jenny Elvers davon keine Spur. Da hat wohl jemand beim Schreiben nicht ordentlich genug gebogen. Und schließlich, endlich, auf halber Strecke und gut versteckt kommt der Artikel doch noch tatsächlich auf die realen Probleme von Menschen mit Kindern zu sprechen: Unflexible Arbeitgeber, die auf festen Arbeitszeiten bestehen und mangelnde Möglichkeiten der Kinderbeaufsichtigung. "Liebes Land, hallo", möchte man sagen, "wir haben wirklich ein Problem." In anderen Teilen Europas Spanien, Frankreich, Schweden, Polen und übrigens auch in der früheren DDR - erleichtert man den jungen Paaren den kinderbedingten Umbau ihres Lebens, in dem man ihnen ermöglicht, ihre Arbeitszeiten flexibel zu handhaben und sie mit Kinderkrippen und Kindergartenplätzen versorgt. Die Westdeutschen dagegen schreien einfach wieder nach der Vollzeitmutter. Das ist um so schlimmer, denn das Beschwören des Mutti-Mythos verdeckt ein reales Problem: Nur Besserverdienende haben die Wahl, ihr bisheriges Leben aufzugeben oder mit Hilfe einer Tagesmutter es recht bald wiederaufnehmen zu können. Ebenso können sie es sich leisten, dass einer der beiden Partner eine Weile lang finanziell aussetzt. Bei Schlechterverdienenden ist dagegen ein Partner gezwungen, zu Hause zu bleiben. Zusätzlich bedeutet dieser Verdienstausfall finanzielle Einbuße und häufig auch sozialen Abstieg. In Deutschland ist das Kinderkriegen zu einer Frage des Geldes geworden.
Mercedes Bunz ist Mit-Herausgeberin und Redakteurin des Magazins De-Bug