Der Nato-Vertrag ist kein Suizid-Pakt

Deckblatt des Nato-Vertrags, April 1949. Bild: Daniel Bright

Themen des Tages: OECD blickt wenig optimistisch auf Berlin. Psyche und Klimawandel. Und eine vorsätzliches Fehllektüre des Nordatlantikpaktes.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Die Ampel droht zur Totengräberin von Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland zu werden.

2. Warum der Klimawandel mitunter mehr als schlechte Laune machen kann.

3. Wie Artikel 5 des Nato-Vertrags aggressiv umgedeutet wird.

Doch der Reihe nach.

OECD: Wenig Hoffnung für die Wirtschaft

Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind trüb, schreibt Telepolis-Autor Bernd Müller heute. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vermeide in ihrem aktuellen Bericht von Rezession zu sprechen – aber "der massive und historische Energieschock" lasse das Wachstum dem Papier nach geringer ausfallen.

"Wir sagen keine Rezession voraus, aber wir rechnen mit einer Phase ausgeprägter Schwäche", sagte OECD-Chef Mathias Cormann am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Die Weltwirtschaft sei mit ernsthaftem Gegenwind konfrontiert.

Bernd Müller

Die Ursache für die Entwicklung sehe Cormann in dem Krieg in der Ukraine. Ihn zu beenden und ein gerechter Frieden wären der wirksamste Weg, um die Aussichten für die Entwicklung der Weltwirtschaft zu verbessern. Die Nachricht geht vor allem an die Bundesregierung in Berlin.

Wenn der Klimawandel aufs Gemüt drückt

Dass sich der menschengemachte Klimawandel negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist mittlerweile ins Bewusstsein gerückt, auch wenn bisher kaum Strategien existieren, diese Folgen abzumildern, so Telepolis-Autorin Jutta Blume.

Doch der Klimawandel beeinträchtige nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit. Dies gehe aus einer Publikation der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hervor:

In einer "Berliner Erklärung" ruft sie die Politik dazu auf, auf die neuen psychischen Belastungen zu reagieren. Die DGPPN verpflichtet sich selbst zur Klimaneutralität bis 2030, zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Klimawandel und psychischer Belastung und dahingehende Aus- und Weiterbildung sowie darauf, sich auf den veränderten Bedarf einzustellen.

Jutta Blume

Kennedys Feinde

Von Telepolis-Autor und Medienanwalt Markus Kompa lesen Sie heute den dritten und letzten Teil seiner Serie zum Kennedy-Mord: John F. Kennedy habe im Juni 1963 in seiner berühmte Friedensrede vor "secret societys" gewarnt.

"Vielleicht dachte er an die Strippenzieher in Texas, an die Clique der Rockefellers, an die Kreise seiner Feinde im Pentagon, ganz sicher aber auch an die eigenmächtigen Männer in der Geheimdienst-Community, mit der er sich überworfen hatte", so Kompa. Die Motiv- und Tätersuche jedenfalls dauert bis heute an.

Thinktank zügellos: "Werden Sie Russland jetzt bombardieren?"

Wiederholt ist seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar von Artikel 5 des Nordatlantikpaktes die Rede. Ein Angriff auf ein Nato-Mitglied, heißt es dann, oft mit martialischem Unterton, werde eine Antwort aller Bündnisstaaten zur Folge haben. Zuletzt wurde dieses Szenario, darauf ging diese Kolumne gestern schon ein, nach dem Einschlag einer ukrainischen Luftabwehrrakete in Ostpolen angestrengt, die – nach vorliegenden Informationen fälschlicherweise – der russischen Kriegspartei zugeschrieben wurde.

Die ganze Debatte über eine mögliche militärische Nato-Reaktion bleibt seltsam im Vagen. Muss der Nordatlantikpakt bei einem Raketeneinschlag kollektiv zurückschlagen, bei einer Cyberattacke gar? Nichts davon! Denn der Artikel 5 des Nato-Vertrags ist eine Kann-Regelung, keine Muss-Klausel.

Es geht darum, Beistand zu leisten, "indem jede (Partei) unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet". Das scheint wichtig zu erwähnen. Um es klar zu sagen: Der genannte Artikel 5 ist keine kollektive Suizid-Klausel.

Das hat sich nicht überall herumgesprochen. Oder es wird schlichtweg geleugnet. Bestärkt wurde dieser Trend von US-Präsident Joseph Biden selbst, der im März in Polen betont hatte:

Wir haben eine heilige Verpflichtung gemäß Artikel 5, jeden Zentimeter des Nato-Territoriums mit der vollen Kraft unserer kollektiven Macht zu verteidigen.

Derartige Ankündigungen hallten nun nach. So schrieb Anders Åslund vom US-Thinktank Atlantic Council nach dem Raketenzwischenfall in Polen vergangene Woche:

Nun sind also russische Raketen in Polen eingeschlagen und haben zwei polnische Bürger getötet. Erstaunlich, dass dies angesichts des unverantwortlichen russischen Verhaltens nicht schon früher passiert ist. @POTUS: Sie haben versprochen, "jeden Zentimeter des Nato-Gebietes" zu verteidigen. Werden Sie Russland jetzt bombardieren?

Das estnische Außenministerium erklärte sich umgehend bereit, "jeden Zentimeter des Nato-Territoriums zu verteidigen".

Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks erklärte auf dem Kurznachrichtendienst:

Das kriminelle russische Regime feuerte Raketen ab, die nicht nur auf ukrainische Zivilisten abzielten, sondern auch auf Nato-Territorium in Polen landeten. Lettland steht voll und ganz zu den polnischen Freunden und verurteilt dieses Verbrechen.

Während alle Einschätzungen dieser Spitzenpolitiker offenbar falsch waren, sorgte der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark auf CNN für Aufklärung. Der Artikel 5 sei "keine Verpflichtung, mit Gewalt zu reagieren. Es besagt, dass angemessen reagieren wird", so Clark.

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