"Der Umgang mit Martin Schulz war teils unerträglich"

Seite 2: "Jetzt müssen sich alle erst einmal beruhigen"

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Welche Worte fallen Ihnen ein, wenn Sie daran denken, wie einige Ihrer Parteikollegen mit Martin Schulz umgegangen sind?

Knut Fleckenstein: (überlegt) Das war teils unerträglich. Abgesehen davon empfinde ich es nach wie vor als völlig unverständlich, warum die Tatsache, dass Martin Schulz hätte Außenminister werden wollen, zu einer solchen Debatte geführt hat.

Er hatte das zuvor ausgeschlossen.

Knut Fleckenstein: Ein Parteivorsitzender, der unmittelbar nach der Wahl erklärt, dass seine Partei nicht für eine Große Koalition zur Verfügung steht, kann doch am Tag darauf, auf einer Pressekonferenz, nicht sagen: "Ich werde mir in den kommenden Tagen mal in Ruhe überlegen, ob ich Minister unter Frau Merkel werden will."

Herr Schulz hätte sich weniger klar äußern können, was eine mögliche Koalition angeht.

Knut Fleckenstein: Jeder andere Vorsitzende hätte das an dem Tag genauso gesagt, ja: sagen müssen.

Muss sich ein Politiker, der derart deutlich antwortet, nicht anschließend an seinen Worten messen lassen?

Knut Fleckenstein: Wenn die politische Lage sich insofern ändert, dass eine Große Koalition plötzlich die einzige Option ist, um eine stabile Regierung zu bilden, dann stellt sich die andere Frage doch gar nicht mehr. Ehrlich gesagt habe ich diese aufgeheizte Debatte bis heute nicht verstanden.

Sie hätten Martin Schulz gern im Außenamt gesehen?

Knut Fleckenstein: Ja, der Parteichef gehört in die Regierung. Ich bedauere, dass wir nun auf seine Kompetenz verzichten. Aber es wird andere Aufgaben für ihn geben. Jetzt müssen sich alle erst einmal beruhigen.

Was heißt das?

Knut Fleckenstein: Eines nach dem anderen. Es steht ja, wie gesagt, noch gar nicht fest, ob die SPD überhaupt in eine Regierung eintritt. Über weitere Fragen wird man danach sicherlich reden. Das wird auf einer Ebene stattfinden, der ich nicht angehöre. Deshalb will ich da jetzt auch nicht reinquatschen. Das gehörte sich nicht.

Sollte Sigmar Gabriel trotz aller Vorfälle Außenminister bleiben?

Knut Fleckenstein: Ich halte das nicht für eine logische Folge. (überlegt) Das schließt ja nicht aus, dass er es am Ende bleibt. Ich sehe da aber keinen Automatismus.

70 Prozent der Deutschen sind laut einer Forsa-Umfrage mit der Arbeit von Sigmar Gabriel als Außenminister zufrieden. Hat er sich durch seine Äußerungen gegenüber Martin Schulz selbst disqualifiziert?

Knut Fleckenstein: Er hat es sich und seiner Partei damit zumindest nicht gerade einfacher gemacht, um es vorsichtig zu formulieren. Mehr will ich dazu nicht sagen.

"Ich höre immer wieder Sätze wie 'Wir haben mit der Faust in der Tasche zugestimmt'"

Ihre Einschätzung zum Mitgliedervotum, Herr Fleckenstein.

Knut Fleckenstein: Viele in meinem Umfeld sind nach wie vor nicht davon überzeugt, dass eine Große Koalition gut wäre für Deutschland. Angesichts der neuen Situation, Stichwort Jamaika-Aus, aber auch aufgrund dessen, was Martin Schulz und die anderen Verhandler ausgehandelt haben, sind allerdings immer mehr von ihnen der Ansicht, dass es sich lohnt, beides zu machen: eine gute Politik für das Land, und parallel dazu: die Schärfung des SPD-Kurses. Aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis höre ich immer wieder Sätze wie "Wir haben mit der Faust in der Tasche zugestimmt."

Andrea Nahles sagt, sie habe keinen Plan B. Ist das nicht fahrlässig?

Knut Fleckenstein: Nein, ist es nicht. Aber es macht deutlich, dass die SPD in diesem Fall nicht mehr mitspielt.

Ihr Parteikollege, der ehemalige Bundesvorsitzende Rudolf Scharping, sagte kürzlich, eine Neuwahl wäre "ein lebensgefährliches Risiko für die SPD". Stimmen Sie Ihm zu?

Knut Fleckenstein: Eine Neuwahl würde jedenfalls das Problem nicht verändern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen nach den Ereignissen der vergangenen Monate nun alle ihre Meinung geändert haben. Im Zweifelsfall käme eine Neuwahl denjenigen zugute, die vom demokratischen System nicht allzu viel halten.

Olaf Scholz soll Bundesfinanzminister und Vizekanzler werden. Was halten Sie davon?

Knut Fleckenstein: Scholz wäre ein guter Finanzminister, davon bin ich überzeugt. Er kann zuhören, er ist meinungsstark und er arbeitet transparent. Am Ende, und das ist ganz wichtig, kann sich jeder auf Scholz' Worte verlassen. Ich glaube, das sind gute Voraussetzungen für ein solches Amt. Scholz wäre ein Minister, der das Geld zusammenhält und trotzdem von der reinen Austeritätspolitik abweicht, die wir von Herrn Schäuble gewohnt sind.

Volker Kauder sieht das ganz anders. Das Haushaltsrecht des Bundestags setze dem Finanzminister enge Grenzen - "Ein frei tanzender Künstler ist der Bundesfinanzminister nicht", so der Unions-Fraktionschef in der Berliner Zeitung.

Knut Fleckenstein: Das fällt ihm sehr spät ein- Schäuble hätte diesen Hinweis dringend gebraucht.

Angesichts der Tatsache, dass Herr Scholz noch im Dezember sagte, er wolle Bürgermeister bleiben und werde nicht nach Berlin wechseln: Haben Sie Verständnis für jene Hamburger, die nun enttäuscht oder gar wütend sind?

Knut Fleckenstein: Mag sein, dass es einige gibt. Ich hätte ihn auch gern hier behalten, weil er ein ausgesprochen guter Bürgermeister ist. Wenn aber andere, derart große Herausforderungen rufen, sollte man für etwaige Entscheidungen Verständnis haben. Der Bundesfinanzminister und Vizekanzler trägt eine enorme Verantwortung, und zwar nicht nur für Deutschland. Abgesehen davon fände ich es richtig gut, wenn auch mal wieder ein Hamburger mit an der Spitze stünde (lächelt).