Der nächste Schritt zum Überwachungsstaat
CDU/CSU und SPD haben im Vermittlungsausschuss den zuletzt zwischen den Parteien der Großen Koalition ausgehandelten Kompromiss zum neuen BKA-Gesetz beschlossen
Leichte Änderungen gab es an dem zuvor bereits im Bundestag verabschiedeten Gesetz lediglich bei der Onlinedurchsuchung. Auf Druck der SPD ist lediglich die sogenannte „Eilfall-Regelung ohne Richter“ weggefallen. Es muss also künftig doch ein Richter entscheiden.
Auf die, in den Wochen der Sitzung des Vermittlungsausschusses von verschiedenen SPD-Landesministern geforderte Aufrechterhaltung des Zeugnisverweigerungsrechts für alle in Frage kommenden Berufsgruppen verzichteten die SPD-Vertreter im Vermittlungsausschuss. Ein Ergebnis, welches einer der SPD-Verhandlungsführer, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz bereits vor zwei Wochen so favorisiert hatte. Seiner Ansicht nach ist die Abschaffung des Zeugnisverweigerungsrechts für Anwälte (die keine Strafverteidiger sind), Ärzte und Journalisten „höchst vernünftig“. In einem Telefonat mit dem Autor, Anfang Dezember, sagte Wiefelspütz sinngemäß:
Stellen Sie sich mal vor, wir hätten plötzlich fast zwei Millionen Berufsgeheimnisträger in Deutschland. Das kann doch nicht sein. Wenn ein Terrorist mit einer Schusswunde zum Arzt kommt, brauchte der nichts über dessen Verbleib zu sagen. Wo kämen wir denn da hin? Und Journalisten haben auch sonst kein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht, warum sollten wir das beim BKA-Gesetz einfügen?
Demgegenüber hatten sich verschiedene SPD-Landespolitiker deutlich für die Beibehaltung eines einheitlichen Zeugnisverweigerungsrechts – also für alle Anwälte, sowie für Ärzte und Journalisten, ausgesprochen (Das BKA als Hüter der Pressefreiheit?). Wortführer war dabei der Innenminister des von einer CDU/SPD-Koalition regierten Sachsen-Anhalt Holger Hövelmann (SPD), sowie die SPD-Regierung von Rheinland-Pfalz.
Für die Abgeordnete Ulla Jelpke ist das Ergebnis des Vermittlungsausschusses deshalb „eine Blamage für SPD“. Die SPD-Vertreter aus den Ländern hätten vor einigen Wochen zwar „die Backen aufgeblasen – herausgekommen ist jetzt nur heiße Luft", kritisierte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken.
Die angebliche Präzisierung der Kompetenzverteilung von Bund und Ländern sei nur „eine Farce“. Das BKA müsse die Länder weiterhin lediglich von seinen Plänen unterrichten. „Die nun gestrichene Eilfallregelung für Online-Durchsuchungen war technisch sowieso unsinnig. Und bei der neu eingeführten richterlichen Kontrolle der Online-Durchsuchung sei die verfahrensmäßige Ausgestaltung völlig unklar,“ so Jelpke.
Ob die Große Koalition an dem neuen BKA-Gesetz lange ihre Freude haben wird, darf bezweifelt werden. Schon deuten etwa die Grünen eine mögliche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an: BKA-Gesetz: Letzte Ausfahrt Karlsruhe. Nach Auffassung der Grünen enthält das Gesetz einige „Ungeheuerlichkeiten“. Gemeint sind damit neben dem „Zweiklassenrecht der Zeugnisverweigerungsberechtigten“ auch „die staatliche Peepshow, der Videoangriff auf die Wohnung“, und „die Einbeziehung von beliebigen Kontakt- und Begleitpersonen in die Überwachungsmaßnahmen“ gegenüber bestimmter Zielpersonen, ohne dass diese unbeteiligten Personen auch nur nachträglich darüber benachrichtigt zu werden brauchten.
Im Deutschlandradio erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, auf die Frage, ob mit dem Terrorargument hier Freiheitsrechte eingeschränkt werden:
Ja. Das ist ein rasanter Prozess. Kaum ist die eine Maßnahme beschlossen, kommt die nächste. Wir erinnern uns, dass die Klage noch anhängig ist wegen der Vorratsdatenspeicherung mit einer ähnlichen Begründung, dass die Telefongesellschaften seit 01. Januar sechs Monate lang alle Verbindungsdaten speichern müssen, auch E-Mail-Verkehr, auch fehlgeschlagene Verbindungen. Wir erleben, dass in ganz vielen Bereichen jetzt versucht wird, auch das Beobachten des Bürgers, das Auskundschaften zu zentralisieren, große Abhöreinrichtungen geschaffen werden sollen von Polizei, von Nachrichtendiensten gleichzeitig nach angloamerikanischem Vorbild. Wir haben es erlebt und mussten es erleben, dass man eine Anti-Terror-Datei geschaffen hat, wo eben auch Polizei und Geheimdienste ihre Daten zusammenwerfen und im dringenden Fall im Eilfall darauf zugreifen können, jeweils vollständig und ungeniert. Das heißt, Stück für Stück und Schritt für Schritt begeben wir uns auf den Weg in den Überwachungsstaat.
Deutliche Kritik kam auch von Seiten der FDP. Deren Innenpolitikerin Gisela Piltz sagte:
Mit dem BKA-Gesetz werden die Zeugnisverweigerungsrechte von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Ärzten, Rechtsanwälten oder Psychologen auf verfassungsmäßig höchst fragwürdige Weise eingeschränkt. Damit werden Grundsätze unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie in Frage gestellt. Pressefreiheit, Menschenwürde und das Recht auf ein faires Verfahren werden durch die Zeugnisverweigerungsrechte der Berufsgeheimnisträger geschützt.