Interview mit dem vormaligen CIA-Analysten und Friedensaktivisten Ray McGovern
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Raymond McGovern, Jahrgang 1939, verbrachte 27 Jahre in der CIA. Er war für die Beobachtung der Sowjetunion zuständig und berichtete in den 1980er Jahren persönlich dem Präsidenten im Weißen Haus. Heute ist der Ex-Geheimdienstler ein erbitterter Gegner verlogener Kriegstreiberei und legte sich mit Bush junior, Donald Rumsfeld und Hillary Clinton an. Sein Komitee "Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)" liefert regelmäßig ungebetene Kommentare zur Sicherheitspolitik und organisiert die jährliche Verleihung des Sam Adams Awards. Heute spricht er auf der Veranstaltung Kein Drohnenkrieg in der Pfalz. Im Telepolis-Interview bedauert McGovern sein Schweigen während des Vietnamkriegs.
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Sie sind 1963 in die CIA in einer Zeit eingetreten, als die CIA einen schweren Stand hatte. Warum haben Sie sich für die CIA entschieden?
Ray McGovern: Die Fordham University, an der ich 1961 einen B.A. und 1962 einen M.A.-Degree in Russlandstudien gemacht hatte, bot ein exzellentes Programm in Russlandstudien an. Während meines Grundstudiums habe ich auch beim Reserve Officers Training Corps (R.O.T.C.) studiert, war im Juni 1961 als 2nd Lt. anerkannt und diente für zwei Jahre als Army Infantry/Intelligence Officer. Es war eine sehr angespannte Zeit in den Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR. Als John F. Kennedy 1961 Präsident wurde, hatte er berühmtermaßen aufgefordert: "Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, frag, was du für dein Land tun kannst."
Mit der Expertise, die ich in russischer Sprache, Literatur, Geschichte und Politik hatte, schien es mir, dass ich meinem Land etwas Ungewöhnliches anbieten konnte, nachdem ich meinen Militärdienst abgeleistet hatte. Die substantiierte Gelegenheit zur Analyse, die mir das Central Intelligence Agency’s Intelligence Directorate anbot, war eine aussichtsreiche Gelegenheit, um mit meinen Kenntnissen über Russland und russische Angelegenheiten mitzuwirken.
Man sagte mir, diese Arbeit sei einzigartig in zweierlei Hinsicht. Erstens hätte ich Zugriff auf alle Informationen, die die US-Regierung über sowjetische Auslandspolitik gesammelt hatte, inklusive Geheimdienstwissen von unseren eigenen Agenten und der technischen Aufklärung; und zweitens wäre ich verantwortlich für die Analyse des gesamten Materials und den Analyse-Bericht ohne Furcht oder Bevorzugung an den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Mit anderen Worten: Wir Analysten hatten keine keine andere Agenda, als die Wahrheit direkt dem Präsidenten zu berichten. Wir mussten nicht dem Militär zustimmen, dass die Russen zehn Fuß hoch seien. Und wir mussten nicht unsere Ergebnisse maßschneidern, dass die Politik des Außenministeriums gut aussah.
An meinem ersten Tag im neuen CIA Hauptquartier sah ich das in die Wand der Eingangshalle eingravierte Bibel-Zitat: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." Ich sagte zu mir selber: "Wenn dies wahr ist (soll kein Wortspiel sein), dann wird dies ein guter Arbeitsplatz sein." Und das war er. So war es, bis William Casey und sein Lehrling Robert Gates begannen, die stichhaltigen Geheimdienstinformationen Caseys Sicht anzupassen, dass Russen unter jedem Stein wären, etwa an Orten wie Nicaragua, Angola, Granada, Cuba, Mexico - überall. So war es, bis das Directorate of Intelligence (die Analyse-Abteilung) sich korrumpieren ließ - nahezu irreparabel.
