Der partielle Abschied der Asean-Staaten vom Dollar

Dollar, Erdkugel, Smartphnne mit QR-Code

Der US-Dollar verliert an Bedeutung in Südostasien. Asean-Staaten wollen im Handel untereinander künftig lokale Währungen nutzen. Was bedeutet diese Entwicklung?

De-Dollarisierung ist zum Schlagwort in der antiwestlichen Koalition geworden, die von den Brics-Staaten angeführt wird. Die Asean, ein ökonomischer Block aus zehn Ländern Südostasiens, sind nun auf diesen Zug aufgesprungen.

Im Mai 2023 haben ihre Regierungschefs auf einem Gipfeltreffen in Indonesien beschlossen, für die Abwicklung des Handels innerhalb des Blocks in Zukunft weniger vom US-Dollar und dafür mehr von lokalen Währungen Gebrauch zu machen.

Neuere Entwicklungen im Bereich der finanziellen Technologie (Fintech) erlauben den Asean-Staaten, alternative Wege bei der Behandlung internationaler Geldtransfers einzuschlagen und sie damit weniger abhängig vom US-Dollar zu machen.

Was bedeutet dieser Schritt für die Ökonomien der Asean-Mitglieder, was genau hat sie dazu bewogen, und wie ist diese Entwicklung politisch zu werten?

Ralf Havertz
Ralf Havertz

Die Asean wurde 1967 von den fünf südostasiatischen Staaten Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand als politischer und wirtschaftlicher Block gegründet. Mittlerweile ist der Staatenbund auf zehn Mitglieder (plus Brunei, Kambodscha, Laos, Myanmar, Vietnam) mit insgesamt über 600 Millionen Einwohnern angewachsen.

Das Bruttosozialprodukt (BSP) für die gesamte Region lag 2022 bei 3.670 Milliarden US-Dollar und damit etwas höher als das BSP Frankreichs. Für die langfristige Zukunft wird dem Block ein weiterhin starkes Wachstumspotenzial bescheinigt. Einschätzungen der Boston Consulting Group zufolge können die Asean-Staaten bis Mitte des Jahrhunderts mit einem BSP von über 20.000 Milliarden US-Dollar rechnen.

Der interne Handel in der Region ist in den vergangenen Jahren dank des Freihandelsabkommens von 1992 deutlich gestiegen. Doch macht er bisher nur etwa 20 Prozent des internationalen Handels der Asean-Staaten aus.

Politisch handelt es sich um einen sehr diversen Block mit vielen Gegensätzen. Von der Monarchie über die sozialistische Diktatur und die liberale Demokratie bis hin zur rechten Militärdiktatur sind hier alle politischen Systeme vertreten, was die interne politische Kooperation erschwert.

De-Dollarisierung?

De-Dollarisierung kann viele unterschiedliche Formen annehmen. Im Handel zwischen Staaten läuft eine De-Dollarisierung auf den Verzicht der beteiligten Parteien auf den Dollar beim Tausch von Waren gegen Geld hinaus.

Wo der Dollar für solchen Tausch nicht genutzt wird, muss der Handel auf andere Währungen umsteigen. China und Russland führen die Bewegung zur De-Dollarisierung an. Die ersten Schritte in diese Richtung haben sie bereits 2014 unternommen.

Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen Russland haben sich die beiden Staaten 2023 darauf geeinigt, im bilateralen Handel auf den Dollar ganz zu verzichten. Der russische Handel mit China wird nun vorwiegend mit dem chinesischen Yuan abgewickelt.

Im April 2024 vermeldete der russische Außenminister Sergei Lawrow, dass der gegenseitige Handel zwischen Russland und China komplett de-dollarisiert worden sei.1 Auf einem Treffen der Brics-Staaten in Südafrika hat der brasilianische Präsident Lula da Silva im letzten Jahr zudem die Einführung einer gemeinsamen Handelswährung für diese Länder ins Spiel gebracht.

Diese Entwicklung steckt aber noch in den Kinderschuhen. Der jetzt von den Asean-Staaten unternommene Schritt zur De-Dollarisierung muss in diesem Zusammenhang betrachtet werden.

Unter De-Dollarisierung kann man auch den verminderten Gebrauch des Dollars als Währungsreserve verstehen. Nach der asiatischen Finanzkrise der Jahre 1997/1998, von der die Ökonomien der meisten Asean-Staaten negativ beeinflusst gewesen sind, haben viele dieser Staaten ihre Währungsreserven um beträchtliche Milliardenbeträge aufgestockt.

Der Großteil dieser Währungsreserven ist in US-Dollar gehalten worden. Der Anteil des Dollars in diesen Reserven liegt durchgängig über dem globalen Durchschnittswert von 58,4 Prozent. Über die letzten 30 Jahre hat hier also eher eine Dollarisierung stattgefunden.

Auch die jüngsten globalen politisch-ökonomischen Verwerfungen haben unter den Asean-Staaten nicht zu einer Reaktion gegen den Dollar als Währungsreserve geführt. Einige wenige Staaten in der Region haben den Dollaranteil in ihren Währungsreserven im letzten Jahr leicht reduziert, andere ihn leicht erhöht.

