Der Schäuble, der dreimal Wolf rief
Weil der Bundesinnenminister das Instrument der Terrorwarnung durch exzessiven Einsatz entwertet hat, wird es nun auch in den Fällen kaum mehr ernst genommen, in denen es möglicherweise berechtigt wäre
Eines der größten Sicherheitsrisiken für die Bundesrepublik heißt Wolfgang Schäuble. Nicht nur, weil der Bundesinnenminister durch mögliche gesundheitliche Einschränkungen, über die er und seine Behörde sich ausschweigen, in seiner Fähigkeit getrübt ist, Gefahren realistisch einzuschätzen und die Verhältnismäßigkeit der dagegen eingesetzten Mittel abzuwägen, sondern auch deshalb, weil er den Begriff der Terrorwarnung im Vorfeld des G-8-Gipfels von Heiligendamm derart entwertete, dass ihn kaum jemand mehr ernst nimmt.
Nachdem in Pakistan zwei Islamisten mit deutschen Pässen festgenommen wurden, verwendete Innenstaatssekretär August Hanning, der ehemals beim BND beschäftigt war, am Donnerstagabend gegenüber Journalisten die Formulierung, die deutschen Sicherheitsbehörden seien "alarmiert". Was das genau bedeutet, kann niemand sagen. Vor allem seit sein Vorgesetzter Schäuble den Terrorismusbegriff auch auf Globalisierungsclowns anwendete. Allerdings besteht zwischen den Politprotestanten und gewaltbereiten Islamisten ein gewaltiger Unterschied: Die einen sind Veganer, weil allein der Gedanke an geschlachtete Tiere ihre zarten Seelchen über Gebühr belastet, die anderen schneiden nicht nur Schafen, sondern auch Menschen bedenkenlos die Kehle durch.
"Wir sind voll ins Zielspektrum des islamistischen Terrors gerückt" sagte Hanning den Journalisten. Das leitet er unter anderem daraus her, dass in- und ausländische Sicherheitsdienste wie im Jahr 2001 massenhaft Raunen über mögliche Vorbereitungen terroristischer Akte ansammelten. Bemerkenswert ist auch die Einschätzung Hannings, dass Deutschland derzeit so gefährdet sei, wie seit dem Jahr 2001 nicht mehr. Im Klartext heißt das, dass Joseph Fischers Konzept einer Verteidigung Deutschlands am Hindukusch auf der ganzen Linie gescheitert ist. Stattdessen haben die Taliban nun offenbar das Konzept des ehemaligen Außenministers, der derzeit an einer amerikanischen Eliteuniversität internationale Politik lehrt, übernommen und wollen ihren Staat jetzt in den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland verteidigen.
Darauf deutet das ebenfalls zur Begründung der Terrorgefahr herangezogene Video hin, dass am 9. Juni entstanden sein soll. Allerdings ist unklar, inwieweit es eine bloße Propagandaaktion ist. Gegen eine echte Terrorgefahr spricht, dass das Ereignis nicht heimlich gefilmt wurde, sondern dass die Taliban einen pakistanischen Journalisten zu der Zeremonie einbestellt hatten und dass der Taliban-Führer Mansur Dadullah, der vor einer Art Terroristen-Abschlussklasse spricht, deren Absolventen den Afghanistan-Krieg nun nach Deutschland, Kanada, Großbritannien und in die USA tragen sollen, erst vor kurzen von den Amerikanern freigelassen wurde.
US-Geheimdiensten zufolge befinden sich in den Terror-Trainingscamps des engen US-Verbündeten Pakistan mindestens 10 Islamisten mit deutschen Pässen. Kurz nach der Zeremonie wurden an der pakistanisch-afghanischen Grenze ein Kirgise und zwei Personen mit deutschen Pässen unter Terrorverdacht festgenommen. Derzeit werden die drei vom pakiststanischen Geheimdienst ISI verhört, der die Taliban als militärisch relevante Truppe erfand, und immer noch so enge Verbindungen zu ihr hat, dass vielen Beobachtern nicht klar ist, für welche Seite er wirklich arbeitet.