Analysten wurden danach befördert, wie sehr sie ihre Segel nach dem vorherrschenden Wind von Casey und Reagan richten konnten, nicht nach ihren Kenntnissen beispielsweise über die Russen. Seriöse, substantiierte Analyse über Russland wusste beispielsweise, dass die Russen (bildlich gesprochen) nur 5 Fuß und 9 Inches groß waren - und schrumpften. Doch Casey und Gates (der früher für mich arbeitete, als ich in den 1970er Leiter der Abteilung für sowjetischen Auslandspolitik war) bestanden darauf, dass diese 10 Fuß hoch seien, und beförderten solche, die ihm bestätigten, sie seien tatsächlich so groß!
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Es bedarf einer Generation, um eine Institution zu korrumpieren und das Einstellen von formbaren Managern ist ein klassischer Weg, um dies zu erreichen. Das Ergebnis: 21 Jahre später waren diese von Casey und geschaffenen biegsamen Manager in der Lage, "weapons of mass destruction" und operative Verbindungen zwischen Saddam Husseins Irak und al-Qaida zu finden, mit dem Ziel, einen Angriffskrieg gegen den Irak zu "rechtfertigen"- den unehrenhaftesten und desaströsesten außenpolitischen Schritt in der Geschichte unseres Landes. Niemand wurde dafür verantwortlich gemacht. So wird es dann wieder geschehen.
Whistleblowing
Ihre Arbeit bestand in der Analyse des sowjetischen Einflusses in Vietnam. Wie wichtig waren die Russen in diesem Konflikt wirklich?
Ray McGovern: Als die Russen sicher waren, dass Ho Chi Minh der Sieger in Südvietnam wird (und nicht damit rechneten, dass die USA dieselben Fehler wie die Franzosen machen würden), entschied Moskau, dass es sicher sei, in den Vietnamkrieg in sehr begrenzter Weise einzutreten (meist mit SAM-Raketen), so dass man Ruhm für den unausweichlichen kommunistischen Sieg im Süden erwerben könne. Moskaus damalige primäre Beschäftigung war der Kampf mit China um die Führung der internationalen kommunistischen Bewegung. Die Chinesen stellten die Russen als revisionistische kommunistische Feiglinge dar.
Mit einer übermäßigen Furcht vor einem existierenden kommunistischen Monolith (tatsächlich gingen die Russen und Chinesen einander an die Kehle) versanken sich die Vereinigten Staaten im Sumpf. Dummerweise überzeugte der frühere Botschafter Averill Harriman Präsident Johnson, dass die Russen dazu überredet werden könnten, "ihren Einfluss in Hanoi" zu nutzen, um Ho Chi Minh zum Nachlassen und Aufhören zu bewegen, oder wenigstens zu etwas geringerem als dem totalen Sieg. Doch die Russen hatten buchstäblich keinen Einfluss in Hanoi, nachdem sie Ho Chi Minh auf der Genfer Konferenz von 1954 verkauft hatten.
Es war meine Aufgabe, diese unwillkommene Nachricht Harriman und Lyndon B. Johnson zu vermitteln. Ich versuchte es, doch sie hörten nicht. Also entschied ich mich für einen kritischen Artikel in einer öffentlichen Publikation. Diese erschien in der Mai/Juni-Ausgabe 1967 von "Problems of Communism" mit dem Titel "Hanoi and Moscow".
Etwas später erfuhr ich von einer "smoking gun", einem offiziell geschriebenen Beweis einer schockierenden Verlogenheit der US-Militärführung in Saigon in einer Schlüsselangelegenheit, aber ich hatte nicht die Courage, ein Whistleblower zu werden. Daher muss ich mit dem Gedanken leben, hätte ich die Courage einer Chelsea [Bradley] Manning oder eines Edward Snowden in dieser Zeit gehabt [August 1967], dann hätte die Zahl der getöteten Vietnamesen "nur" 1,5 Millionen und die der getöteten US-Soldaten nicht mehr als 25.000 betragen können - anstatt drei Millionen und 58.000. Ich habe darüber an einigen Stellen geschrieben, die ich gerade nicht zur Hand habe. Wenn Sie Interesse daran haben, lassen Sie es mich wissen. Dazu gehört beispielsweise der Artikel How the Truth Can Save Lives.
