Der unaufhaltsame Abstieg des Senators McCarthy
Als der Kommunistenjäger selbst zum Gejagten wurde
Senator McCarthy machte in den 50er-Jahren aus den USA einen Überwachungs- und Denunzianten-Staat, da er eine Vision vom alles zersetzenden Kommunismus proklamierte. Viele prominente Schauspieler und Wissenschaftler landeten meist völlig zu Unrecht auf seinen schwarzen Listen. Immer weiterreichende Übergriffe beendeten die Laufbahn McCarthys, der kurz darauf an Leberzirrhose starb und einer sehr dunklen Zeit der US-Geschichte seinen Namen aufprägte.
Eine Arte-Dokumentation gibt einen kurzen Überblick über das innen- und außenpolitische Umfeld des als Kommunistenjäger bekannt gewordenen amerikanischen Senators Joseph McCarthy. Der Hauptteil des Films beschäftigt sich mit dem Fall McCarthy, der damit begann, dass der Senator seine Jagd auf Spione und Andersdenkende auf die Armee auszudehnen versuchte und dabei auf machtvollen Widerstand traf.
Auf Betreiben Senator Joseph McCarthys erreichte die Kommunistenjagd in den USA in den Jahren 1950 bis 1954 einen Höhepunkt. Während anderswo der 1. Mai mit Paraden zum Tag der Arbeit gefeiert wurde, gab es in den USA an diesem Tag Paraden zum Kampf gegen den Kommunismus. Hollywood wird auf „antiamerikanische Umtriebe“ durchleuchtet, Humphrey Bogart, Lauren Bacall und besonders Charlie Chaplin gehören zu den bekanntesten Opfern, der damalige Schauspieler und spätere US-Präsident Ronald Reagan und der Regisseur Elia Kazan zu den Tätern. Doch die nach Joseph McCarthy benannte McCarthy-Ära der hysterischen Kommunistenhatz dauerte tatsächlich von 1948 bis etwa 1956.
Die Gefahr, die vom Kommunismus auszugehen schien, rechtfertigte in den Augen vieler Politiker extreme, ja sogar illegale Methoden der Beobachtung und Verfolgung von Personen, die der Spionage verdächtigt wurden, und die bestimmter Personengruppen wie der Bundesangestellten. Postzensur und Abhörmaßnahmen werden zum Alltag. Im State Department werden 31 Beamte, deren Post abgefangen wurde, der Homosexualität beschuldigt und entlassen. Amerika tritt in ein Zeitalter der Inquisition ein. 26.000 Angestellte der amerikanischen Bundebehörden werden durchleuchtet, 7000 quittieren den Dienst und 739 werden entlassen.
Am 25. Juni 1950 marschiert Nordkorea in Südkorea ein. Während der Koreakrieg, in den die USA eingriffen, um gegen den Kommunismus anzukämpfen, auch im eigenen Land den Vorwand für die Intensivierung der Kommunistenverfolgung lieferte, trat der republikanische Senator Joseph McCarthy aus Wisconsin mit antikommunistischen Reden verstärkt medienwirksam in die Öffentlichkeit. Dabei wurde er unter anderem vom kalifornischen Abgeordneten und späteren US-Präsidenten Richard Nixon unterstützt.
Sein Einfluss und seine Macht waren groß, auch wenn er nicht der einzige Kommunistenjäger war und Organisationen wie die HUAC (House on Un-American Activities Committee – Komitee für unamerikanische Aktivitäten), die heute mit seinem Namen verbunden sind, bereits Jahre vorher gegen Unterwanderung durch die deutschen Nazis gegründet worden waren und nicht gegen die Kommunisten.
Als McCarthy sich – von Hass und Verfolgungswahn getrieben – 1953 daran machte, die Armee auf kommunistische Aktivitäten hin zu durchleuchten, stieß er auf starken Widerstand. Vom 22. April bis 24. Mai 1954 untersuchte ein Ausschuss 36 Tage lang die Vorwürfe von Senator McCarthy gegen die Armee. Dieses so genannte Army/McCarthy-Hearing wurde vom amerikanischen Fernsehen live übertragen, mit einer heute unvorstellbar hohen Quote von 20 Millionen Zuschauern.
Das Hearing entlarvte McCarthy als Hexenjäger. US-Präsident Dwight D. Eisenhower verbietet, dass Militärangehörige weiter in den Hearings aussagen. FBI-Chef J. Edgar Hoover distanziert sich ebenfalls von McCarthy. Im Dezember 1954 sprach ihm der Senat sein Misstrauen aus. Am 2. Mai 1957 starb McCarthy an den Folgen des Alkoholismus.
Die Archivaufnahmen zeigen außerdem immer wieder einen gut aussehenden jungen Beamten im Hintergrund, der Stabsmitglied der Demokraten im Ausschuss ist. Dieser junge Mann ist der spätere Senator Robert Kennedy.
Grimme-Preisträger William Karel drehte für Arte bereits CIA, Wer regiert im Weißen Haus? und den sehenswerten Kubrick, Nixon und der Mann im Mond, der zeigt, wie leicht sich mit Originaldokumenten auch die obskurste Verschwörungstheorie beweisen lässt. In seiner neuen Dokumentation stützt er sich vor allem auf den berühmten Film Point of Order des unabhängigen US-Filmemachers Emile de Antonio, der 1964 die 188 Stunden Fernsehaufzeichnung von Anhörungen Verdächtiger zu einem 97-Minuten-Kinofilm verarbeitete. Der zeitliche Abstand macht es heute jedoch möglich, das damalige Geschehen aus der Distanz in einen größeren historischen Zusammenhang zu stellen und sein Fortwirken zu beleuchten.
Der unaufhaltsame Abstieg des Senators McCarthy , Dokumentation, Regie: William Karel, Arte France, Frankreich 2004, 52 Minuten.
Deutsche Erstausstrahlung Arte TV, Mittwoch, den 19. Oktober 2005, 20.45 Uhr, Wiederholung: Freitag, den 21. Oktober 2005 um 16.40 Uhr