Der Terror und das Kopftuch der muslimischen Frauen
Während in Großbritannien unter Muslimen diskutiert wurde, ob das Verbot zur Gefahrenabwehr gelockert werden soll, verbietet Italien Tsachador und Burka
In Großbritannien war nach den versuchten Anschlägen auf die U-Bahn in London und der Angst vor möglichen neuen Anschlägen von weiteren Gruppen auch die Stimmung vieler Briten gegen Menschen umgeschlagen, die von ihrem Aussehen her vermuten lassen könnten, dass sie auch islamistische Terroristen sein könnten. Zudem steigerten sich Übergriffe auf vermeintlich Verdächtige und wuchs die Ablehnung von Muslimen.
Während die britische Regierung sich wieder beeilte, weitere Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen anzukündigen, schlug der Vorsitzende des Council of Mosques and Imams vor, dass die muslimischen Frauen doch sicherheitshalber kein Kopftuch und andere Kopfbedeckungen tragen sollten. Damit würden sie sich gleich als muslimische Frauen zu erkennen geben und zögen dann womöglich Belästigungen oder Angriffe auf sich. Die Kleidungsvorschriften, so der Geistliche, seien ja gerade zum Schutz der Frauen entwickelt worden, nicht um sie zu gefährden.
Nun ist das in westlichen Ländern heiß umstrittene Tragen des Kopftuchs nicht nur das von muslimischen Geistlichen hart verteidigte Verschleiern der Frau vor den Blicken der Männer und wahrscheinlich auch ein Zeichen für die mangelnde Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern zudem ein plakatives Demonstrieren der Zugehörigkeit zum muslimischen Glauben. Im Unterschíed zu den Männern geben sich die muslimischen Frauen in den westlichen Ländern damit deutlich zu erkennen und grenzen sich auch von den anderen Frauen ab, weswegen der Kopftuchzwang auch als Hinderungsgrund für die Integration gilt.
Nun also schlug der als liberal bekannte Geistliche und Vorsitzende des Council of Mosques and Imams vor, vielleicht nicht ganz ohne Hintergedanken, die Terroranschläge und die Reaktion dazu auszunutzen, den Kopftuchzwang zumindest einmal zeitweise auszusetzen, ohne deswegen in Diskussionen um Religion und Aufklärung zu geraten. Allerdings kam dieser Vorschlag bei den Orthodoxen nicht gut an. Die haben zur Verteidigung des Kopftuchs, an dem die von den Männern und Geistlichen verhinderte Emanzipation der Frauen und damit wohl auch ein guter Teil der Ausprägung der muslimischen Kultur hängt, eine Organisation, die Assembly for the Protection of the Hijab gegründet.
Dort sah man die Aufforderung als weitaus größere Gefahr, nämlich als Einbruch der Liberalität in den Glauben. Das Tragen des Kopftuchs sei eine religiöse Pflicht, zudem würde man der Gewalt nachgeben, wenn die Frauen ohne es in die Öffentlichkeit gehen. Sie würden damit ihre Identität verlieren. Erlaubt sei die Abnahme des Tuchs nur bei Todesgefahr. So schlimm sei es in Großbritannien allerdings noch nicht. Allerdings hatte die britische Polizei gerade den ersten Menschen im Zuge der bei Selbstmordattentätern erteilten Erlaubnis, tödliche Schüsse zu feuern, getötet. Er stammte allerdings aus Brasilien und hatte nichts mit islamistischen Terrorgruppen zu tun.
Auch Italien sieht sich nach den Anschlägen von London verstärkt im Visier von Terroristen. Während die Regierung natürlich, wie die anderen Regierungen auch, schärfere Maßnahmen einführt, um angeblich die Bevölkerung besser vor Anschlägen zu schützen, preschen hier die Rechten noch weiter vor. Allen voran der Bürgermeister von Treviso, Giancarlo Gentilini, Mitglied der Regierungspartei Lega Nord, die beispielsweise fordert, das Schengen-Abkommen auszusetzen und die Grenzen dicht zu machen. Gentilini will hingegen massiv gegen Muslims vorgehen und die Männer zwingen, Jacken und Hosen zu tragen, während das Anziehen eines Kaftans verboten ist. Die Frauen müssen natürlich die Kopftücher ablegen, wenn sie vermeiden wollen, dass die Polizei einschreitet.
Allerdings ist das Tragen der Tschador und der Burka, die Körper und Gesicht vollständig verhüllen, auch in den eilig vom Parlament verabschiedeten Antiterror-Maßnahmen des Innenministers Giuseppe Pisanu verboten worden. Den Frauen drohen bis zu 1000 Euro oder zwei Jahre Haft als Strafe. Allerdings hat bereits Ennio Fortuna, der Generalstaatsanwalt von Venedig, angeordnet, dass das Tragen von Tschador und Burka dann nicht strafbar ist, wenn die Frau ihr Gesicht zur Identifizierung der Polizei zu erkennen gibt.
Solche Maßnahmen gehen aber Gentilini nicht weit genug – und vermutlich ist er sich sicher, dass viele hier mit ihm mitziehen werden. Es gehe ihm um die Sicherheit der Bürger, sagte er dem Corriere della Sera. Und die Lage sieht er so: "Die Person neben Ihnen auf der Straße kann ein Selbstmordattentäter sein." Und deswegen ist ein Kaftan kein unschuldiges Kleidungsstück: "Es könnte unter jedem Kaftan ein Terrorist sein." Er würde selbst Menschen, denen er begegnet, auffordern, den Kaftan hochzuheben. Ansonsten habe er seine Polizei angewiesen, in solchen Fällen einzugreifen und jeden, der eine Identifizierung verweigert, auf die Polizeistation zu nehmen. Muslims sollten, so der Bürgermeister, "mit Jacke und Krawatte" in die Öffentlichkeit gehen. Und er möchte, dass die Gesichter der Menschen, "die Italiens Boden betreten, so klar wie die Sonne sind. Ich will keine Burkas, Tschadors oder Masken. Ich will meinen Mitbürgern in die Augen sehen können." Dann müsste er freilich auch gegen die Träger von Sonnenbrillen, zumindest von verspiegelten, vorgehen, immerhin gibt es hier noch die Verwechslungsgefahr wie bei einem Tschador, unter dem sich auch ein Mann befinden könnte.
Der 77-jährige Gentilini, der, wie er sagt, auch in anderen Städten Italiens, Frankreichs, Großbritanniens oder Russlands Angebote erhalten haben will, als Bürgermeister zu arbeiten, scheint auch schon mal seine Fremdenfeindlichkeit ganz offen zu äußern. "Wir wollen sie hier nicht", meinte er. "Sie können gehen und in der Wüste oder bei den Ölquellen schlafen."