Der anthropologische Schlaf und die Träume vom Aufwachen

Wo Rettung vor Augen steht, wächst auch die Gefahr.

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Der Soziologe und Philosoph unterläuft die Frage nach der Müdigkeit und die schnellen Antworten. Für ihn sind Erschöpfung und Zwang zur Aktivität gleichermaßen die falsche Lösung. Müdigkeit betrifft für ihn nicht nur Europa, sondern die gesamte Haltung zur Zukunft und Vergangenheit. Wir müssen, so Kamper, allererst erkennen, daß die Gefahr wächst, wo wie Rettung vermuten.

"Ich gewahre jeden Tag ein wenig besser, daß die Welt, in der wir leben, ihr Verlangen darauf beschränkt, zu schlafen. Doch ein Wort ruft zu geeigneter Zeit eine Art krampfhafte Unruhe und Zusammenraffung hervor. Es geschieht jetzt ziemlich oft, daß der Ausgang nahe zu sein scheint: ein Bedürfnis, zu vergessen, nicht mehr zu reagieren, siegt in solchem Augenblick über die Lust, weiterzuleben... Über das Unvermeidliche nachdenken oder nicht mehr einfach zu schlafen versuchen: der Schlaf scheint vorzuziehen." Georges Bataille: Brief an René Char

Es herrscht der Schlaf

In Differenz zur Hypothese des Exposés dieser Veranstaltung wird im folgenden versucht, eine umgestülpte Annahme stark zu machen: Es droht nicht dauernd, daß wir in Schlaf versinken, sondern daß wir trotz der Anstrengungen der Kritik und der Utopie nicht daraus auftauchen können. Diese Annahme erlaubt eine andere Sicht auf die Symptome der Müdigkeit. Sie erlaubt es, diese Symptome nicht sofort und von Anfang an in eine Logik des Entweder - Oder einzuspannen. Müdigkeit ist nicht "falsch", so daß Wachheit richtig wäre. Müdigkeit ist aber auch nicht "richtig", so daß Wachheit falsch wäre.

Es geht hier nicht um eine Ortho-Grammatik oder um eine Ortho-Semantik, sondern um eine symbolische Lektüre der Symptome, die an den Rand ihrer Möglichkeit gelangt. Das schafft Zeit, um in einer schon länger währenden Debatte um Gefahr und Rettung des Projekts der Moderne, des Programms der Neuzeit weiter voranzukommen, statt sie nur von Zeit zu Zeit wiederholen zu müssen. Die Vorentschiedenheit dafür, daß Müdigkeit schlecht ist, kann ja nicht anders, als möglichst schnell die lästigen Symptome loszuwerden und zur absoluten Wachheit des arbeitenden Geistes überzugehen. Die Vorentschiedenheit, daß Müdigkeit gut ist, führt andererseits dazu, sich mit der Stagnation zu vermengen, die ohnehin passiert, um so etwas zu heiligen, was lange Zeit für unheilig galt.

Die Annahme jedoch, daß Schlaf herrscht, und daß dieser Schlaf ein unbeliebiger Effekt der übergroßen Anstrengungen ist, die Welt auf den Kopf des Menschen zu bauen, schafft - neben der Zeit - einen Spielraum für neue Fragen und hält zugleich diesen Spielraum offen: Es ist nicht entschieden, ob das große Experiment mißlungen oder gelungen ist. Programm und Projekt sind vielmehr unterbrochen durch eine Pause, deren Sinn nicht darin besteht, möglichst bald beendet zu werden.

Traum vom Aufwachen

Michel Foucault nennt die Phase der produktiven Macht in Europa, die sich selbst als Anthropologie verstand, den anthropologischen Schlaf. Seine Hoffnung, 1968, ging darauf, daß die Figur, die den Schlaf auf Dauer stellt und das Aufwachen blockiert, verschwindet wie ein Gesicht am Strand, und daß es wieder möglich sein wird, in der Leere, die dann entsteht, zu denken, also aufzuwachen oder doch vom Aufwachen zu träumen. Dies war der Anthropologie keineswegs lieb, sondern drehte ihr eigenes Selbstverständnis um. Statt einer Symbolik der Verhältnisse, wie sie sich selbst verstand, erschien sie nun symptomatisch, d.h. als reif für eine andere Lesart.

