Der Präsident der USA im Infowar: Wenn eine Medienlandschaft den Knall nicht hört

Seite 3: Schließen des Meinungskorridors

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Da wird mit einem Augenzwinkern von so einem "Journalisten-Ding" geredet und so getan, als ob bei der Besetzung der Runde nicht von Anfang klar gewesen wäre, dass hier nun niemand dabei ist, der eine, nun ja, sagen wir: etwas subversivere Meinung vertreten würde. Anders gesagt: Die Meinungsvielfalt, die so dringend in den wichtigen Formaten zu finden sein müsste, ist selbst in der gegenwärtigen Situation noch immer nicht dort anzutreffen.

Selbst, wenn Mediennutzer scharenweise aufbegehren, wenn alternative Medien wie Pilze aus dem Boden schießen, um endlich der Meinungsvielfalt, wie sie in den Gesellschaften vorhanden ist, abzubilden, weigern sich weite Teile der Leitmedien, einen vernünftigen Meinungsquerschnitt abzubilden und in die heiligen Hallen der legitimen Diskursproduktion auch jenen Zutritt zu gewähren, die einen anderen Stallgeruch aufweisen.

Wer wollte ernsthaft bestreiten, dass in den großen Medien, in den großen politischen Talkshows immer und immer wieder dieselben Gäste sitzen? Ob FDP-Lindner oder FDP-Kubicki, ob SPD-Oppermann, CDU-Bosbach oder CDU-von der Leyen oder ob dieser oder jener Experte aus den immer selben Denkfabriken und Stiftungen: Weil das Mediensystem mit aller Macht dazu beigetragen hat, den Meinungskorridor bei den großen gesellschaftlichen und politischen Themen auf den Durchmesser eines Bambusrohrs zu reduzieren, ist "der Feind", den es jetzt zu bekämpfen versucht, erst entstanden.

Die folgenden Worte stammen von dem ehemaligen SPD-Politiker und Kommunikationswissenschaftler Peter Glotz, und sind bereits viele Jahrzehnte alt: "Viele Journalisten stellen nicht das zur Debatte, was die Gesellschaft bewegt, sondern das, was die Gesellschaft ihrer Meinung nach bewegen sollte. Ausdruck der Publizistenideologie ist die als Ethos kostümierte Auffassung, man dürfe doch X oder Y kein Podium bieten. Wem ich ein Podium biete, sagen viele Journalisten, entscheide ich selbst. Die Folge ist eine immer größer werdende Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung."

Niemand sollte sagen, man habe den Eisberg nicht kommen sehen. Vor langer Zeit ist er bereits aufgetaucht. Noch weit vom Bug entfernt. Doch mittlerweile ist der Zusammenstoß längst erfolgt. Die Außenwand wurde aufgerissen. Das Wasser dringt ein.

Doch die Kapitäne auf den Brücken der großen Medien reagieren, als wäre das Schiff unsinkbar. Wer den Eliten aus dem journalistischen Feld zuhört, könnte man meinen, die SPD steht vor einem.

Obwohl die Sozialdemokraten von 40,9 Prozent (Bundestagswahl 2002) auf 22,23 Prozent abgestürzt sind (derzeitige Umfragewerte), das heißt, Millionen von Wählern verloren haben, würden diese lieber mit einem Schild in der Hand untergehen, auf dem steht: "Im Prinzip war die Agenda 2010 richtig", als dass Sie endlich ihre schweren Fehler erkennen und sich zu einer kompletten Kurskorrektur entscheiden.

Ähnlich "schwierig" ist es, wenn der Chefredakteur eines großen Mediums gegenüber dem Medienmagazin Zapp Folgendes sagt:

Natürlich müssen wir uns fragen, wie gehen wir Medien damit um? Was beschreiben wir jetzt? Haben wir die Gesellschaft so beschrieben, wie sie ist? Oder haben auch wir vom Spiegel hin und wieder einen elitären Blick auf deutsche Wirklichkeit gehabt? Weil wir in Hamburg sitzen, in Berlin sitzen. In deutschen Großstädten ist uns hin und wieder der Blick auf - das ist jetzt ein gemeines Wort - Provinz, Kleinstädte, Sorgen die es in Deutschland gibt, verloren gegangen. Das glaube ich schon.

Spiegel-Chefredakteur

Man merkt diesen Worten an, wie schwer sich mit einer grundlegenden Kurskorrektur getan wird. Zu diesem Hin und Wieder sollte man vielleicht einfach nur anmerken: Hin und wieder wurde der Eisberg gestreift. Das kommt vor.

Um nur ein Beispiel anzuführen, was "Hin und Wieder" so heißen mag: Als der paritätische Wohlfahrtsverband seinen Armutsbericht in diesem Jahr veröffentlichte, sprach der Spiegel etwas vom "gefährlichen Blues" eines "bitterarmen Deutschland". Eine der Kernaussagen: Wer ein Armutsproblem herbeirede, unterstütze die AfD.

