"Der Umgang mit Martin Schulz war teils unerträglich"
- "Der Umgang mit Martin Schulz war teils unerträglich"
- "Jetzt müssen sich alle erst einmal beruhigen"
- Auf einer Seite lesen
Der SPD-Europaabgeordnete Knut Fleckenstein über die Erneuerung seiner Partei und das SPD-Mitgliedervotum
Herr Fleckenstein, können sie sich an eine Phase in Ihrer politischen Laufbahn erinnern, in der es ähnlich schlecht bestellt war um Ihre Partei wie in diesen Monaten?
Knut Fleckenstein: Nein.
Wenn es um die Lage der SPD geht, hört und liest man seit Wochen immer wieder das eine Wort: Erneuerung. Was ist das für Sie, diese Erneuerung?
Knut Fleckenstein:Zunächst einmal warne ich davor, jetzt alles neu erfinden zu wollen. Die SPD sollte sich nicht selbst klein machen. Klar ist aber auch: Wir müssen uns sehr genau darüber unterhalten, wo unsere Prioritäten liegen. Und wir müssen einen Weg finden, diesen Prioritäten konsequenter und erkennbarer nachzugehen. Kurzum: Wir müssen eine Reihe von Punkten inhaltlich schärfen und sie besser verkaufen.
An welche Themen denken Sie?
Knut Fleckenstein: Dazu gehört, dass man sich verstärkt um diejenigen kümmert, denen es nicht so gut geht. Und wir müssen all jene fördern, die sich jeden Tag anstrengen, um die Lebenssituation ihrer Familie zu verbessern. Denen müssen wir zeigen, dass die Sozialdemokraten in der Lage sind, die Voraussetzung dafür zu schaffen.
Und wie genau stellen Sie sich das vor?
Knut Fleckenstein: Jeder weiß, dass Deutschland hervorragend dasteht, wirtschaftlich geht es uns blendend. Zur Wahrheit gehören aber auch die sozialen Ungerechtigkeiten, die viele Bürger im Alltag erleben. Es führte in eine Sackgasse, wenn wir diesen Menschen immer wieder erklärten, was alles toll ist in Deutschland. Wir sollten deren Kritik aufnehmen und die Ungerechtigkeiten beseitigen.
Kritiker einer schwarz-roten Koalition sagen, dies sei mit der Union nicht zu machen.
Knut Fleckenstein: Es geht nicht darum, jede Woche einen Koalitionskrach anzuzetteln, sondern um die Unterscheidbarkeit. Wir müssen uns deutlicher abheben von den anderen. Dass das in der Opposition leichter ist: keine Frage. Aber auch in der Regierung wäre es möglich. Es erforderte Mut und Entschlossenheit. Das Thema Gerechtigkeit, um bei meinem Beispiel zu bleiben, sollte in einer Weise aufbereitet werden, dass der Bürger nicht das Gefühl hat, da reden Leute das Land schlecht, damit sie noch ein paar Stimmen fangen. Es geht darum, der Gesellschaft eine positive Zukunftsperspektive zu geben.
"Wichtig ist für mich der Blick nach vorn, und der macht Mut"
Sie meinen also, die SPD braucht auch eine neue Sprache?
Knut Fleckenstein: Ja. Zwar stehen die Inhalte stets im Mittelpunkt, trotzdem müssen wir uns die Frage stellen, wie wir die Menschen besser erreichen können. Hier hat es zuletzt gehakt. Wir brauchen eine Sprache, die verständlich und zuversichtlich zugleich ist. Ich weiß, meine Partei arbeitet längst daran.
Geben Sie jenen SPD-Mitgliedern recht, die sagen, die SPD habe derzeit kein Programm?
Knut Fleckenstein: Bei einigen Fragen mag es stimmen, dass wir uns vor lauter Abwägungen nicht auf einen klaren Kurs verständigen konnten. Generell würde ich dieser Aussage allerdings nicht zustimmen. Das klingt so, als würde die SPD völlig konzeptlos vor sich hin vegetieren - nein, so ist das nicht! Es gibt ein paar klare Erkennungsmerkmale, auf die wir auch künftig setzen müssen. Dazu gehört im Übrigen auch eine andere, ja eine bessere Europapolitik. Nur nebenbei: Im Koalitionsvertrag tauchen vielversprechende Ansätze hierfür auf. Da hat Martin Schulz ausgezeichnet verhandelt.
Wann begann die Krise der SPD, wann hätte die Partei, rückblickend betrachtet, ihren Kurs ändern müssen?
Knut Fleckenstein: Ich kann Ihnen weder den Monat noch das Jahr nennen. Ehrlich gesagt ist mir das auch nicht sonderlich wichtig. Wenn ich höre, was die Parteiführung erreichen möchte, dann bin ich zuversichtlich, dass die SPD die Kurve kriegt.
Aber wäre die Suche und Analyse von Fehlern nicht gerade jetzt wichtig für Ihre Partei?
Knut Fleckenstein: Da zitiere ich gern einen bekannten Parteigenossen: "Hätte, hätte, Fahrradkette." Im Ernst: Was brächte es, wenn ich jetzt all die Dinge aufzählen würde, die wir hätten besser machen können?
Im besten Fall einen Erkenntnisgewinn.
Knut Fleckenstein: Es gibt zurzeit genug Neunmalkluge, die in der Öffentlichkeit Fehler benennen und dabei mit dem Finger auf Einzelne zeigen. Da will ich mich nicht einreihen. Wichtig ist für mich der Blick nach vorn, und der macht Mut. Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt weder Grund noch Anlass, an Andrea Nahles Absichten zu zweifeln.
Olaf Scholz und Andrea Nahles - stehen diese Namen einer Erneuerung nicht im Weg?
Knut Fleckenstein: Nein, ich traue ihnen das zu. Beide sind starke Persönlichkeiten, die genau wissen, dass sie nur erfolgreich sein können, wenn sie ein starkes Team hinter sich versammeln. Dafür stehen beide. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da Alleingänge geben wird. Und eins ist ohnehin klar: Die SPD-Mitglieder werden penibel darauf achten, dass der angekündigte Erneuerungsprozess auch wirklich stattfindet. Die Parteispitze wird den Gedanken der Modernisierung nicht verwerfen können, sie weiß genau, das würde die Partei nicht mitmachen. Die Lage ist zu ernst.
Wie haben Sie das Personalgerangel in Ihrer Partei wahrgenommen?
Knut Fleckenstein: Ich war nicht dabei, ich weiß nicht, was alles hinter den Kulissen abgelaufen ist. Fakt ist: Die SPD hat da ein schwaches Bild abgegeben.