Im Rahmen der also traktierten Anthropologie wurde Foucaults These als Behauptung aufgefaßt, der Mensch sei am Ende, nicht nur als Inbegriff einer Wissenschaft, sondern auch als Inbegriff eines Selbstverständnisses: "Der Mensch, Einzahl, männlich ist als verbindliche Figur künftig unfähig der Verbindlichkeit." Was jedoch zunächst nicht bemerkt wurde, ist der Umstand, daß mit der umgestülpten Annahme auch der Rahmen der Anthropologie gebrochen ist. Es geht um nichts Geringeres als um den Ruin der bisherigen Grundannahmen, wie sie sich gefügt haben zu einem Horizont des Verstehens und des Selbstverständlichen und um die Neufügung eines anderen Rahmens in den Aussagen, in den Antworten, in den Fragen, die das Schicksal des Menschen betreffen.

Die Pause ist keine Epoche, sondern die Unterbrechung der Sicherheit, immer schon verstanden zu haben. Das gilt auch für die fundamentalen Sätze der europäischen Aufklärung, daß der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit in die wache Mündigkeit, d.h. in die Freiheit des Denkens geführt habe, zu denken, was man will, und insofern das höchste Bewußtsein einer Zeit als äußerste Wachsamkeit zu verstehen. Doch die Menschen können auch im Zustand der "Mündigkeit" nicht partout denken, was sei wollen. Es gibt einen unbeliebigen lähmenden Überhang der Geschichte, auch der Geschichte, die sie selbst machen. Selbstmächtigkeit als Experiment plus ultra hat geradezu diesen Überhang ins Unendliche wachsen lassen und kam bald überhaupt nicht mehr klar mit dem Auftrag, die selbstgeschaffene, selbstgemachte Welt in Gedanken zu erfassen.

Macht erzeugt Ohnmacht

Eine solche Charakterisierung des sogenannten bewußten Lebens als Schlaf geht zurück auf die Katastrophentheorie der Geschichte (von Goya bis Benjamin und Bataille), derzufolge Theorien über den Gang dieser Geschichte bestenfalls Träume der Menschheit sind, vielleicht Träume vom Aufwachen. Schon Husserl hatte zum Beginn des Jahrhunderts markiert: Europas größte Gefahr ist die Müdigkeit, seine Lösung lautete: mehr zu sehen, mehr zu wissen. Daß aber das "Mehr Wissen" und das "Mehr Sehen" eine Erschöpfung nach sich ziehen, ist unabdingbar.

Etwas Dunkles kommt auf das hellste Denken zurück, stellt es unter erschwerte Bedingungen und wird somit ein historischer Faktor. Das blieb noch außer Betracht. Erst nach der Mitte des Jahrhunderts sind Gedanken Einzelner in der genannten Richtung rezipiert worden, daß nämlich der Zuwachs an Macht immer auch einen Zuwachs an Ohnmacht bedeutet und daß das Verhältnis von Macht und Ohnmacht im Prozeß der Selbstermächtigung der Menschheit austariert werden muß, und zwar von eben den Menschen, die diesen Prozeß befördern. Nichts anderes will Goyas berühmtes Capriccio 43 sagen: "Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer". Es ist nicht der Schlaf, sondern der Traum von einer besseren Welt, der die Ungeheuer aufruft, die Ungeheuer, die diesen Traum belagern.

Aufwachen hieße, die Kraft der Unterscheidung, die Fähigkeit der Kritik auf die unbeliebigen Resultate der Kritik in der Geschichte beziehen zu können. Benjamin und Bataille, Bataille und Benjamin haben das ihre dazu beigetragen, das Bewußtsein von der Sachlage im Verhältnis von Bewußtem und Unbewußtem zu schärfen. Es stimmt eben nicht, daß die Menschen ihre Welt nur konstruieren, sie destruieren sie auch, und zwar mit denselben Kräften. Zwar sei der Blick durch die aufgerissenen Augen des Engels der Geschichte nicht für die Menschen bestimmt, schreibt Benjamin, gleichwohl heißt Denken Teilhabe am Rückblick des Engels, der mit aufgestellten Schwingen vom Paradies hinweggeweht wird, in einem Sturm, der der Fortschritt ist.

