Der gute Terror Washingtons
In den USA sitzen fünf Kubaner wegen Spionage in Haft, weil sie terroristische Organisationen in den USA beschattet haben
Neun seiner Amtsvorgänger sind bereits gescheitert. Nun will George. W. Bush, der zehnte US-Präsident seit dem Sieg der Guerilla von Fidel Castro Ruz 1959, Kuba bessere Tage bescheren. Das verkündete Bush Mitte Mai bei der Präsentation eines 500-seitigen Berichtes über seine künftige Kuba-Politik. Mit einer Reihe neuer Embargomaßnahmen gegen Kuba versucht die US-Regierung nach eigenen Angaben den "Übergang von einem stalinistischen System" zur "Demokratie" zu beschleunigen. Dass sie sich bei diesem Vorhaben nicht immer demokratischer und rechtsstaatlicher Mittel bedient, ist seit über vier Jahrzehnten ein offenes Geheimnis.
USA - ein sicherer Hafen für manche Terrorgruppen
Von Miami im US-Bundesstaat Florida aus operieren seit der kubanischen Revolution zahlreiche gewaltbereite Gruppen. Sie haben sich den Sturz Fidel Castros auf ihre Fahnen geschrieben. Dass ihnen dabei die Rückendeckung Washington sicher ist, hat sich in der Vergangenheit mehrfach gezeigt.
So ist die Täterschaft der militanten Exilkubaner Luis Posada Carriles und Orlando Bosch für einen der schwersten Anschläge gegen kubanische Institutionen seit 1959 bewiesen: Im Oktober 1976 platzierten die Männer einen Sprengsatz unter einem Passagierflugzeug der staatlichen kubanischen Fluglinie Cubana de Aviación. Kurz nach dem Start in Barbados Richtung Havanna explodierte die Maschine. Unter den 73 Todesopfern befand sich die gesamte Junioren-Fechtmannschaft. Die Jugendlichen waren auf dem Rückweg von den Panamerikanischen Spielen in der venezolanischen Hauptstadt Caracas.
Orlando Bosch lebt heute in Miami. Trotz einer gegenteiligen Entscheidung der US-Einwanderungsbehörde wurde ihm Anfang der neunziger Jahre auf Anweisung des damaligen Präsidenten George Bush Asyl zuerkannt. Und auch Posada Carriles kam trotz Verurteilung in Venezuela vor Ende seiner Haftzeit frei. Dafür hatte sich der damalige US-Botschafter in Venezuela, Otto Reich, eingesetzt. Der gebürtige Kubaner Reich war es schließlich auch, der 2002, inzwischen Lateinamerika-Beauftragter George W. Bushs, auf die Gründung einer "Kommission für ein freies Kuba" drängte. Diese Kommission wiederum hat unter Leitung von Außenminister Colin Powell und dem aus Kuba stammenden Wohnungsbauminister Mel Martínez den jüngsten Maßnahmenkatalog erarbeitet.
Der kubanischen Regierung bleiben in Anbetracht solcher politischen Kontinuitäten wenige Möglichkeiten, gegen die Bedrohung aus den USA vorzugehen. Nachdem gewaltbereite Organisationen in Miami jahrzehntelang agieren konnten, gehört es inzwischen sogar zur politischen Kultur der Stadt, dass selbsternannte Kommandanten in Uniform gekleidet im Lokalfernsehen zum bewaffneten Kampf gegen die Castro-Regierung in Havanna (und inzwischen auch gegen die venezolanische Regierung unter Hugo Chávez) aufrufen.
Anfang vergangenen Monats lud Oscar Asa, Moderator einer Talkshow (http://www.venezuelanalysis.com/news.php?newsno=1288) beim privaten US-Fernsehsender "Miami TV", prominente Gegner der Regierungen in Venezuela und Kuba zum Gespräch. Die Sendung sorgte gleich aus mehreren Gründen für Aufsehen. Zum einen ist Asa der Neffe des 1959 in Kuba gestürzten Gewaltherrschers Fulgencio Batista, zum anderen "diskutierten" mit ihm Rodolfo Frometa, der Anführer der paramilitärischen Terrororganisation Kommando F-4, und der ehemalige venezolanische Militär Eduardo García, der während des Putschversuches in Caracas Mitte April 2002 den Angriff regierungsfeindlicher Militärs) auf den Präsidentenpalast Miraflores mit anführte.
Auf die Nachfrage des Moderators erklärte der gebürtige Kubaner Frometa offen, dass seine Gruppe "mit AK-47-Gewehren und anderen Schnellfeuerwaffen" in der Sumpflandschaft der Everglades für militärische Aktionen auf Kuba trainiere. Die Waffen seien der Gruppe von der US-Regierung zur Verfügung gestellt worden, führte der 57jährige Frometa aus. Der venezolanische Gast indes erklärte vor laufender Kamera, dass ihn die Terrororganisation "F-4" vor dem Putschversuch vor zwei Jahren unterstützt habe und "der Austausch geheimdienstlicher Erkenntnisse und militärischer Erfahrungen" inzwischen fester Bestandteil der Arbeit beider Seiten sei.
Mit Bomben gegen Castro
Mitte der neunziger Jahre baute die kubanische Regierung Angesichts solcher Entwicklungen ihr Informantennetzwerk in Miami aus. Die eigenen Leute wurden in die verdächtigen Organisationen eingeschleust, um Havanna über geplante Anschläge zu informieren. Denn die gehören mitnichten der Vergangenheit an.
