Der Ultra-Crash vor dem Big-Bang
Löste Universen-Crash den Urknall aus?
Materie und Energie unseres Universums könnten aus dem Zusammenprall mit einem Paralleluniversum beim Urknall hervorgegangen sein. Diese fraglos sehr fantastische These stellte ein Forscherteam der Universität Princeton vor wenigen Tagen auf. Das neue Modell versucht die Entstehung unseres Universums ohne die gängige Inflationstheorie, die eine überlichtschnelle Ausdehnung des Universums Sekundenbruchteile nach dem Urknall postuliert, zu erklären. Es ist noch eine recht abstrakte Theorie, die aber jetzt schon in Fachkreisen mit Interesse diskutiert wird.
Irgendwann zu keinem Zeitpunkt und irgendwo an keinem Ort, als Zeit und Raum noch in einer undefinierbaren Singularität gefangen waren, entsprang auf unerklärliche Weise in einer gewaltigen Explosion innerhalb einer Billionstel Sekunde aus einem unendlich kleinen Punkt von unvorstellbar hoher Energiedichte und Temperatur hochintensive Strahlung. Aus ihm bildeten sich in astronomisch kurzer Zeit Materie, Antimaterie und vielleicht auch noch Energieformen, die uns bislang verborgen geblieben sind. Die Strukturen, die hieraus erwuchsen, offenbaren sich uns heute als Gas- und Staubwolken, Galaxien und Galaxienhaufen. Sie sind der materielle Beweis dafür, dass alles, was im Kosmos entstanden und vergangen ist, seine Herkunft dem so genannten Big Bang verdankt, der sich vor etwa 15 Milliarden Jahren ereignete.
Gut 15 Milliarden Jahre später, seitdem Alan Guth vom Department of Physics vom Massachusetts Institute of Technology 1981 mit der Inflationstheorie erstmals erklären konnte, warum die Temperaturverteilung im Kosmos so überraschend homogen ist, ist die Urknall-Theorie - trotz einiger Anfechtungen - nach wie vor das einheitlich anerkannte Standard-Modell der Kosmologie. Danach erfolgte die Expansion des Universums während der inflationären Phase so rasch, dass sich ein ehemals zusammenhängender Bereich weit über die Größe des heute beobachtbaren Universums ausdehnte. Sein Horizont expandierte zeitweise viel schneller als die Lichtgeschwindigkeit, so dass ein Temperaturausgleich vor der Inflation stattfinden konnte. All dies geschah innerhalb er ersten 10 hoch-35 bis 10 hoch-31 Lebenssekunden des Kosmos. Dessen Radius wuchs in dieser Zeit um das 1043-fache.
Zwanzig Jahre lang arrangierten sich die Astronomen mit dieser Lösung. Nunmehr rüttelt ein amerikanischer Astrophysiker mit einem neuen Modell an den Festen der Kosmologie. Es ist ein Entwurf, der einerseits die "historische" Dimension des Urknalls nicht in Abrede stellt, der aber andererseits die Entwicklung des Universums vor dem Big Bang zu erklären und dessen Form und Isotropie ohne Zuhilfenahme der Inflation zu beschreiben versucht - dies vorerst noch auf sehr abstrakte Weise. Danach sollten sich in einem auf fünf Dimensionen reduzierten Raum zwei vollkommen flache, vierdimensionale membranartige Strukturen ausgebildet haben, von denen eine unser Universum darstellte, die andere hingegen ein verborgenes Paralleluniversum.
Trend zum Metaphysischem
Schon seit einiger Zeit zeichnet sich innerhalb der Astrophysik und Kosmologie ein Trend zum Metaphysischem ab. Ehemals noch dem Vokabular der Science-fiction zugehörig, gehören heutzutage Begriffe wie Wurmlöcher, Zeitreisen, Tunneln und Teleportation in astronomischen Kreisen längst zum gängigen Sprachrepertoire. So überrascht es nicht, dass einige Kosmologen auch verstärkt der Frage nachgehen, was wirklich der Anfang allen Seins gewesen war. Existierte das Universum vielleicht schon vorher, nur möglicherweise in einer anderen Form?
Ging die Theorie bislang davon aus, dass die Zeit vor dem Urknall nicht zu definieren sei, da sie ja mit demselben entstanden sei, so setzen diverse Forscher jetzt völlig neue Prämissen. Die Theorien, die sich dabei herauskristallisieren, sind in doppelter Hinsicht "fantastisch". So vermuten etwa die Astrophysiker Professor Richard Gott III und Li-Xin Li von der Princeton University in New Jersey, dass das Universum aus sich selbst entstanden sei.