Es hat diesbezüglich weder eine einheitliche Entwicklung noch signifikante Veränderungen gegeben. Wenn es hier Reduktionen von Dollarreserven gegeben hat, dann eher, um Mittel für den Kampf gegen die Covid-19-Pandemie bereitzustellen und ihre wirtschaftlichen Folgen zu bewältigen.

Der Begriff De-Dollarisierung kann sich weiterhin auf den internationalen Zahlungsverkehr zwischen Finanzinstitutionen beziehen. Viele dieser Transaktionen machen vom US-Dollar Gebrauch, insbesondere Transfers, die über das Swift-System abgewickelt werden (Swift steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, ist im belgischen La Hulpe bei Brüssel ansässig und wird von einem internationalen Konsortium privater Kreditinstitute getragen).

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Ein beträchtlicher Teil des globalen Handels wird in US-Dollar abgerechnet, wobei das Swift-Netzwerk genutzt wird. Der Dollar wurde im Jahre 2023 laut Statista für 46,5 Prozent aller Swift-Transaktionen verwendet.

Im internationalen Devisenhandel war der Dollar in mehr als 88 Prozent aller Vorgänge involviert. Das Swift-Netzwerk spielt darüber hinaus auch beim Clearing finanzieller Forderungen, die aus allen möglichen Geschäften entstehen können, eine bedeutende Rolle.

De-Dollarisierung würde in diesem Zusammenhang die Nutzung von alternativen Zahlungsmechanismen bezeichnen, die im Vergleich zu Swift deutlich weniger oder gar nicht auf den US-Dollar aufbauen.

De-Dollarisierung in Südostasien

Auf ihrem Gipfel in Labuan Bajo, Indonesien, der am 10. bis 11. Mai 2023 stattfand, haben sich die Regierungschefs der Asean-Staaten darauf geeinigt, den regionalen Zahlungsverkehr zu verbessern und künftig internationale Transaktionen in lokaler Währung stärker zu fördern. Dies betrifft insbesondere den Handel zwischen den Asean-Staaten.

Viele der Geschäfte zwischen den Mitgliedstaaten der Asean werden zurzeit noch über das Swift-Netzwerk abgewickelt, wobei der US-Dollar häufig als Zwischenwährung dient. D. h. die Währung des Landes, aus dem die Zahlung kommt, wird zunächst in den Dollar gewechselt und dieser wird dann in einem zweiten Schritt in die Währung des Empfängerlandes umgetauscht.

Diese Praxis soll die Handelnden vor den Risiken schützen, die eine direkte Nutzung der eigenen Währung für sie mit sich bringen könnte. Dabei ist vornehmlich an Kursschwankungen zu denken, die bei kleineren Währungen häufiger anzutreffen sind als bei großen.

Die Zwischenschaltung von Währungen wie dem US-Dollar (oder Euro) soll sie vor den Auswirkungen abrupter Kursveränderungen der eigenen Währung oder der Währung im Partnerland schützen. Zwar gibt es auch beim US-Dollar Kursschwankungen, doch ist weniger mit abrupten Auf- oder Abwärtsbewegungen des Kurses zu rechnen.

Die Asean-Staaten wollen sich nun schrittweise von herkömmlichen Zahlungssystemen verabschieden und für internationale Zahlungen innerhalb des Wirtschaftsblocks zukünftig häufiger von lokalen Währungen Gebrauch machen. Dafür haben sie bereits eine neue digitale, auf QR-Codes basierende Infrastruktur geschaffen, die eine reibungslose Abwicklung solcher Zahlungen gewährleisten soll.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass sich diese Staaten nicht etwa auf den Ersatz des Dollars durch eine andere Währung als Zwischenwährung geeinigt haben – der chinesische Yuan wäre dafür ein denkbarer Kandidat gewesen –, sondern auf den direkten Tausch zwischen einzelnen lokalen Währungen ohne Vermittlung durch eine Drittwährung.

Ein wichtiger Baustein in der angestrebten partiellen De-Dollarisierung der Asean-Staaten ist die grenzüberschreitende Nutzung von E-Wallets und QR-Codes für alle möglichen Zahlungen. Solche Zahlungsmethoden haben in Südostasien in den vergangenen Jahren eine schnelle Verbreitung gefunden.

Doch waren sie bis zum letzten Jahr auf die Zahlung in einzelnen Ländern beschränkt, wo die jeweiligen Zentralbanken eine Infrastruktur für die Zahlung per E-Wallet in Echtzeit eingerichtet haben. Diese nationalen Netzwerke sind nun innerhalb der Asean-Staaten über die Grenzen der einzelnen Staaten hinaus miteinander verbunden worden.

Vorteile für Kunden und Händler

Für die Nutzer:innen dieses QR-Code-Systems bieten sich eine ganze Reihe von Vorteilen gegenüber den herkömmlichen Zahlungs- und Wechselsystemen.