Bevor ich es vergesse, die Sam Adams Associates for Integrity in Intelligence (SAAII) vergeben jährlich einen Preis im Andenken an Sam. Sie finden hierzu Informationen unter samadamsaward.ch.
Wenn unabhängige Websites wie WikiLeaks oder etwa Consortiumnews.com 43 Jahre früher existiert hätten, wäre ich der Gelegenheit vielleicht gewachsen gewesen und hätte dabei geholfen, 25.000 US-Soldaten und einer Million Vietnamesen das Leben zu retten, indem ich die Lügen aufgedeckt hätte, die in nur einem SECRET/EYES ONLY-Cable aus Saigon enthalten waren.
Ich muss das sagen, weil es mich krank machte, das offizielle Washington und die schwanzwedelnden Corporate Media bei der Herkulesaufgabe zu sehen, die Aufmerksamkeit von der Gewalt abzulenken und in Afghanistan zu täuschen, wie es in Tausenden von U.S.-Army-Dokumenten reflektiert wird, in dem sie auf die Botschafter schießen — auf WikiLeaks und Pvt. Bradley Manning. Nach all dem unterschiedslosen Tod und der Zerstörung nach nahezu neun Jahren des Kriegs, ist die Heuchelei allzu durchsichtig, wenn WikiLeaks und der angebliche Leaker Manning ihr Leben riskieren müssen, um die Wahrheit zu enthüllen.
Überdies plagt mich noch immer ein schlechtes Gewissen dafür, was ich nicht tat, um Fakten zum Vietnamkrieg aufzudecken, die Menschenleben hätten retten können.
Diese bedauerliche, aber wahre Geschichte erzähle ich in der Hoffnung, dass andere unter ähnlichen Umständen heute mehr Mut beweisen, als ich 1967 aufbrachte, und dafür alle Vorteile der inzwischen unglaublichen Fortschritte in der Technologie nutzen.
Viele meiner Kollegen des Junior Officer Trainee Program der CIA kamen in den frühen 1960ern nach Washington, inspiriert von Präsident John Kennedys Rede zur Amtseinführung, in welcher er uns dazu aufforderte, uns selbst zu fragen, was wir für das Land tun könnten. Das klingt heutzutage kitschig, nehme ich an; ich denke, dass Sie mir das einfach glauben müssen. Es wird nicht exakt Camelot gewesen sein, aber der Geist und das Ambiente waren frisch - und gut.
Unter denen, die Kennedys Aufruf zwingend fanden, war Sam Adams, ein junger früherer Marineoffizier, der das Harvard College besucht hatte. Nach der Navy versuchte es Sam mit der Harvard Law School, fand dies jedoch langweilig. Stattdessen entschied er nach sich nach Washington zu gehen, um in die CIA als Officer Trainee einzutreten und Abenteuer zu erleben. Er bekam mehr als seinen Anteil an Abenteuer.
Sam war einer der hellsten und engagiertesten unter uns. Sehr früh in seiner Karriere fand er einen spannenden wie wichtigen Bericht - den über die Liquidierung vietnamesischer kommunistischer Kräfte, die früh in diesem Krieg erfolgte. Er übernahm die Aufgabe mit ungewöhnlichem Einfallsreichtum und erwies sich schnell als perfekter Analyst. Reichlich gestützt auf erbeutete Dokumente, bestätigt von allen möglichen Quellen, schloss Adams 1967, dass doppelt so viele Kommunisten (etwa 600.000) in Südvietnam unter Waffen standen, als das US-Militär zugeben wollte.
