Deutsche Medien zur Ukraine: Angst vor der Wahrheit

Seite 2: Angst um den Bestand des Lügengebäudes

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Als der Journalist und Putin-Kritiker Arkadi Babtschenko einen Tag nach seinem offiziell verkündeten Tod quicklebendig vor die Fernsehkameras trat, herrschte in deutschen Redaktionsstuben Panik. Vier Jahre lang hatte man treu und brav die Pressemeldungen der ukrainischen Regierung zitiert und als Meinung der Ukrainer ausgegeben. Und nun hatte die ukrainische Regierung mit einer für alle Welt durchschaubaren Provokation ihre Glaubwürdigkeit und auch die Glaubwürdigkeit ihrer Nachbeter im Westen zunichte gemacht.

Die Verzweiflung der Journalisten in den großen deutschen Medien war deutlich zu spüren. Und die Verzweiflung wurde wieder in sinnlosen Attacken gegen Russland gelenkt. Sabine Adler vom Deutschlandfunk beschuldigte die ukrainische Regierung "russischer Methoden". Wortreich warnten deutsche Kommentatoren, dass der Fake-Mord in Kiew Moskau nützt.

Das schöne Bild einer Ukraine, die sich nach einer Volksrevolution der demokratischen Staatengemeinschaft in Europa anschließt, bekommt immer mehr Risse. Was 2014 noch unmöglich war, dass der kritische ukrainische Video-Blogger Anatoli Schari in deutschen Medien ohne Schmäh erwähnt wird, zeigt dass die blinde Kiew-Hörigkeit in den deutschen Medien zu wackeln beginnt. Schari hatte aufgedeckt, dass ein Konsul im ukrainischen Konsulat in Hamburg auf seiner Facebook-Seite über lange Zeit faschistisches Gedankengut propagierte. Kiew sah sich gezwungen, den Spitzenbeamten abzuberufen.

Doch eine Kursänderung hin zu einem fairen Journalismus in Deutschland, der beide Seite in der Ukraine zu Wort kommen lässt, Machthaber und Kritiker, ist nicht in Sicht. Zuviel steht auf dem Spiel. Die Post-Maidan-Regierung in Kiew mit ihrer anti-russischen Politik ist für Deutschland nach wie vor ein Wunschpartner. Dass diese Regierung hochgradig korrupt ist, darüber wird zwar berichtet, aber wenn es darum geht, sich die gerade erst dem russischen Einflussbereich entrissene Ukraine zu sichern, will man sich mit Kleinigkeiten nicht aufhalten, so die unausgesprochene Devise der deutschen politischen Klasse.

Olga Semchenko, Direktorin der Media Holding Westi Ukraina. Bild: Die Linke/CC BY-2.0

Kultur-Vernichtung in der Ukraine

Die deutsche Elite hat aus der Ukraine einen heiligen Ort gemacht, wo es zwar Fehler gibt, das neue System aber auf dem richtigen Weg ist und nichts wirklich Demokratie-gefährdendes passiert. Dass die ukrainische Regierung russische soziale Netzwerke mit Millionen ukrainischen Nutzern abschalten lässt, Friedensmärsche von russisch-orthodoxen Gläubigen durch Kiew verbietet, russischen Sängern und Sängerinnen Auftrittsverbot erteilt, die Schriftsteller Tolstoi und Dostojewski wegen "imperialer Sichtweisen" aus den Schulen verbannt, dass nach dem neuen ukrainischen Lehrplan in Schulen ab der 4. Klasse nur noch auf Ukrainisch unterrichtet werden soll - obwohl 40 Prozent der Bevölkerung russischsprachig sind - ist für die großen deutschen Medien kein Thema.

Man muss schon die österreichische Tageszeitung "Der Standard" lesen, um eine kritische Gesamtdarstellung über das Verdrängen der russischen Sprache aus der Ukraine zu lesen.

