Der Schmusekurs der EU mit Iran muss ein Ende finden

Seite 5: "Die Tage der Islamischen Republik sind gezählt"

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Anfang Januar 2018 und kurz nach den landesweiten Demonstrationen im Iran habe ich in einem ZDF-Interview vorausgesagt, dass die Proteste langwierig und beständig sein werden und dass die Tage der Islamischen Republik gezählt sind.

Die ökonomische und politische Lage hat sich seitdem noch weiter verschlechtert. Das Regime wird auch nicht reformierbar sein, da viele Funktionäre bereits seit etwa dreißig bis sogar fast vierzig Jahren an der Macht sind (sie haben nur Ämter und Positionen gewechselt).

Weder sie noch ihre Klientel und Verwandtschaft, insbesondere die Erbprinzen - die mit Porsche und Maserati durch die Straßen Teherans kurven - werden keineswegs bereit sein, die Macht freiwillig abzugeben, zumal diese Funktionäre nicht nur den Verlust ihrer Privilegien fürchten, sondern auch Angst haben, zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Dennoch: Der Sturz der Islamischen Republik ist meiner Auffassung nach nicht aufzuhalten. Während die Offiziellen des Regimes, auch die "Reformer", die Bevölkerung vor einer "Syrianisierung" oder "Irakisierung" warnen, um sie abzuschrecken und sie mit allen möglichen Tricks und mithilfe von Taqiyya aufhalten wollen, existieren gute Gründe, weshalb der Iran nicht Gefahr läuft, das Schicksal Syriens zu erleiden.

PR für die Islamische Republik

Leider gibt es etliche Experten hierzulande, welche de facto PR für die Islamische Republik betreiben und das reale politische Bild des Iran verzerrt und voreingenommen vermitteln. Das ist verantwortungslos. Der Autor selber hat öfters mit manchen von ihnen bzw. Wissenschaftlern ihrer Stiftungen und Institutionen auf Diskussionspodien gesessen. Diese haben sogar seinerzeit eine Lanze für den Katastrophen-Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad gebrochen!

Der in Deutschland geborene und aufgewachsene Iran-Experte Adnan Tabatabai kam im Mai vergangenen Jahres relativ euphorisch aus Teheran zurück und sagte in einem Interview mit dem Tagesspiegel in Anspielung auf Rohanis Wiederwahl: "Es zeigt vor allem, dass Populismus im Iran derzeit nicht greift."

Mit Populisten meinte Tabatabai Rohanis Gegenkandidaten Ebrahim Raisi. Wenige Monate nach der Wiederwahl hat sich Rohani selber als ein großer Populist geoutet. Er hatte im Vorfeld der Wahlen die Revolutionswächter heftig kritisiert und somit Popularität eingeheimst.

Nach der Wahl hat er das Budget der Revolutionswächter um 42% im Vergleich zu Vorjahr erhöht. Die religiösen Stiftungen und Institutionen, die überhaupt keine produktive Arbeit leisten und gar Ignoranz und Aberglauben verbreiten, sind üppig bevorteilt worden Diese zum Teil milliardenschweren religiösen Stiftungen zahlen keine Steuern und sind niemandem außer dem Revolutionsführer Rechenschaft schuldig.

Im Hinblick auf dieses Budget hat Parlamentspräsident Ali Laridschani im vergangenen Dezember beteuert:

Aus dem Erdölerlös und allen anderen Einnahmequellen haben wir insgesamt 3.000 Milliarden Toman (70 Mrd. US-Dollar). Wir haben kein Geld im nationalen Entwicklungsfonds und haben ebenfalls keinen Spielraum für Sozialleistungen und die Regierung kann nicht wie bisher den Rentenversicherungsfonds füllen. Die Verwaltung des Staates unter diesen Voraussetzungen ist nicht möglich.

Ali Laridschani

Die Prioritätensetzung im Staatsbudget war mithin einer der Auslöser der Protestbewegung. Die Iraner wissen längst, dass die Verantwortlichen, auch Rohani und sein Kabinett, selbst im Schlaf lügen. Iran ist ein ressourcenreiches Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von knapp 13%, von denen 42% Akademiker sind.