Heuchelei in Saigon
Beim Besuch in Saigon erfuhr Adams 1967 von Army-Analysten, dass ihr kommandierender General William Westmoreland einen künstlichen Deckel auf die offizielle Army-Zahl legte, statt Fragen zum "Fortschritt" des Kriegs zu riskieren. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Es war ein Zusammenprall der Kulturen, mit Army-Geheimdienstanalysten, die Generälen salutierten, die politisch diktierten Befehlen folgten, und Sam entsetzte diese konsequente Verlogenheit. Von Zeit zu Zeit hatte ich Lunch mit Sam und erfuhr von dem gewaltigen Widerstand, auf den er beim Versuch stieß, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Eines Tages hatte ich beim Essen Ende August 1967 Mitleid mit Sam und fragte ihn, was möglicherweise General Westmorelands Motiv sein könne, den Feind nur halb so stark erscheinen zu lassen, als er es aktuell war. Sam gab mir die Antwort, die er von den Pferdemäulern in Saigon hatte.
Adams erzählte mir, dass in einem Cable vom 20.08.1967 Westmorelands Deputy, General Creighton Abrams, die Gründe für die Täuschung darlegte. Abrams schrieb, dass die neuen, höheren Zahlen (entsprechend Sams Zahl, die von allen Geheimdiensten gestützt wurde außer vom Army-Geheimdienst, der die befohlene Position vertrat) "in einem scharfen Kontrast zur aktuellen Gesamtstärke von 299.000" stehe, die der Presse genannt wurde.
Abrams betonte: "Wir haben über die letzten Monate ein Bild des Erfolgs projiziert." Und er gab zu bedenken, dass dann, wenn die höheren Zahlen öffentlich würden, "alle verfügbaren Vorbehalte und Erklärungen die Presse nicht von fehlerhaften oder düsteren Schlüssen abhalten würden".
Kein weiterer Beweis war mehr erforderlich für die Tatsache, dass die höchsten Kommandeure der U.S.-Army logen, um einen "Fortschritt" im Krieg zu simulieren.
Ebenso bedauerlich wie die Grobheit und Gefühllosigkeit von Abrams Cable wurde zunehmend klar, dass die Vorgesetzten sich nicht für Sam einsetzen, sondern stattdessen auf die frisierten Zahlen der Army zurückgreifen würden. Leider war es das auch, was sie taten.
CIA-Direktor Richard Helms, der es als seine primäre Pflicht ansah, nahezu engstirnig die Agency zu "schützen", gab den Ton an. Er erzählte seinen Untergebenen, dass er seine Pflicht nicht ausfüllen könnte, wenn er es zulasse, dass sich die Agency in einen hitzigen Streit mit der U.S.-Army über ein Schlüsselthema in Kriegszeiten hineinziehen lasse.
Meine Hoffnung ist, dass mit dem guten Beispiel von Manning, Snowden und den Drohnen-Piloten, die ihren Dienst quittierten und gegenüber Präsident Obama protestierten, weil die Drohnentötungen mehr und mehr Terroristen verursachen, einer oder mehrere Patrioten, welche die inneren Abläufe der Satelliten-Relaisstation in Ramstein kennen, hervorkommen und zu Whistleblower werden.
Dann würde die deutschen Bundesregierung nicht mehr vorgeben können, dass sie nicht wüsste, welch essentielle Rolle die Satelliten-Relaisstation spielt, ohne die es in dieser Sorte Krieg nicht geht, der einen endlosen Strom an echten Terroristen erzeugt.
So - zurück in Vietnam - die kurze Antwort zu ihrer substantiellen Frage: Ich habe den sowjetischen Einfluss in Vietnam studiert; ich erkannte, dassdie Sowjets buchstäblich nichts mit Ho Chi Minh zu tun hatten.
Und schlimmer noch, die irreführende Wahrnehmung, dass die Sowjets unsere Kastanien aus dem Feuer holen würden (oder dies täten, wenn sie könnten), diente dazu, "smarte Leute" um Lyndon B. Johnson davon abzuhalten, die Wahrheit zu erkennen und diesen fehlgeleiteten Krieg Jahre vorher zu beenden.
KAL 007
Während des Kalten Kriegs haben Sie in Deutschland als Kontaktperson zwischen CIA und BND gedient. Was hinterließ in dieser Zeit den größten Eindruck?
Ray McGovern: Der Geist der Zusammenarbeit war insgesamt sehr hoch. Die Experten der "Auswertung" waren sehr ähnlich wie Analysten, die im CIA’s Directorate of Intelligence mit Analysen arbeiteten.
