Der syrische Krieg rückt Israel immer näher
Nach Kämpfen an der Waffenstillstandslinie zieht Österreich seine Blauhelme ab, es wird für Israel schwierig, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, in den es eigentlich schon direkt verwickelt ist
In der Türkei stärkt Regierungschef Erdogan unbeeindruckt von den landesweiten Protesten gegen seine Politik weiter den Türkischen Frühling, indem er seine Bauprojekte weiter durchsetzen will und die Protestierer in die Ecke von Terroristen stellt. Sprecher der ähnlich die Empörten in Spanien und Portugal unorganisierten Taksim-Bewegung hatten die Regierung auch aufgefordert, von ihrem Kriegskurs abzuweichen. Erdogan hat sich von Anfang an auf die Seite der syrischen Opposition gegen Assad gestellt, dessen Rücktritt gefordert und versucht, Stimmung für eine Intervention, beispielsweise für einen humanitären Korridor oder eine Flugverbotszone, zu machen. Mit den Protesten im Land dürfte diese harte Linie für ihn auch schwieriger werden.
In Syrien haben die Regierungstruppen mit der Hilfe der Hisbollah Erfolg erzielt, wodurch allerdings auch die Spannung im Libanon wächst und wieder Raketen auf Hisbollah-Gebiet abgeschossen wurden. In Tripoli sind zwischen Sunniten und schiitischen Hisbollah-Anhängern Kämpfe ausgebrochen.
Und es haben Kämpfe an den Golan-Höhen in der Nähe des Kontrollposten Kuneitra und in der gleichnamigen Stadt stattgefunden. Hier verläuft auch die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien, die von der UN-Mission UNDOF kontrolliert. Durch die Kämpfe wurden zwei Blauhelm-Soldaten verletzt. Nach Israel flogen einige Granaten. Österreich wird aufgrund der "inakzeptablen" Gefährdung der Soldaten seine 377 Blauhelme (von insgesamt noch verbliebenen 911) schnellstmöglich abziehen. Es waren schon einige Blauhelme von syrischen Rebellen zeitweise entführt worden. Das dürfte die Mission im Kern treffen. Schon zuvor hatten Kroatien und Japan die Soldaten abgezogen, jetzt sind noch indische und philippinische Soldaten an der Waffenstillstandslinie. Wie lange sie bleiben werden, ist ungewiss. Sollten auch sie abgezogen werden, ist der letzte Puffer zwischen Israel und Syrien gefallen. Sowohl islamistische Rebellen als auch das Assad-Regime und die Hisbollah sind daran interessiert, Israel in den Konflikt hineinzuziehen. Bislang hatte sich Israel einigermaßen zurückgehalten. Zwar wurde mit militärischer Intervention gedroht, wenn Chemiewaffen eingesetzt werden oder in falsche Hände geraten, und das Militär hat bei Granateinschlägen auch schon zurückgeschossen, vor allem syrische Ziele bombardiert, weil hier angeblich Waffen an die Hisbollah geliefert werden. Hisbollah und das Assad-Regime rechtfertigen den Krieg gegen die Rebellen als Kampf gegen Israel, das diese unterstützt, während die Rebellen versuchen, möglichst Distanz zu Israel zu wahren, islamistische Rebellen, die al-Qaida nahestehen, dürften aber auch versucht sein, Israel anzugreifen, um sich in der arabischen Welt zu legitimieren.
Kein Wunder, dass in Israel große Sorge herrscht, als zunächst Rebellen den Kontrollpunkt einnahmen, die dann angeblich von syrischen Soldaten wieder vertrieben wurden. Israel hat das Gebiet zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Es sind auch wieder drei Granaten eingeschlagen, allerdings ohne Schaden anzurichten. Israel versucht sich auch damit aus dem innersyrischen Konflikt herauszuhalten, was durch die in Syrien kämpfende Hisbollah aber kaum mehr möglich ist, indem es seine Grenzen weiter vor syrischen Flüchtlingen dicht macht. So gewährte man zwar kurzzeitig einigen Syrern, die vor den Kämpfen geflohen waren, Schutzräume, schickte sie aber möglichst schnell wieder zurück, nachdem angeblich die Situation wieder sicher war. Humanitär ist das nicht, nur Taktik und Eigeninteresse.
Die Situation scheint aber noch nicht klar zu sein, angeblich haben Rebellen am Abend einen Gegenangriff gestartet. Israel hat sich bei den Vereinten Nationen beschwert, dass syrische Soldaten und Panzer in die demilitarisierte Zone eindringen. Bei der UN versucht man verzweifelt, einen Ersatz für die österreichischen Blauhelme zu finden. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon äußerte die Sorge, dass die Region immer instabiler werde. Das wird sie auch, und es scheint derzeit kein Mittel, keine Möglichkeit und kein Interesse zu bestehen, eine Lösung zu finden, solange Entscheidungen im UN-Sicherheitsrat nicht möglich sind.