Auch die Unfähigkeit, die Flügel und die Augen schließen zu können, geht auf eine Müdigkeit zurück, die Müdigkeit, immer dieselbe Katastrophe, die Katastrophe des Selben wahrnehmen zu müssen. So hat die Kunst Europas die wachsten Momente charakterisiert: Unfähigkeit, den Blick abzuwenden und endlich ins Vergessen abzutauchen. Dennoch ist es geschehen, dennoch hat man die Augen und die Flügel geschlossen und ist in einer Art Starrheit versunken. Aber es ist nicht der Tod, es ist der Schlaf, in dem die Gedanken Traumform angenommen haben, um als diese Träume vielleicht ein Erwachen vorzubereiten.

Im Fortgang der Wissenschaften erscheint das Monströse

Im Prinzip wären also zwei Müdigkeiten zu unterscheiden: die eine, die aus der Überanstrengung des arbeitenden Geistes stammt, und die andere, die mit den Träumen des arbeitenden Körpers zu tun hat. Während die eine über Paradoxien, Dissonanzen und Zusammenbrüche eine totale Blockade mit monströsen Umrissen errichtet, in der sich jedes Bewußtsein und jeder Wille fängt und in Stumpfsinn oder Starrsin versinkt, bietet die andere eine Art KörperDenken, eine Chance, und zwar auf dem Wege des Unbewußten und des Unwillens, durch Wahrnehmung der Ungeheuer eine neue Geistes-Gegenwart zu erreichen.

Erst durch die Annahme des anthropologischen Schlafs wird sichtbar, daß es auch eine Differenz der Müdigkeiten gibt und daß die immer noch wirksame Auftrennung von Körper und Geist, von Geist und Körper eine neue Folie des Verstehens aufspannt. Die fortgeschrittenste Epistemologie des Zeitalters und das Gespür für vertrackte Idiosynkrasien bringen gemeinsam eine Strukturähnlichkeit zur Sprache, die den in Schlaf Versunkenen aufregt. In Richtung der Müdigkeit gedacht, sind die Blockaden der Wissenschaftstheorie und Epistemologie dasselbe wie die aufs Neue sich anlassenden Empfindlichkeiten, die zumeist körperlich wahrgenommen werden im Umgang mit anderen Körpern.

Im Fortgang der Wissenschaften erscheint das Monströse, im Fortgang des KörperDenkens wird das Monströse wahrgenommen. Dies geschieht aber auf eine unbeliebige Weise und nicht zum Zwecke der Ausflucht. Die Begleiterscheinungen der menschlichen Selbstermächtigungen können nicht abgetan werden wie die Begleiterscheinungen der ersten Schöpfung. Hier geht es nicht um Anthropodizee, um eine Verteidigung des Menschen gegen die selbstverschuldeten Unmenschlichkeiten. Vielmehr käme es zunächst auf eine Synopse an, das zusammenzusehen, was immer säuberlich getrennt wird, als ob der überanstrengte Geist und der ermüdete Körper nicht trotz ihrer Trennung zusammenarbeiten, kooperieren.

Erst die Wahrnehmung einer solchen Kooperation schafft die Voraussetzung dafür, in Richtung des Aufwachens voranzukommen. Es ist zwar schon viel, daß Stumpfsinn und Starrsinn zu Bewußtsein kommen, daß das Unbewußte und der Unwille zur Sprache gebracht werden, aber nötig wäre eine auf den Dissens angelegte Zusammensicht. Nur ein Dissens als Dissens - und dazu sind die Träume fähig -kann der Durchgang sein zur wirklichen Klarheit über den Stand der Dinge. Das heißt Luhmann und Derrida fortschreiben.