In den 1980ern waren Sie verantwortlich für das tägliche Briefing der Präsidenten Ronald Reagan und George H.W. Bush im Weißen Haus. In einem Interview haben Sie Andeutungen dazu gemacht, dass Reagan zum KAL007-Zwischenfall ein manipuliertes Memo untergejubelt wurde. Können Sie ins Detail gehen?
Ray McGovern: Ich habe darüber detailliert geschrieben … zum Beispiel habe ich einen Artikel entworfen am Tag, als MH 17 abgeschossen wurde, in dem ich die Art, wie der Abschuss [von KAL 007] auf unehrliche Weise zum Nachteil von Russland dargestellt wurde, mit der Weise verglich, wie es wohl mit MH 17 der Fall sein könnte - unter Berücksichtigung von John Kerrys Vorliebe, die Russen für alles Mögliche verantwortlich zu machen (und die besten Analyseergebnisse zu Schlüsselfragen wie MH 17 und den Sarin-Attacken außerhalb von Damaskus am 21.08.2013). Mein erster Artikel erschien am Morgen des 18. Juli 2014.
Leider wurden meine schlimmsten Befürchtungen später bestätigt. Um die Ehre meiner ehemaligen Geheimdienstkollegen zu wahren, diese hatten sich alle geweigert, Kerrys Behauptung, die er 35 Mal am 20. August 2013 wiederholte, zu bestätigen, dass Baschar al-Assad verantwortlich für die Sarin-Angriffe neun Tage zuvor außerhalb von Damaskus sei. In beiden Fällen hatte Kerry ein neues Genre des Bewertungsreports vorbereitet … einen "Regierungsbericht" anstelle eines "Geheimdienstberichts", der traditionell dazu vorbereitet wird (Nnicht im Weißen Haus, sondern in der Geheimdienst-Community), um analytische Einschätzungen von Schlüsselthemen oder ähnlichem zu unterstützen.
Um den Fall gegen Moskau möglichst schwarz erscheinen zu lassen, unterschlug die Reagan-Administration einen Entlastungsbeweis, den die US-Abhörer aufgefangen hatten. Das US-Mantra wurde "der zielgerichtete Abschuss einer zivilen Passagiermaschine".
Newsweek schmückte das Cover mit der Headline "Murder in the Sky."
"Die Spin-Maschine der Reagan Administration fängt an, durchzudrehen" schrieb Alvin A. Snyder, damals Direktor der Information Agency’s Television and Film Division, in seinem 1995 erschienenen Buch Warriors of Disinformation.
US-Information Agency Direktor Charles Z. Wick "begann mit seinen Top-Kräften den Aufbau einer speziellen Task Force, um Wege zu ersinnen, die Story ins Ausland zu spielen. Das Ziel war schlicht und ergreifend, so viel Schlechtes über die Sowjetunion wie möglich anzuhäufen", erinnert sich Snyder.
Snyder berichtet, dass "die amerikanischen Medien die Linie der US-Regierung ohne Zögern übernahmen. So sagte der ehrwürdige Ted Koppel auf ABC News ‘Nightline’: ‘Dies war eine dieser Gelegenheiten, bei denen ein sehr kleiner Unterschied zwischen dem besteht, was aufgewirbelt wird von US-Regierungs-Propagandaorganen, und den kommerziellen Nachrichtensendungen.'"
Am 6. September 1983 ging die Reagan-Administration soweit, ein manipuliertes Transkript der abgehörten Nachrichten dem UN-Sicherheitsrat vorzulegen (ein Vorspiel ähnlich der falschen Präsentation zwei Jahrzehnte später durch Außenminister Colin Powell über die dem Irak vorgeworfenen Massenvernichtungswaffen).