Die Transaktionskosten verringern sich deutlich, da der Tausch in eine Zwischenwährung und die damit normalerweise anfallenden Kosten wegfallen. Ausländische Kund:innen oder Geschäftspartner:innen, die in einem Asean-Land für eine Leistung bezahlen wollen, können es sich zukünftig sparen, in Kreditinstituten oder Wechselstuben ihre ausländische Währung gegen die heimische Währung einzutauschen.

Mit dem neuen Zahlungsverfahren werden Gebührenkosten deutlich minimiert. Auch im Vergleich zur Zahlung mit Kreditkarten erweist sich das QR-System als vorteilhaft, da es eine Vermeidung der von Kreditkarteninstituten verlangten Gebühren erlaubt, mit denen bei geschäftlichen Transaktionen häufig die Empfänger von Zahlungen belastet werden.

Die Einrichtung von Zahlungssystemen für QR-Codes ist für Händler relativ einfach zu handhaben. Es gibt in den Ländern Südostasiens inzwischen kaum eine Ware oder Leistung, die nicht mit QR-Code bezahlt werden kann.

Diese Codes kommen bei gewöhnlichen Einkäufen und bei der Bezahlung von Fahrdiensten genauso zum Einsatz wie im grenzüberschreitenden E-Commerce. Ein direkter persönlicher Kontakt zwischen Kaufenden und Verkaufenden ist für die Abwicklung einer solchen über die Landesgrenzen reichenden Transaktion nicht notwendig.

Die Motive für die Einrichtung dieses Zahlungssystems sind vorwiegend wirtschaftlicher Natur. Die Asean-Staaten erhoffen sich davon einen Anschub der Konjunktur in der Region. Die Erleichterung der grenzüberschreitenden Zahlung soll das Volumen des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten der Asean erhöhen, das Reisen vereinfachen und damit auch dem Tourismus innerhalb des Blocks Auftrieb verleihen.

Von der Ausschaltung von Zwischenwährungen für den internationalen Zahlungsverkehr innerhalb der Asean und der erwarteten Zunahme der Nutzung lokaler Währungen erhoffen sich die Asean-Staaten aber auch eine Stärkung ihrer Währungen und einen langfristigen Beitrag zu deren Stabilisierung.

Dieser Schritt hat zweifelsohne aber auch politische Gründe. Die Länder in der Region wollen damit ihre Abhängigkeit vom US-Dollar und die damit einhergehenden Möglichkeiten zur Ausübung politischen Drucks reduzieren.

Die Sanktionen des Westens gegen Russland, die auf einen Ausschluss der Kreditinstitute des Landes vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift hinausgelaufen sind (einem anfänglichen Teilausschluss folgte der Rückzug Russlands aus dem System), haben den Ländern Südostasiens gezeigt, wie verwundbar sie als Teilnehmende an diesem Netzwerk sind.

Wenn es so einfach ist, ein Land wie Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden, dürfte es kaum schwieriger sein, ein Land dieser südostasiatischen Region davon abzutrennen.

Mit der Vernetzung der Zentralbanken in der Region und der Nutzung von QR-Codes und E-Wallets für grenzüberschreitende Zahlungen haben die Asean-Staaten eine interessante Alternative zu herkömmlichen Zahlungsmethoden geschaffen.

Sie könnte beispielgebend für andere periphere Regionen der Welt werden. In einem nächsten Schritt planen die Asean-Staaten die Zahlung mit QR-Codes auch für Personen aus Drittländern zu ermöglichen.

Das würde das südostasiatische Zahlungsnetzwerk über seine regionalen Grenzen hinaus mit der Welt verbinden und damit zur weiteren Erosion der Stellung des US-Dollars als internationale Leitwährung beitragen.

Fazit

Der US-Dollar spielt nach wie vor als Reservewährung eine wichtige Rolle für die Asean-Staaten. Die Bewegung hin zur De-Dollarisierung betrifft in dieser Region gegenwärtig hauptsächlich den grenzüberschreitenden Handel und Devisengeschäfte.

Neuere Fintech-Entwicklungen, wie E-Wallets und QR-Codes, ermöglichen es diesen Ländern, internationale Geldtransfers ohne eine Zwischenschaltung des US-Dollars durchzuführen. Diese Neuerungen sollen den internen Handel stärken und die Abhängigkeit von traditionellen Zahlungssystemen wie Swift und der globalen Leitwährung US-Dollar verringern.

Indem sie die Verwundbarkeit gegenüber internationalen Sanktionen und finanziellem Druck mindern, könnten sie langfristig auch die Stabilität der lokalen Währungen stärken und die politische Unabhängigkeit der Asean-Staaten fördern.

Prof. Dr. Ralf Havertz geb. 1965, Politikwissenschaftler, Keimyung University, Daegu, Südkorea, Senior Research Fellow des WeltTrends-Instituts für Internationale Politik rhavertz[at]gmail.com

Cover

Der Artikel erschien zuerst in der neuesten Ausgabe von WeltTrends – Nr. 201: Revolte des Globalen Südens