Das Neue kommt nur mit tauben Füßen

Man kann allerdings die bleierne Zeit nicht negieren. Noch immer dauern die Schocks der Geschichte. Weder sind die Schrecken der Französischen Revolution noch die von 1848 verkraftet. Weder erträgt man bis heute die Desaster der Kommune, noch - und erst recht nicht - die der letzten Weltkriege und die der maßlosen Massaker des zwanzigsten Jahrhunderts. Sich mit ihnen zu beschäftigen, im Spielraum der Pause, könnte endlich jenes übertriebene Vergessen, das ein Vergessen des Vergessens ist, aufbrechen und durcharbeiten. Auch Freud bedarf der Fortschreibung, auch Lacan, auch Heidegger, auch Nietzsche. Und schließlich auch Hölderlin.

Bisher ging es immer nur darum, die Erinnerung wachzuhalten, aber das ist nicht die Hauptsache. In der delirierenden Sprache der Menschen, die sich die Aufgabe zumaßen, auf dem Laufenden zu sein, liegen die Bruchstücke für eine kommende Bilanz. Vielleicht ist es auch keine Rechnung mehr, die aufgemacht werden muß, und wenn eine Rechnung, dann eine zweite, eine dritte, eine vierte. Es hilft nicht länger, den Kopf in den Sand zu stecken, um dann Sand im Kopf zu haben. Es hilft nicht länger, den Zusammenhang, den die Synopse sieht, nur zu behaupten. Es geht in der Tat um eine historisch-anthropologische Analyse in den Extremen der Erschöpfung. Das Beste gewollt und das Schlimmste zu erreicht zu haben, gilt immer noch als Fauxpas statt als erster Schritt. Das Monströse kann nicht abgespalten werden. Es ist dem Menschen eigen. Es hat etwas mit seinem Wesen und Verwesen zu tun. Den Kopf und den Blick abzuwenden ist historisch, ums Überleben willen, gewiß manchmal nötig. Aber nicht für immer.

Was alles an Unerträglichkeiten in den Körpern der Menschen deponiert worden ist, bedarf der Rekuperation. Endlich wissen wir, wie man den Satz schreibt: Das Neue kommt nur mit "tauben" Füßen auf die Welt. Wir sind blessiert. Wir haben Verletzungen und Narben, und zwar bis ins Mark. Weder der Versuch, es nicht gewesen zu sein, wie er unentwegt unternommen wird, noch der Versuch, es gewesen zu sein, wie er durchaus seltener vorkommt, helfen weiter. Sie sind noch Momente und Agenten einer schockerzeugten Anästhesie. Das Dumpfe ist stärker, aber es behält nicht das letzte Wort. Insofern wächst im lähmenden Wiederholungszwang der nicht geleisteten Geschichte die Chance, den Subtext der Geschichte mit entblößtem Herzen zu lesen, statt ihn bloß zu vollstrecken. Das allerdings fordert die Kunstfertigkeit einer Lektüre, die liest, was nie geschrieben wurde. So zitiert Benjamin Hofmannsthal.: "Ganz vergessener Völker Müdigkeiten kann ich nicht abtun von meinen Lidern."

Wo Rettung ist, wächst die Gefahr

Die Tradition des 19. Jahrhunderts, nämlich durch Überbietung der menschlichen Eigenmacht die bisherigen Folgen derselben zum Verschwinden zu bringen, hilft nicht nur nicht weiter, sondern ist nun umstandslos die Rettung, welche mit der Gefahr ins Unendliche wächst.

Hölderlins oft zitierter, bis zur Erschöpfung zitierter Satz "Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch", hat sich ebenso umgekehrt: Wo aber Rettung ist, wächst die Gefahr. Man wird das Rettenwollen einschränken müssen auf die Vergangenheit, wie Benjamin es vorgeschlagen hat. Gegenwart und Zukunft können nicht gerettet werden. Sie müssen erkämpft und vorausgesagt werden, mit der Kraft der Geistesgegenwart und jener Gabe des Prophetischen, die jedermann besitzt in seinem Körper. Denn zweifellos hört das Projekt einer Selbstermächtigung und Selbsterschaffung der Menschengattung auch unter den Konditionen der Müdigkeit nicht auf.