1997 explodierten während eines Jugendfestivals in Havanna insgesamt zehn Sprengsätze, die von dem salvadorianischen Söldner Raúl Ernesto Cruz León gelegt wurden. Nach Erkenntnissen der kubanischen Staatsanwaltschaft - Cruz León wurde unmittelbar nach den Anschlägen festgenommen und vor Gericht gestellt - ,erhielt der ehemalige Scharfschütze der salvadorianischen Armee von Aktivisten aus dem Umkreis der Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung mit Sitz in Miami den C-4-Sprengstoff und einen Sold von 4500 US-Dollar pro Attentat. Damals wurde in der Hemingway-Bar "La Bodeguita del Medio" ein italienischer Jugendlicher getötet.
Auf dem Iberoamerikanischen Gipfel in Panama im November 2000 schließlich konnte eine Bombe in letzter Minute entschärft werden. Sie war in der wenig später vollbesetzten Aula der Nationaluniversität platziert. Angekündigt war Fidel Castro, gelegt hatte die Bombe niemand anderes als Luis Posada Carriles. Er sitzt nach einem Verfahren im Frühjahr dieses Jahres in Panama erneut in Haft - und wieder drängt die US-Regierung auf seine Freilassung.
Durch seine Informanten in verdächtigen Organisationen in Miami gelangte der kubanische Geheimdienst (DGI) an umfangreiche Informationen über die Terrorstrukturen in Miami. Bei einem bilateralen Treffen mit FBI-Kontaktleuten in Havanna übergaben DGI-Mitarbeiter Anfang 1998 mehrere Ordner dieser Dokumente an die US-Kollegen mit der dringenden Aufforderung, etwas gegen die Terrorgruppen in deren Einflussbereich zu unternehmen.
Nicolas Burns, der Sprecher des US-Außenministeriums hatte die Vorwürfe aus Havanna über eine US-Urheberschaft zuvor jedoch bereits barsch zurückgewiesen: Die kubanische Regierung solle die Anschuldigungen belegen "oder den Mund halten". Als die Beweise schließlich vorlagen, nutze das FBI sie allein, um die Informanten ausfindig zu machen. Noch im September 1998 wurden Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Antonio Guerrero, Fernando González und René González festgenommen. Die fünf Angeklagten saßen 33 Monate im Gefängnis, davon die Hälfte in Isolationshaft. "Es ist damit einer der längsten Strafverfahren in der Geschichte der USA", sagt der News Yorker Anwalt Leonard Weinglass im Telepolis-Gespräch.
Ein politisches Verfahren
Obgleich die Verteidigung im Hauptverfahren eine Reihe hochrangiger Zeugen ins Spiel brachte, deren Aussagen die Angeklagten entlasteten, wurden die fünf Männer im Sommer 2001 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Zwei von ihnen sollen Zeit ihres Lebens hinter Gitter.
Weinglass, der erst in der laufenden Berufungsverhandlung das Mandat für Antonio Guerrero übernommen hat, sieht das Verfahren gegen die fünf Männer als "einen der empörendsten Fälle politischer Justiz in der jüngeren Geschichte der USA". Die 26 Anklagepunkte, in denen die Männer für schuldig befunden wurden, hätten sich aus Ermangelung an Beweisen weitgehend auf den Vorwurf der Verschwörung gestützt.
In einem der Anklagepunkte wurde den Männern vorgeworfen, sich nicht als Agenten bei der US-Regierung akkreditiert zu haben. "In den USA haben sich ganze Jurafakultäten mit den 'Miami 5' befasst", sagt Weinglass im Telepolis-Gespräch. Alle seien sie zu dem Schluss gekommen, dass die Kubaner auf keinen Fall in Miami hätten vor Gericht gestellt werden dürfen, "weil sich die Stimmung dort wegen der großen kubanischen Exilgemeinde eindeutig gegen sie richtete". Tatsächlich wurden in einer Woche 168 Bewerber für die zwölfköpfige Jury befragt. "Das erste Mitglied der so zustande gekommenen Jury erklärte auf Nachfrage, dass er Fidel Castro für einen kommunistischen Tyrannen halte", sagte Weinglass bei einem Vortrag im April vor Mitgliedern der Berliner Anwaltskammer.
Auswirkungen hatte der Fall nicht nur innerhalb der USA. Auch die Verurteilung von 75 Regierungsgegnern in Kuba im März 2003 steht im Kontext dieser Entwicklung. Die Aktivisten waren damals wegen Landesverrates zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international haben die Art der Verfahren kritisiert und fordern die Freilassung der Männer. Die kubanische Regierung begründet ihr hartes Vorgehen jedoch mit der aggressiven Politik der US-Regierung, von der die Regierungsgegner finanziell und logistisch unterstützt wurden.
So zeigt sich, dass die unheilvolle Allianz zwischen Terrorakzeptanz und Straffreiheit für die Täter die Gewaltspirale zwischen Kuba und den USA weiter antreibt. Die Chancen für eine Deeskalation stehen mit der amtierenden Administration schlecht. Umso verheerender wirkt sich die Politik der Europäischen Union gegenüber Kuba aus. Sie ist auf Drängen der rechtskonservativen Aznar-Regierung nach den Verhaftungen Anfang 2003 auf die US-Position eingeschwenkt (Schützengrabendiplomatie). Dieser Politikwechsel bedeutet indes mehr als die verlorene Chance auf eine Vermittlerposition Europas. Die Terrorbedrohung aus den USA gegen Kuba war schließlich auch in Brüssel und Strassburg bekannt - ohne je auf offizielle Kritik zu stoßen.