Deutschland sieht sich gerne als Land, dass seine eigene diktatorische Vergangenheit aufgearbeitet hat und stolz ist auf seine großen kulturellen Leistungen. Das Schweigen zu der Unterdrückung der russischen Kultur in der Ukraine passt da so gar nicht ins Bild. Es weckt böse Erinnerungen an das Deutsche Reich, dass nach dem Ersten Weltkrieg schon einmal erfolglos versuchte, die Ukraine dem russischen Einflussbereich zu entreißen.

Das Verhalten Deutschlands gegenüber der Ukraine ist betrügerisch. Erst hat man der ukrainischen Bevölkerung mit einem Rieseneinsatz von Politikern und Medien Hoffnungen auf eine Verbesserung des Lebens gemacht, wenn sich die Ukraine der EU anschließt. Als sich dann nach dem Maidan zeigte, dass sich die Lebenssituation für die Menschen verschlechterte und nationalistische Horden auf den Straßen jeden Protest gewaltsam unterdrückten, haben die deutschen Medien einfach nicht darüber berichtet und so getan, als ob es das alles nicht gibt. Im Zweifel war es "die russische Propaganda". Die Aussicht auf einen baldigen EU-Beitritt, zogen führende westliche Politiker schon kurz nach dem Maidan zurück.

Antisemitismus, Roma-Verfolgung und "Rassenkunde"

Deutschland ist der mächtigste Staat in Europa. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ist häufig bei Angela Merkel zu Gast. Dass die Kanzlerin die Verfolgung von Andersdenkenden in der Ukraine bei Treffen mit Poroschenko mit anspricht, darauf braucht man nicht zu hoffen. Wenn wenigsten die deutschen Medien den Bruch von Menschenrechten und die Einschüchterung von Journalisten in der Ukraine zu einem Thema machen würden, wäre das eine große Unterstützung für die Andersdenkenden in der Ukraine. Doch die Realität lehrt uns, dass wir auch darauf nicht hoffen dürfen. Die Leitlinie in den deutschen Chefredaktionen lautet anscheinend: Bedingungslose Solidarität mit der Regierung in Kiew.

Während deutsche Medien und Politiker gegen deutsche Kritiker der ukrainischen Regierung mit dem Vorwurf des Antisemitismus schnell bei der Hand sind, ist für die großen deutschen Medien der wachsende Antisemitismus in der Ukraine kein Thema.

Warum schwiegen die deutschen Medien, als im April 2017 in Kiew das direkt neben der Synagoge gelegene Theater Bel'etage das Stück "Holocaust Cabaret" auf die Bühne brachte? In dem Schauspiel geht es um den ukrainischen KZ-Wächter John Demjanjuk, der angeblich unter fragwürdigen Anschuldigungen verurteilt wurde. Der Oberste Rabbi der Ukraine, Mosche Asman, protestierte. Die deutschen Medien schwiegen auch als am diesjährigen Hitler-Geburtstag eine Roma-Siedlung in einem Kiewer Park von Rechtsradikalen abgebrannt wurde.

Im November 2016 erklärte der ukrainische Kultusminister Jewgeni Nischuk in einer Fernseh-Talkshow, bestimmte Gebiete in der Zentral- und Ost-Ukraine seien "genetisch unrein". Gemeint waren die Gebiete mit einem hohen Anteil russischsprachiger Bevölkerung. Nach Protesten entschuldigte sich Nischuk. Er sei falsch verstanden worden. Kein deutsches Medium berichtete darüber.

Im April 2017 erklärte Oleg Skripka, Sänger der bekannten ukrainischen Rock-Gruppe Wopli Widopljasowa, man müsse alle Menschen, die wegen "einem niedrigeren Intelligenz-Quotienten" kein Ukrainisch lernen können, "in ein Ghetto sperren", denn diese Menschen seien "sozial gefährlich". Nach Protesten entschuldigte sich der Sänger. Seine Äußerung sei "ironisch" gemeint gewesen. Wieder schwiegen die deutschen Medien.