So findet derzeit, wie H.P. Weber schreibt, eine Transgression vom "softmorphing" zum "hardmorphing" statt, von der beschreibenden, vorschreibenden Anthropologie zum praktischen Menschenmachen. Dieser simple Gotteskomplex, der ohne Rücksicht auf Verluste seit einigen Jahrhunderten am Werk ist, gipfelt geradezu in der Lebenserzeugung, in der Fertigung eines problemlosen Menschen, dem das als prinzipiell offen deklarierte "Wesen" des Menschen endlich fertiggemacht wird. Hier wäre das Ereignis selbst die monströse Folge: der reine selbstbezügliche Menschengeist ohne ein Anderes und ohne ein Außen - eine Figur, die man herkömmlicherweise als den leibhaftigen Gottseibeiuns beschimpft hat, nämlich als den Luzifer, den Satan, das Böse schlechthin. Auch das ist längst bekannt und oft wiederholt worden, aber es fruchtet nichts. Es wird auch durch Erhöhung der Blockaden und durch Steigerung der Müdigkeiten nicht aufhören vor dem Ereignis, das die Folge ist, auch wenn man dem Verrücktwerden des Blicks eine kleine Chance zubilligen könnte. Wie bei der Hirnforschung nicht das erforschte Gehirn das Problem ist, sondern das Hirn des Hirnforschers. So wird sich auch beim Menschenmachen, genauer beim "Lebenmachen und Sterbenlassen" (Foucault) die Aufmerksamkeit auf die Macher verschieben, um sogleich einen weiteren Schock zu erfahren. Bewußtsein und Wille, sich selbst herzustellen, sind unbeugsam geworden, nicht reflektierbar. Es herrscht das factum brutum. Auch die oft beschworene Selbstreferenz fällt hier aus. Der point of no return ist eine strahlende Indifferenz, eine schwach strahlende.

Träume vom Erwachen

Demgegenüber sind die Träume vom Aufwachen selbstreferentielle Bewegungen, in denen das Externe und die Alterität angespielt werden. Der Traum ist eine souveräne Zeitmanifestation, in der die Autonomie sich als Heteronomie erweist.

Kein Träumer ist Herr seines Traumes, und doch geht es um dieses Nicht-Herr-Sein im Traum. Es bietet den Anlaß, die Kategorien der Herrschaft einzuziehen und endlich aufzuhören mit der Geschichte des "maitre et possesseur de la nature". Das beginnt in einer Mimesis ans Schreckliche, des Zwanges, etwas tun zu müssen, was man nicht tun will und was man als verheerend durchschaut hat. Aber indem eine solche Arbeit am Schrecklichen sich vollzieht, lernt der Schlafende, daß seines Körpers Souveränität sich im Träumen und nicht im Wachen manifestiert. Nur so kann erklärt werden, warum es gelingt, gelegentlich von seinem eigenen Lachen wachzuwerden.

Der Traum ist keine Beugehaft, obwohl die Gefangenschaft in der selbsterrichteten Freiheit eine seiner häufigsten Metaphern ist. Insofern wäre dann Batailles Bestimmung, daß Schlaf herrscht, mit Notwendigkeit an einen Traum gekoppelt, daß nämlich niemand einem Herrn dienen kann und daß die letzte Täuschung, die mit Heil und Heilung, mit Rettung und Hilfe verbunden ist, erst das Gefängnis schafft, das das Aufwachen verhindert. Der geringste Verdacht jedoch, daß es sich um ein Gefängnis handeln könnte, ist bereits ein Vorspiel des Entkommens.

Um eine solche Erkenntnis in ein folgenreiches Lernen zu übersetzen, muß man auf seine Träume achtgeben. Man muß sie verlängern, man muß sie in jene lang anhaltende Pause vorantreiben, in der Michel Foucault die Kraft erhielt, über den Rahmen der Anthropologie, die sich selbst für das wachste Bewußtsein der Zeit hielt, hinauszugehen und in den Träumen vom Aufwachen den anthropologischen Schlaf aufzuheben. Schluß mit dem schlechten Ende und schlechten Anfängen! Aufhören mit der falschen Unendlichkeit! Die Alternative von Wachen und Schlafen vermeiden, denn es gibt ja Träume vom Aufwachen.