Beiträge wie diese sind es, die in ihrer Gesamtheit dokumentieren: Über einen sehr langen Zeitraum haben Journalisten schwerwiegende politische und gesellschaftliche Probleme schön geredet - in diesem konkreten Fall eben das Problem Armut.

Wer so journalistisch auf die Verwerfungen im eigenen Land blickt, müsste eigentlich deutlich das Trommeln der politischen Verführer hören. Aber nein: Es besteht keine Verpflichtung das Trommeln wahrzunehmen. Man darf sich auch weigern zur Kenntnis zu nehmen, dass Trump bei Alex Jones war.

Die gegenwärtige Lage, bei der Medien einer Kritik ausgesetzt sind, wie es wohl noch nie der Fall war, zeigt auch: Teile der journalistischen Elite haben es sich bequem eingerichtet. Nach außen hin wird man nicht müde zu betonen, wie weltoffen, kosmopolitisch und tolerant man ist, doch in Wirklichkeit hört die Toleranz bereits dann auf, wenn ihre Angehörigen auf die Sprache der unteren Klassen und Schichten treffen.

Hinter vorgehaltener Hand, in mehr oder weniger diskreter Runde, ist man brüskiert darüber, wie "die" da unten reden, schüttelt den Kopf über "deren" Ansichten und Meinungen. Hin und wieder, ja, da lässt man sich auf die Welt der Abgehängten und Gestrauchelten ein. Ein Reporter bzw. ein Fernsehteam klopft dann an die Haustür von Familie Meier. Man setzt sich 3-4 Stunden zu Siggi aufs Sofa oder hört sich an, was Kevin und Chantal so über Politik denken. Und dann geht es wieder raus, auf die Straße, man fährt nach Hause und muss erstmal durchatmen, schließlich: Das Reporterleben kann ganz schön anstrengend sein. Am Abend genießt man dann zur Selbstbelohnung einen 2009er Spätburgunder oder einen Malbec aus Argentinien und tauscht sich mit dem Partner oder der Partnerin (.....) über das, uff, aus, was man sich heute so antun musste.

Ja, was wäre das doch eine schöne Welt, wenn alle Bürger nur so wären wie "wir", hier im Juste Milieu.

Doch dem ist nicht so. Die "anderen", es gibt sie auch. Sie sind "da draußen". Sie sind so aktiv wie nie. Sie gehen zur Wahl und entscheiden sich tatsächlich für Kandidaten und Parteien, die den Wirklichkeitsmonopolisten in den großen Redaktionen quer liegen. Die einen stellen sich auf die Straße und rufen laut Lügenpresse, die anderen tauschen sich auf dem Markt oder in der Mittagspause in ruhigem Ton darüber aus, dass die Medien sie im Stich gelassen haben.

Und wieder andere, die politisch im Prinzip unbelastet sind, weder etwas mit rechts noch links zu tun haben, machen sich am Wahltag auf in die Wahlkabine und machen ihr Kreuzchen an einer Stelle, an der sie es noch nie gemacht haben. Um denen "da oben" eins auszuwischen und sich darüber zu erfreuen, dass die Kandidaten und Parteien, die die verhassten Medien favorisieren, nicht gewinnen. Und ja: Dann gibt es auch noch jene aus dem rechts-konservativen Lager, die sich aus voller Überzeugung einen kräftigen Rechtsruck in Deutschland wünschen und gerade dabei sind, Morgenluft zu wittern.

In solchen Situationen ist politisch vieles denkbar. Sie sind brandgefährlich. Eigendynamiken können entstehen, die in der Lage sind, die Stellwerke eines gesamten gesellschaftlichen Gefüges zu zerstören.

Was in diesen Zeiten des Umbruchs leider oft gerade von denen, die die bestehenden Verhältnisse kritisieren, nicht beachtet wird, ist: Die Hoffnung und der Glaube daran, dass auf der politischen Ebene grundlegende Veränderungen mit Verbesserungen gleichzusetzen sind, wurde oft genug in der Geschichte enttäuscht.

Die, die als Außenseiter nachrücken, mögen augenscheinlich anders sein, aber bei genauerer Betrachtung sind sie gar nicht so verschieden von denjenigen, gegen die Bürger rebellieren. Bedauerlicherweise gilt das auch für die alternativen Medienformate. Gut ist: Sie bilden ein Meinungsgegengewicht zu den Leitmedien. Sie greifen Themen auf, die von den großen Medien mit Nachdruck ignoriert werden. Sie haben den Meinungskorridor quasi aufgerissen. Phantastisch. Schlecht ist: Oft genug entwickeln sie sich, ähnlich den großen Medien, auch zu Mikrokosmen, in denen im Wesentlichen die eigene Sicht auf die Welt zum Widerhall kommt.

Allenfalls Berufsoptimisten dürften bei der gegenwärtigen Entwicklung auf einen insgesamt guten Ausgang hoffen.