"Das Band war vermutlich 50 Minuten lang", sagte Snyder über die aufgezeichneten sowjetischen Nachrichten. "Doch das Segment, das wir [bei der US Information Agency] laufen ließen, dauerte acht Minuten und 32 Sekunden. [...] ‘Erkenne ich hier die feine Hand von Rosemary Woods [der Sekretärin Nixons, die Bänder löschte]?‘ fragte ich sarkastisch.‘"
Doch Snyder hatte einen Job zu erledigen: die Produktion eines Videos, das seine Vorgesetzten verlangten. "Die Wahrnehmung, die wir vermitteln wollten, war, dass die Sowjetunion kaltblütig einen barbarischen Akt begangen hatte", schrieb Snyder.
Ein Jahrzehnt später, als Snyder das vollständige Transkript sah - inklusive der Teile, welche die Reagan-Regierung versteckt hatte -, konnte er realisieren, wie viele der zentralen Elemente der US-Präsentation falsch waren.
Der sowjetische Jägerpilot glaubte den abgehörten Nachrichten zufolge offensichtlich, dass er ein US-Spionageflugzeug verfolgte, und er hatte Schwierigkeiten, in der Dunkelheit das Flugzeug zu erkennen. Auf Befehl der Bodenkontrolle umflog der Pilot die Linienmaschine und wackelte mit den Flügeln, um den Flieger zur Landung zu bewegen. Der Pilot sagte, er habe auch Warnschüsse abgefeuert. "Diese Äußerung war nicht auf dem Band, das wir zur Verfügung stellten", schrieb Snyder.
Für Snyder war es klar, dass die Reagan Administration in der Verfolgung ihrer Ziele des Kalten Kriegs den Vereinten Nationen sowie dem amerikanischen Volk und der Welt falsche Anschuldigungen präsentierten. Für diese Republikaner rechtfertigten die Resultate ihrer Schmierenkampagne die Option einer Geschichtsfälschung.
In seinem Buch bekannte Snyder seine Rolle in der Täuschung und zog eine ironische Lehre aus dem Vorfall. Der hochrangige USIA-Beamte schrieb: "Die Moral von der Geschichte ist, dass alle Regierungen, inklusive unser eigenen, lügen, wenn es ihren Zwecken dient. Der Schlüssel liegt darin, als erster zu lügen."
Weitere Details zur KAL-007-Täuschung und der Geschichte von US-Tricks findet man bei Consortiumnews.com A Dodgy Dossier on Syrian War."
Verlässlichkeit der US-Geheimdienste
Es war nicht immer so. Es gab eine Zeit, als die US-Regierung ihre Glaubwürdigkeit nicht für einen billigen Propaganda-Stunt riskiert hätte, wissend, dass es Momente gibt, in denen es unbedingt erforderlich ist, dass die Welt US-Offiziellen glaubt.
Einige von uns werden sich erinnern, als der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Adlai Stevenson, dem UN-Sicherheitsrat U2-Fotos vom Anfangsstadium der sowjetischen Raketenbasis auf Kuba zeigte. Es war eine perfekte Geräuschsperre für den Versuch der Sowjets und ihrer Alliierten, Zweifel an der Wahrheit an John F. Kennedys Anschuldigungen zu säen.
Leider ist die Glaubwürdigkeit der US-Offiziellen und der amerikanischen Geheimdienste nunmehr auf dem Tiefststand. Man muss nur daran zurückdenken, wie die Massenvernichtungswaffen im Irak bewiesen werden sollten. "Die Geheimdiensterkenntnisse und Fakten wurden um die Politik herum manipuliert", berichtete der Chef des britischen Geheimdienstes dem Premierminister Tony Blair am 23. Juli 2002, nachdem er am 20. Juli mit CIA-Direktor George Tennet im CIA-Hauptquartier gesprochen hatte.
Clinton oder Trump?
Bereits 2002 hatten Sie George W. Bush öffentlich wegen seiner Nutzung von Geheimdienstmaterial kritisiert, mit dem er den Irakkrieg ermöglichte. Hatten die Medien damals und später, als Sie bestätigt wurden, Interesse an Ihrer Meinung?