Wir nehmen an, dass das Universum eher aus irgend etwas als aus dem Nichts entstanden ist. Dieses Etwas war es selbst.
sagt Richard Gott III. Bereits 1998 gingen die beiden Astrophysiker mit ihrer "zyklischen" Theorie an die Öffentlichkeit. Die beiden Wissenschaftler halten es für möglich, einen Zweig der Raumzeit in einer Schleife rückwärts gerichtet zu führen und so dem Stamm wieder anzuschließen. Nach Einsteins Relativitätstheorie ist es erlaubt geschlossene zeitähnliche Schleifen zu konstruieren. Gott und Li hatten vor drei Jahren herausgefunden, dass eine Zeitschleife vor dem Urknall existiert haben könnte - ohne ein physikalisches Gesetz zu verletzen. So verbieten die Gesetze der Relativität und des Elektromagnetismus nicht die Idee, dass Wellen Ereignisse beeinflussen, die in der Vergangenheit geschahen. Der Weltraum hätte sich in einer Zeitschleife befunden, in der er sich ständig wieder selbst geschaffen hätte. Unser Universum wäre demnach in einem zyklischen Zustand gefangen - quasi wie ein Zeitreisender, der in der Vergangenheit sein eigener Vater wird, der dabei aber keinen Stammbaum aufweisen kann.
Urknall die Folge eines Universen-Crash?
Nicht minder provokant ist die These des Kosmologen Paul Steinhardt von der Princeton University, wonach der Zusammenstoß unseres Universums mit einem Paralleluniversum den Urknall bedingte, der dann unseren Kosmos mit Materie und Energie erfüllte.
Erstmals grob umrissen wurde diese Theorie Anfang April im Rahmen der Tagung The Dark Universe: Matter, Energy, and Gravity des Space Telescope Science Institute in Baltimore (Maryland) beim Space Telescope Science Institute. Das von Steinhardt konzipierte "Ekpyrotische Modell" basiert auf der so genannten M-Theorie, einer Weiterentwicklung der kontroversen Stringtheorie. Nach der Stringtheorie bestehen alle elementaren Partikel (Elektronen und Quarks) aus winzigen eindimensionalen Fäden (engl. String), die offen oder in sich geschlossen eine bestimmte Form ergeben. Da dem Stringmodell zufolge das Universum aus über 11 Dimensionen besteht (einschließlich der Zeit), schwingen die eindimensionalen Fäden in diesem 11-dimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum ähnlich wie Gitarrensaiten mit verschiedenen Frequenzen. Durch die Vibrationen der Strings entstehen alle Eigenschaften der Partikel wie Masse, Ladung und Spin. Bis auf den heutigen Tag konnte jedoch die sehr strittige String-Theorie nicht bewiesen werden.
Die M-Theorie hingegen, die von der Richtigkeit des Urknalls ausgeht, besagt, dass kurz nach diesem Ereignis sechs Dimensionen so weit zusammengeschrumpft sind, dass man sie nicht mehr beobachten kann und sie folglich "vernachlässigbar" sind. In dieser Theorie war unser Universum zunächst ein leeres, vierdimensionales Gebilde - eine so genannte Membran - in einem fünfdimensionalen Raum. Durch die Kollision mit einem weiteren, ähnlichen Universum sei dann die Energie des Urknalls freigesetzt worden.
Das Universum bestand vor dem Urknall aus zwei perfekt flachen vierdimensionalen Ebenen. Eine dieser Ebenen ist unser Universum, das andere ist ein unsichtbares Paralluniversum. Vor etwa 15 Milliarden Jahren unserer Zeitrechnung ist es zu zufälligen Fluktuationen in diesem Begleituniversum gekommen, was dazu führte, dass es verzerrt wurde und mit unserem Universum in Kontakt trat.
Paul Steinhardt
Genau diese "Berührung" hat Steinhardts Ansicht nach den Urknall verursacht, der besagte ungeheure Mengen an Energie freisetzte, die sich zur Materie und Energie unseres Universums umwandelten. Musste das bisherige Urknallmodell zur Erklärung die sogenannte Inflationshypothese herhalten, so erklärt das neue Modell die Flachheit des Universums zwanglos durch den Zusammenprall zweier flacher Membranen. "Flach plus flach bleibt flach", bringt es der Physiker auf eine schlüssige Formel.
Bei alledem steht zu guter Letzt doch noch eine wichtige Frage im "Weltenraum". Denn angenommen, der Auslöser des Urknall wäre tatsächlich ein Universencrash gewesen, bliebe noch zu klären, wie denn der fünfdimensionale Raum mit seinen vierdimensionalen Membranen, der vor dem Big Bang existierte, ursprünglich entstanden ist. Wer hat ihn geschaffen?
Die 63-seitige wissenschaftliche Abhandlung des "Ekpyrotischen Modells" befindet sich als pdf-Datei auf der Homepage von Paul Steinhardt.