Um eine Prognose zu wagen: Da das Versagen der gesellschaftlichen Eliten, immer deutlicher wird, versuchen diese immer angestrengter, ihre fatalen Weichenstellungen zu verschleiern oder zu beschönigen. Dadurch kommen die "Fehler" nur noch deutlicher zum Tage, weil viele Menschen ganz gut unterscheiden können, ob sie nun "ein Hund in die Hand gebissen" hat oder nicht - auch wenn ihnen insbesondere die Eliten aus den Medien dieses Urteilsvermögen gerne mal absprechen.

Die Bürger reagieren auf die Beschwichtigungsversuche zunehmend ungehaltener, machen immer deutlicher auf die Fehler der Eliten aufmerksam. Doch diese - weil man sich aus Eitelkeiten oder welchen Gründen auch immer nicht eingestehen will, wie schwer die Verwerfungen bereits sind, die durch katastrophale Entscheidungen in der Politik erfolgt sind - setzen sie noch eins drauf. Sie beschönigen noch heftiger und nehmen nicht wahr, dass ihre Situation der ähnelt, in der sich "Comical Ali", der Propagandaminister des Irak 2003 beim Einmarsch der USA präsentiert hat ("Ich garantiere Ihnen dreifach: Es gibt keine amerikanischen Soldaten in Bagdad."

Die Nerven liegen blank

Es ist der bereits angesprochene schizophrene Moment, der zunehmend die Wahrnehmung, das Denken und Handeln von der politischen und journalistischen Elite bestimmt.

Erinnert sei an den längst legendären Auftritt des ehemaligen "Landesvater" von Rheinland Pfalz, Kurt Beck, der ein Stück Realsatire ablieferte, die kaum besser hätte sein können. Beck war auf dem Weg zu einer Veranstaltung, bei der er mit Schülern über Bürgerbeteiligung reden wollte. Draußen bei einem Interview unterbrach ihn ein Bürger mit dem für Beck als Reizwort empfundenen "Nürburgring". Becks Reaktion: "Können Sie einfach mal das Maul halten ... Sie sind dumm." An Ausfällen wie diesen, lässt sich ablesen: Die Nerven liegen blank.

In den USA hat Hillary Clinton es sich nicht nehmen lassen, die Hälfte der Trump-Wähler als "erbärmlich" (deplorables) zu bezeichnen, hierzulande schmettert man dem unangenehmen Teil der Bürger ein "Pack" entgegen oder redet von "Armleuchtern". Kein Tag vergeht, an dem die legitimen Bestimmer der Wirklichkeit nicht das Wörtchen "gefühlt" verwenden.

Da ist davon die Rede, dass die Bürger das Gefühl hätten, sie seien abgehängt - das stimmt aber nicht. Niemand wird bei uns abgehängt. Da wird von einer "gefühlten Armut" geredet - aber in Deutschland ist niemand arm. Schließlich sind "wir" ein reiches Land. Da ist davon die Rede, dass die Bürger fühlten, "die Eliten" reagierten über ihre Köpfe hinweg - was gar nicht sein kann, schließlich leben wir in einer Demokratie. Da wird gesagt, Bürger hätten das Gefühl, dass Alphajournalisten zu eng mit den Herrschenden verbunden sind, dass Medien nicht objektiv berichten und politisch voreingenommen seien - aber auch all das: Es kann nicht sein. Warum? Darum.

Während diese Zeilen hier entstehen, ist auf der Seite eines großen Online-Mediums zu lesen: "Menschen, die das Gefühl haben, dass die politische Klasse sie nicht mehr versteht, nutzen intensiv Social Media." Was soll man zu dieser Aussage noch sagen? Für den Gedanken, dass "die politische Klasse" die "Menschen" möglicherweise tatsächlich "nicht mehr versteht", ist in so einer Überschrift kein Raum mehr.

Hier haben wir ihn. Das ist der Grund dafür, dass Donald Trump bei Infowars auf Sendung war: Hüben wie drüben sind es nicht die Bürger, die sich weigern, der politischen Wirklichkeit ins Auge zu blicken, sondern schier ein ganzes Mediensystem, das sich im Kollektiv weigert zu erkennen.

Wollte man die Logik der großen Medien visualisieren, böte sich folgendes Bild. Ein Schiff hat einen Eisberg gerammt hat und Feuer ist ausgebrochen. Die Berichterstattung erklärt nun, dass das Feuer (das geleugnet wird) stark genug ist, um den Eisberg (der auch geleugnet wird) zu schmelzen.

Aber was ist dann mit dem Feuer auf dem Schiff? Nun, davor braucht man keine Angst zu haben. Schließlich verhält es sich wie alle Feuer: Irgendwann gehen sie, nachdem nichts mehr da ist, was sie verbrennen könnten, von alleine aus. Aber: Was ist denn mit den Menschen an Bord?

Nun, die müssen sich auch keine Sorgen machen.

Warum?

Na, weil es doch gar kein Feuer gibt!

Sie verstehen das nicht? Sie sehen Brüche in der Logik?

Macht nichts. Sie müssen auch nicht alles verstehen.

Schließlich ist die Welt komplex, nicht eindimensional.

Donald Trump im Infowar? C'est la vie.

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