Ray McGovern: Die Medien haben die Kriegstrommeln geschlagen. Sie ignorierten unseren offenen Brief an Präsident Bush vom 5. Februar 2003, in dem wir zeigten, dass selbst im Fall einiger korrekter Behauptungen diese nicht befriedigend wären, um einen Krieg im Irak zu rechtfertigen: "Die unbeabsichtigten Konsequenzen hiervon wären katastrophal." Dies war unser erstes VIPS-Memorandum für den Präsidenten. Wir haben nun Juni 2016, und wir haben gerade unser 40stes Memorandum fertig gestellt.
Die "Mainstream-Medien" haben VIPS geblacklistet. Da sie damit erfolgreich waren, schenken sie uns keine Beachtung.
2006 haben Sie Donald Rumsfeld festgenagelt, wie er die USA in den Krieg log. Warum haben die Medien das nicht selbst getan?
Ray McGovern: Ein guter Teil der kurzen Antwort ist, dass die "Mainstream-Medien" größtenteils von denen kontrolliert werden, die am Krieg profitieren … Und sie nehmen einfach Notiz von dem, was die Regierung sagt, und dann drucken und senden sie alles als "News".
Ray McGovern: Schauen Sie sich bitte meine letzte Arbeit zu Hillary an, die ist auf meiner Website und bei Consortiumnews.com, wie viele andere in den letzten beiden Monaten. Ich habe noch immer nicht alle Hoffnung aufgegeben. Die E-Mail-Affäre ist eine ernste Sache.
Ohne Frage ist die Vorstellung eines Donald Trump im Weißen Haus in Deutschland alles andere als populär. Trotz seinen sehr seltsamen Ansichten hat Trump vorgeschlagen, die Ausgaben für das Militär zu senken. Könnte dies eine Chance sein, den Militärisch-Industriellen Komplex zu verkleinern?
Ray McGovern: Es ist schwer einzuschätzen, was hier erwartet werden kann, so dass ich versuche, meine Gesundheit zu bewahren, indem ich nicht an Trump denke.
Letzte Woche hat jemand vom deutschen Inlandsgeheimdienst gegenüber einem Untersuchungsausschuss des Bundestags abgestritten, dass sie irgendeine Vorstellung davon hatten, dass die Weitergabe von abgehörten Daten an die US-Geheimdienste Menschen durch Drohnenangriffe töten könne. Glaubhaft?
Ray McGovern: Vordergründig plausibel, aber sehr schwer zu glauben!!
So wie ich das sehe, ist das ein politisches Ding. Die Medien - deutsche genauso wie amerikanische - erzählen ständig "Fürchtet die Terroristen" oder "Fürchtet die Russen", weswegen "wir den Schutz der Amerikaner und mehr und mehr Waffen brauchen".
Die Medien haben ihre eigenen Gründe für das Übertreiben der Bedrohung durch Terroristen und Russland. Doch Angst ist ein starkes Gefühl, das einer Bevölkerung eingeträufelt wird, um sie empfänglich für Manipulation zu machen. Daher, weil die deutsche Regierung Angst hat, die Satelliten-Relaisstation zu schließen, ohne die US-"Piloten" nicht 10.000 km entfernte Menschen in weniger als drei Sekunden töten können, indem sie einfach auf einen Knopf eines Computers in Nevada auf eine so feige Art drücken.
Das erhält den Bedarf an Rüstungsaufwand und die Profite hieran. Die sogenannten Raketen-Abwehr-Systeme sind extrem destabilisierend. Das Beerdigen des ABM-Vertrags war ein schrecklicher Fehler [von Bush]. Und der Ärger mit Russland wuchs exponentiell, als der Westen einen Staatsstreich in Kiew ermöglichte.
Krieg und Spannung sind beide gut fürs Geschäft. Papst Franziskus lag ziemlich richtig, als er in seiner Rede vor dem Kongress ausrief: "Die blutdurchtränkten Waffenhändler!"
Diesen Samstag werden Sie vor der Ramstein Airbase sprechen. Was werden Sie den Deutschen dort sagen?
Ray McGovern: Sorry, Streng Geheim!
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