Der nette Nazi von nebenan

Bei der ganzen Aufregung um einen NPD-Gemeindevorsteher wird vergessen, dass in den 1980er sogar ein Bürgermeister sich mit NPD-Stimmen hat wählen lassen

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Eigentlich ist die neonazistische NPD auf dem absteigenden Ast. Ihr laufen die Wähler weg. Und finanziell sieht es auch nicht gut aus, seitdem sie in keinem Landesparlament mehr sitzt. Nun macht diese Rechtspartei bundesweit Schlagzeilen, weil ein prominentes Mitglied im hessischen Altenstadt einstimmig, das heißt mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD, zum Ortsvorsteher der dortigen Waldsiedlung gewählt worden war.

Die AfD, immer auf Abgrenzung zu ihrer rechteren Konkurrenz bemüht, attestiert diesen Parteien nun ein Extremismusproblem. Noch peinlicher sind die Begründungen der Vertreter der anderen Parteien für die Wahl. Der kannte sich mit dem Internet aus, lautete eine der Begründungen. Doch auch die bundesweiten Reaktionen der Parteien ist Publicity für die NPD. Sie, die sonst immer betonen, dass Wahlen zu akzeptieren sind, fordern nun in diesem Fall, die Entscheidung ganz schnell zurück zu korrigieren.

Als sich ein CDU-Politiker mit NPD-Stimmen zum Oberbürgermeister wählen ließ

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach im Deutschlandfunk von parteiübergreifender Naivität bei dem Fall des NPD-Funktionärs und erklärte vollmundig, dass die CDU nie für einen NPD-Mann die Hand heben würde. Allerdings hatte sich ein CDU-Mitglied in Hessen mit Stimmen der NPD zum Bürgermeister von Bad Hersfeld wählen lassen. Es handelt sich um Hartmut Böhmer.

1989 machte er bundesweit Schlagzeilen, weil er sich von CDU und NPD zum Hersfelder Bürgermeister wählen ließ. Er sei von hessischen CDU-Funktionären ausdrücklich zu diesem schwarz-braunen Bündnis gedrängt worden, rechtfertigte er sich. Böhmer hatte sich in seiner langen Amtszeit die NPD-Unterstützung redlich verdient, wie das von Kathi Seewald und Timo Schadt herausgegebene Buch "Deutschlands Mitte - rechts daneben" belegt hat. In einem generellen Zutrittsverbot für Sinti und Roma in Bad Hersfeld mochte er 1983 keine Diskriminierung sehen. Und bei einem Treffen der ehemaligen Waffen-SS in Hersfeld in jenem Jahr war Böhmer Ehrengast. Einen darob empörten Bürger beschied er: "Als Privatperson kann ich Ehrengast sein, selbst wenn Ihnen das nicht gefällt. Ich nehme mir auch in Zukunft die Freiheit, in meiner Freizeit zu tun und zu lassen, was ich will."

Nicht alle sahen das so. Über 8000 Antifaschisten nahmen damals an einer Demonstration zur Verhinderung des SS-Treffens teil, die auch als "Hersfelder SS-Festspiele" bezeichnet wurden. International bekannte Schauspieler sagten ihre Teilnahme bei den Hersfelder Festspielen ab.

"Doch in Hersfeld hatten wir absolut keine Unterstützung", erinnert sich der damalige Hersfelder DGB-Vorsitzende Julius Klausmann, dem seinerzeit als Organisator eines breiten Antifa-Bündnisses gegen das SS-Treffen der geballte Hass des Hersfelder Establishments entgegengeschlagen war. Ein CDU-Stadtverordneter hatte ihn damals öffentlich "Volksschädling" genannt. In mehreren Läden Hersfelds wurde Klausmann nicht mehr bedient, anonyme Anrufer drohten ihm mit dem Tode.

Ventiliert wurde die Kampagne vom damaligen Chefredakteur der Hersfelder Zeitung, Arnold zum Winkel, der sich selbst als Wahrer des gesunden Volksempfindens bezeichnete. Die Hersfelder Zeitung handelte sich wegen ihrer NPD-freundlichen Berichterstattung eine Rüge von den IG Medien ein. Später wurde Arnold zum Winkel Herausgeber von regionalen Heimatblättern.

Böhmer war nach einer bundesweit erregt geführten Diskussion wegen seiner Wahl mit NPD-Stimmen übrigens knapp einen Monat später von der Hersfelder Stadtverordnetenversammlung auch mit den Stimmen der CDU wieder abgewählt worden. Nur die NPD lehnte die Abwahl ab. worden. Als Parteiloser wurde Böhmer dann wieder in das Amt gewählt. Es wird sich zeigen, ob sich ein ähnliches Szenario nun auch in der Waldsiedlung von Altenstadt wiederholt.

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