Der viehische Krieg

Bilder vom unsichtbaren Krieg und "Warporn"

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Anfang dieser Woche hat der amerikanische Präsident seinen Urlaub unterbrochen, um einen für ihn außergewöhnlichen und kurzen Blick auf die dunkle Seite seiner großen Mission zu werfen. Er nannte öffentlich die Zahl der amerikanischen Soldaten, die bis dato im Irak und in Afghanistan gefallen sind: Eine sorgsam überlegte Konzession an die Kriegsgegner, die ihm mit neuem Mut (vgl. Der "Cindy"-Faktor) und gewachsener Anhängerschar vorwerfen, dass er sich den Opfern der von ihm zu verantwortenden Kriege gegenüber gleichgültig verhalte.

Noch hat er keine Beerdigung eines Gefallenen besucht; es macht sich nach Auffassung der Berater von George W.Bush anscheinend nicht gut, wenn der Präsident mit einem solchem Besuch auf die leidvolle Seite des Krieges aufmerksam macht. Jeder Krieg fordert Tote, Verluste, die nicht wieder gut zu machen sind. Und er richtet Entsetzliches in den Menschen an, die in den Krieg hineingezogen werden. Diese Wahrheit war noch nie billig zu haben.

"The Unseen War"

"Der Krieg ist die Hölle." Keiner, der bei diesem Satz nicht zustimmend nickte; allein es macht einen phänomenalen Unterschied, ob man diese Einsicht, die schon lange zur Allerweltsweisheit heruntergekommen ist und noch keine Nation davon abgehalten hat, Kriege zu führen, nur mit Erzählungen und Argumenten unterlegt oder mit Bildern: "Ein Bild wiegt tausend Worte auf" - eine andere Allerweltsweisheit, die besonders für den Krieg gilt. Man sich kann dem schnellen emotionalen Effekt von Bildern weniger erwehren als dem von Worten, deren Wirkung einen längeren Atem benötigen. Kein anderes Mittel als Bilder eignet sich besser für Propaganda - alles bekannt. Es gibt wenig Neues, was der Diskussion über "Images of War" hinzuzufügen wäre; außer vielleicht außerhalb der Medien, etwa von Theologen, die sich mit dem Bilderverbot und Wahrheitsmöglichkeiten von Bildern beschäftigen, vorstellbar zumindest, dass diese Einsichten beizusteuern hätten, die neue Dimensionen in der Debatte um den Wahrheitsgehalt von Bildern und deren Wirkung eröffnen könnten.

Jetzt hat sich das amerikanische Online Magazin Salon.com dazu entschlossen, eine Serie von schwer verdaulichen Bildern aus dem Irak-Krieg zu veröffentlichen. In dem dazu gehörigen Begleitartikel The Unseen War werden die Argumente für die Veröffentlichung der Bilder von toten und verletzten Kindern, Soldaten, Guerillas und Selbstmordattentätern vorgestellt.

Es sind keine neuen Argumente, was auch nicht nötig ist, da der Skandal, dem die Salon-Redaktion die Bilder entgegenhalten will, auch kein neuer ist; aber der Blick, den sie auf den Krieg werfen, scheint - zumindest im Bewußtsein der amerikanischen Öffentlichkeit - verloren gegangen zu sein: der Blick auf die erbarmungslose Realität des Krieges. Dass die Regierung alle möglichen Anstrengungen unternimmt, solche Bilder von der Öffentlichkeit fernzuhalten, versteht sich. Zumal die unbedingte Unterstützung des Irak-Feldzuges auch in Amerika nicht garantiert ist, und sich die Rechtfertigungen für den Waffengang eine nach der anderen entweder als Lüge oder als falsche Annahmen herausstellen. Allzu oft vergessen würde aber, so dass amerikanische Magazin, dass auch die amerikanischen Medien eine große Verantwortung bei der Verharmlosung des Irak-Krieges hätten.

Auch die Medien sind dafür verantwortlich, den Krieg im Irak sauberer zu machen, manchmal ist die Berichterstattung derart, dass er beinahe völlig unsichtbar bleibt.