Irans Statistisches Zentrum beziffert die Zahl der Akademiker mit Abschluss auf fünf Millionen. Heute leben etwa 12% der Iraner unter der absoluten Armutsgrenze - mit den Worten des Teheraner Ex-Oberbürgermeisters Ghalibaf: "Sie leben in absoluter Armut und nachts legen sich mit Hunger schlafen."

Die "demokratischesten Wahlen" in der Region?

Der Kollege Tabatabai erzählt getreu der Linie von Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif dass der Iran vergleichsweise demokratischste Wahlen in der Region abhält:

Umgekehrt sollten die Europäer übrigens unbedingt gegenüber den Iranern würdigen, dass die Wahl am Ende sehr sauber verlaufen ist. Bei allen Einschränkungen im Vorfeld. Insbesondere, wenn man das mit den Nachbarstaaten vergleicht.

Adnan Tabatabai

In den Nachbarländern Irans - Irak, Türkei und auch Afghanistan gibt es keinen Wächterrat. Die Säkularen, Kommunisten, Demokraten, Islamisten, Frauen (verschleiert und unverschleiert) dürfen kandidieren und gewählt werden. Das ist im heutigen Iran ein Traum.

Den Begriff "Taqiyya" kennen die Experten, messen ihm aber keine große Bedeutung bei, weil sie selber durchweg rational denken und dementsprechend auch das Handeln der "Mullahs" für stets rational, realpolitisch und kalkulierbar halten. Der einleitend thematisierte Fall (Terrorversuch in Paris) in jener Zeit, in der die Islamische Republik in eine arge Zwickmühle geraten und dringend auf das Wohlwollen der Europäer angewiesen ist, weshalb auch Rohani nach Europa reiste, zeigt aber, wie unberechenbar Teheran ist.

Die Experten beraten die Bundesregierung, Bundestagsabgeordnete, politische Stiftungen und Journalisten. Sie versuchen, den Iran besser als oder zumindest gleich schlecht wegkommen zu lassen wie Saudi-Arabien oder Erdogans Türkei. Der Autor dieser Zeilen betrachtet Riad als Teil des Problems des Nahen Osten, nicht aber als Urheber der Instabilität in der Region.

Eine Einschätzung des Iran gegenüber Saudi-Arabien

Im Gegensatz zur Islamischen Republik, die Zeit ihres Bestehens von Krisenerzeugung lebt, ist die Monarchie in Saudi-Arabien sehr konservativ und scheut Krisen und Instabilität. Saudi-Arabien ist mit Mühe am "Arabischen Frühling" vorbeigeschrammt. Riad hat niemals derart terroristische Aktivitäten wie die oben aufgezählten weltweit durchgeführt.

Saudi-Arabien ist ebenfalls in weitaus geringerem Ausmaß mit gefährlicher sektiererischer Politik im Nahen Osten unterwegs. So etwas wie eine "Saudische Hisbollah" gibt es nicht. Man könnte sich wundern, wenn man wüsste, wie viele Milizen für die Islamische Republik in der Region tätig sind. Die Saudis besetzen auch keine Botschaften, stecken sie nicht in Brand. Sie nehmen keine ausländischen Staatsbürger als Geisel, um die jeweiligen Länder zu erpressen.

Es ist die Islamische Republik Iran, die seit der gesamten Ära von Hassan Rohani an der Spitze der Liste jener Staaten steht, die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung betreiben, wie die internationale Organisation FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) berichtet - nicht Saudi-Arabien (siehe hier und hier) Der Falschspieler Iran ist "der falsche Freund" für Europa. Es lohnt sich nicht, Iran gegenüber Amerika zu verteidigen.

Auch die Linke muss wissen, dass hier die "Lagerkampf-Theorie" völlig fehl am Platz ist und eine Differenzierung zwischen der herrschenden religiösen Diktatur und der gedemütigten verarmten Bevölkerung Irans vorgenommen werden muss.