Der “Sequel”, das Wasserstoffauto

Eine fahrbare Wasserstoffzelle, die von sich reden macht

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General Motors neuester Prototyp, der "Sequel" ("Folge"), will in Detroit auf der "North American International Auto Show" die Besucher in die Zukunft entführen. Seine Antriebsquelle ist eine Wasserstoffzelle: Statt Smog wird der Wagen nur noch Wasser erzeugen.

Das Automobil besitzt drei Motoren: einen für die beiden Vorderräder, und je einen für das rechte und linke Hinterrad. Gas- und Bremspedal werden elektrisch betätigt. Lenkung, Bremsen und andere Systeme entsprechen einem modernen Flugzeug und sparen 90 Prozent technischer Teile ein.

Rick Wagoner, der Chef von General Motors, erklärt, dass der Sequel "der wichtigste Schritt zur Wiedererfindung (reinvention) des Automobils ist" und "die letzte Antwort, um das Auto umweltfreundlich zu machen". Lawrence D. Burns, General Motors Leiter der technischen Entwicklungen, sagt: "Wir sprechen über einen realen Wagen. Er ist zwar noch nicht verfügbar, aber ich kann Ihnen zeigen, dass er machbar ist."

Als General Motors im Jahre 2002 den ersten Prototyp ("Hy-Wire") vorstellte, der in einer knapp 30 cm dicken Plattform nahezu alle Teile eines gewöhnlichen Wagens umfasst, bestand noch wenig Zutrauen. Inzwischen hält L.D. Burns für normalen Wasserstoff den "Tank" groß genug, um 450 Kilometer zurückzulegen, und in komprimierter Form sogar 750-800 Kilometer. Dabei "beschleunigt der Wagen so zügig wie ein normales Auto".

So wenig Zeit für solch eine Entwicklung?

Wann wird er als Serienfahrzeug zur Verfügung stehen? "Im Jahr 2010 geht er in Produktion, mit einer Million Wagen im ersten Jahr" meint Lawrence D. Burns.

"Nicht ganz so schnell. Es wird sicher nach 2010 werden", erklärt Ben Knight, Vizepräsident der Technologie und Entwicklung bei Honda USA. Er sollte es wissen. Hondas Wasserstoffzelle im FCX reicht im Augenblick für knapp 300 km. Dafür hat der Honda das erste Auto, das von der amerikanischen Zulassungsbehörde bereits für den öffentlichen Gebrauch genehmigt wurde.

Immerhin hat die Bush-Regierung 1,7 Milliarden US-Dollar für fünf Jahre ausschließlich zur Entwicklung der Wasserstoffenergie zur Verfügung gestellt (Wasserstoff ist keineswegs der ideale Treibstoff). Die japanischen Autohersteller haben die Entwicklung vorangetrieben. Nicht so die beiden großen Konzerne in den Vereinigten Staaten. Das Land, so glauben viele, gehört den großen Pritschenwagen (Pick-ups) und den Geländesportwagen (Sport Utility Vehicles, SUV). Allerdings hat General Motors bereits die "grüne Flagge" gezeigt, indem "GM" den Benzinverbrauch 2003 auf den niedrigsten Stand seit 2 Jahrzehnten einschwor.

Deutsche Importeure verkaufen in den USA ihre spritsparenden Modelle erfolgreich. Aber auch 80.000 hybride Wagen, die mit einem Elektromotor zusätzlich zur Benzinmaschine zugelassen werden, verbessern die Situation nicht grundlegend. Eine kürzlich von der Hewlett Foundation finanzierte Studie, die in den Bericht der "National Commission on Energy Policy" Verwendung findet, zeigt, dass der Benzinverbrauch bei General Motors und Ford am schlechtesten ist.

Während sich in Deutschland der Benzinverbrauch seit 1970 halbiert hat, ist er in den USA um ein Drittel angestiegen. Sind Steuererhöhungen auf Benzin ein Mittel, um den Benzinverbrauch zu reduzieren? Nein, offensichtlich nicht. Denn während der letzten Präsidentschaftswahl hat jede Partei die andere beschuldigt, ähnliche "abnorme" Gedanken entwickelt zu haben.

Zurück zur Wasserstoffzelle

Die Neuentwicklung könnte die Automobilindustrie zu neuen Höhenflügen führen. Denn nicht nur in den USA werden Autos benötigt, sondern auch in den Entwicklungsländern und hier speziell China.

Natürlich erfordert die Entwicklung eines Massenmarktes die Überwindung einer Reihe von Hürden. Allein die Umstellung der Tankstellen wird Unsummen kosten. Ferner muss Wasserstoff rein und zugleich billig produziert werden. Und schließlich müssen die Wagen preiswerter als die bisherigen Prototypen hergestellt werden.

All das wäre in China sehr viel leichter zu realisieren als in der alten Welt. Die großen Automobilhersteller stehen somit vor einer schwierigen Entscheidung. Sollen sie die Entwicklung in den USA fördern, oder zunächst in Ländern, bei denen die Umstellung keine besonderen Investitionen erforderlich macht? Das eine wie das andere wird nicht ohne Blessuren abgehen.

Zuerst in den USA oder zuerst in China?

So kann der Einstieg in einer neuen Welt leichter sein als im Umgang mit der ausgefuchsten amerikanischen Zulassungsbehörde. Die hohen Benzinpreise in den Vereinigten Staaten kämen nicht auf die Entwicklungsländer zu, weil diese von der neuen Energie profitieren.

Andererseits könnte die amerikanische Bevölkerung den Eindruck gewinnen, dass sie die Zukunft verschläft, während in China und anderswo der "moderne" Lebensstil Einzug hält. Wäre es deshalb nicht besser, in den USA die Neuentwicklung durchzusetzen, und die Entwicklungsländer auf eine spätere Zeit zu vertrösten?

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wasserstoffzelle nach 2010 als Motor bei den Automobilherstellern überwiegt, ist gering. Das "US Fuel Cell Council" hat für 2003 eine weltweite Zunahme von 41 Prozent festgestellt. Die technischen Probleme sind bei weitem nicht ausgegoren. Auch streiten sich die Fachleute über den Wert der Wasserstoffnutzung (Wasserstoff im Tank ist weniger harmlos als bisher vermutet).

Wahrscheinlich werden die hybriden Fahrzeuge mit der Zeit an Bedeutung gewinnen. In Europa, weil die Mehrkosten zugleich ein "Obulus" für die Umweltschützer sind. In den Vereinigten Staaten, weil solche Fahrzeuge "in" sind. Im Zeitplan können wir uns an Jack Smith erinnern. Vor mehr als einem Jahrzehnt Chef von General Motors sagte er damals: "Elektrofahrzeuge werden innerhalb von 10 Jahren profitabel sein".