Die meisten amerikanischen Publikationen würden keine deutlichen Kriegsbilder zeigen wollen. Es gebe so gut wie keine Bilder von den über 1800 amerikanischen Soldaten, die bislang im Irak-Krieg gefallen sind. Im Mai dieses Jahres habe die Los Angeles Times sechs große Zeitungen und zwei führende Nachrichtenmagazine daraufhin untersucht und festgestellt, dass in einem Zeitraum von sechs Monaten kein Bild von einem toten amerikanischen Soldaten in der New York Times, im St. Louis Post-Dispatch, im Atlanta Journal-Constitution, in der Time oder Newsweek erschienen ist. Ein einziges Bild von einem bedeckten, toten Amerikaner sei in der Seattle Times veröffentlicht worden. Das Tabu gilt scheinbar nicht für die Iraker. Fotos von toten oder verwundeten Irakern seien schon veröffentlicht worden, wenn auch nicht in großer Zahl.

Es sind nicht nur politische Gründe, die Salon.com für das Fehlen von Bildern anführt: es gebe nur wenige Fotografen im Irak und die meisten seien "eingebettet", Truppenbegleiter. Da sie mit den Soldaten in einer besonderen Beziehung stünden und diese es nicht leiden mögen, wenn Fotos von ihren verwundeten oder getöteten Kameraden und Freunden gemacht würden, gebe es auch hier eine - wenn auch nachvollziehbare - Art von Zensur.

Auch das Motiv der Presse-Herausgeber und -verleger sei nicht nur politisch. Zwar gerieten sie bei Veröffentlichung drastischer Aufnahmen auch in den Verdacht konservativer Gruppen, der "voreingenommenen" Sichtweise des Antikriegslagers nahe zu stehen. Aber die Fotos werden oft auch aus "geschmacklichen Gründen" nicht veröffentlicht. Dass man keine Werbeanzeigen-Kunden verschrecken gehört wohl auch in diesen Zusammenhang.

Bilder von toten Irakern für Amateur-Pornos

Dass es nur wenig professionelle Fotographen im Irak gibt, mag stimmen, dass es deswegen nur wenig Fotomaterial über die brutale, entsetzliche Seite des Krieges gibt, stimmt ganz sicher nicht. Auch hier war schon oft die Rede davon (vgl. Rekrutierung für den Krieg?), dass die amerikanischen Soldaten, die im Irak-Krieg kämpfen, nicht nur mit modernen Kriegsgerätschaften ausgerüstet sind, sondern sich auch modernster Kommunikationsmöglichkeiten und anderer moderner Apparte bedienen können: Kamerahandies, Digitalkameras, Internet.

Schon der Abu-Ghuraib-Skandal hat gezeigt, dass amerikanische Soldaten nicht nur Landschaftsfotos machen und nach Hause schicken. Immer wieder kursieren im Netz Bilder und Videos offensichtlich von Soldaten, die sie bei Einsätzen zeigen, bzw. Verwundete und Tote. Auch wenn Verteidigungsminister Rumsfeld eine Order erlassen hat, wonach die Verbreitung der Bilder von Fotohandies und Digital-Kameras stark eingeschränkt ist (vgl. Die Digitalkameras sind immer dabei), existiert die Order gleichwohl nur auf dem Papier, schreibt eine Bloggerin, die auf eine Titel-Geschichte der italienischen Zeitung "La Republicca" (im Orginal zu lesen auch in der "Corriere della Sierra") aufmerksam geworden ist.

Marines über der verkohlten Leiche eines Irakers

Demnach laden US-Soldaten äußerst deutliche "Hard-Core"-Bilder von verbrannten und verstümmelten Körpern ihrer getöteten Feinde im Irak und Afghanistan auf eine Website, die ihnen im Austausch für diese Bilder Zugang zu ihren Amateur-"Hard-Core"-Porno-Bilder-Forum gewährt: "Tit for Tat: Cooked Iraqi for Free Pornography" nennt dies ein anderer Blogger, der darauf hinweist, dass die entsprechende Website von Amsterdam aus betrieben wird und dort gegen kein Gesetz verstößt.

Die Hölle, das sind nicht allein die Bilder, so die Bloggerin namens "Nur-al-Cubicle"; der nächste Kreis der Hölle erschließe sich, wenn man zu den Bild-Kommentaren hinabsteige, zynische und obszöne Variationen des Brutalo-Dumpfsinn-Satzes "The only good Iraqi is a dead Iraqi." Und dazu ein ständig laufendes "Quizspiel":"What body part is this?"

Der Krieg ist die Hölle.