"Deutsche Medien verspotten Polen"
Reaktionen auf Telepolis-Artikel über "Polnische Zonen" im Urlaub
Mein Beitrag "Erfolgsrezept: Polnische Zonen am Mittelmeer" hat in Polen zumindest online heftige Reaktionen hervorgerufen, zumeist negative. In dem Text griff ich angesichts der politischen Isolierungstendenzen ein Urlaubskonzept der polnischen Reisefirma "Rainbow" auf, das ebenfalls ein isolationistisches ist: die "Polnischen Zonen" in einigen Hotels am Mittelmeer.
Viele Portale von Zeitungen und Zeitschriften begannen mit der Titelzeile "Deutsche Medien verspotten Polen". Dabei wurde unterstellt, dass sich ein deutsches Kollektiv über das Urlaubsverhalten der Polen lustig machte. In den Foren, teils gab es über 1000 Postings, wurde recht aggressiv reagiert.
Angespielt wurde in den Foren auf die deutschen Zonen im besetzten Polen, auf die besoffenen Deutschen in Mallorca und die "arabischen Zonen", die es in Deutschland gebe. Empörung rief auch meine Erwähnung von "Kotlet Schabowy", Disco Polo und mangelhafter Englischkenntnisse mancher Polen hervor. Dabei machte der Reiseveranstalter gerade mit besagtem Schnitzel ironische Werbung und erwähnte auch die Unsicherheit polnischer Gäste, die es aufgrund der Kommunikationsprobleme bislang nicht wagten, eine solche Auslandsreise zu buchen. Teils wurde mein Text in den Portalen auch inhaltlich verändert.
Warum wird ein eher nebensächlicher Artikel so relativ heiß aufgenommen? In Polens Medien existiert seit langem ein nicht offiziell definiertes Ressort mit dem Namen "Was sagt das Ausland über uns?" Sprüche und Aussagen, die in polnischen Medien zu hören oder zu lesen sind, gewinnen erst an wirklicher Brisanz, wenn sie von ausländischen Beobachtern aufgegriffen und dann wiederum erneut von den polnischen Medien repetiert werden, die die Berichte als Angriff oder zumindest Kritik verstehen. Teils nutzen dies liberale Medien als Bestätigung ihrer Kritik an rechten Politikern, wie rechte Medien ihnen genehme internationale Berichte aufspießen, um liberale Politiker zu diskreditieren.
Dass Texte der internationalen Presse, die in Polen als beleidigend oder kränkend aufgefasst werden, politische Folgen nach sich ziehen können, zeigte bereits der "Kartoffel-Skandal" aus dem Jahre 2006. Die taz hatte den damaligen Staatspräsident Lech Kaczynski grob karikiert. Da die Bundesregierung keine Maßnahmen gegen die Zeitung ergriff, sagte Kaczynski ein Treffen mit Jacques Chirac und Angela Merkel ab.
Dass Politik und Journalismus untrennbar verbunden zu sein scheinen, kommt aus der Ostblockrealität. Wie in allen sozialistischen Staaten war der Beruf des Journalisten in Polen "politisch engagierter" als in Westeuropa, zumindest offener in diesem Engagement. In den 1980er Jahren, als die Solidarność-Bewegung um politische Mitbestimmung kämpfte, war der Beruf Journalist und Politiker eigentlich ein und dasselbe. Bis heute ist die politische Parteinahme unter Medienschaffenden stark ausgeprägt. "Ich bin ein Journalist von dieser Seite", hört man im Gespräch mit polnischen Journalisten nicht selten.
Darum wird ein eher vorsichtig geschriebener Text als einseitig wahrgenommen, bei einem deutschen Autor zweimal so kritisch hingeschaut. Dies zum einen aufgrund der schwierigen Vergangenheit der beiden Nachbarländer, zum anderen, da die deutschen Medien bei den polnischen Rechten als Verbündete der ehemaligen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) gelten.
Im besagten Fall kommt hinzu, dass Polen oft als Billigland angesehen wird und sich viele Polen im Ausland als Menschen zweiter Klasse behandelt fühlen. Ausländische Kolportagen über weniger begüterte Urlauber aus Polen stoßen so immer auf Empfindlichkeiten und lösen Gefühlsausbrüche aus. Dabei sind Emotionen oft das Ziel des Nachrichtengeschäfts in Polen, es wird gerne offiziell mit ihnen geworben. "Guten Tag Emotionen" ist beispielsweise ein Slogan für das Portal der Tageszeitung Gazeta Wyborcza.