Deutsche Panzer für die neue Interventionsmacht Katar?

Laut Medienberichten will das Herrscherhaus des Boomstaates bis zu 200 deutsche Panzer vom Typ Leopard 2 kaufen

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Bis zum Schluss habe sich Deutschland für ein globales Waffenexportabkommen "mit höchsten Standards" eingesetzt, so äußerte Außenminister Westerwelle sein Bedauern über die gescheiterte erste Runde der Verhandlungen, die den ersten weltweiten Waffenhandelskontrollvertrag zum Ziel haben. Es geht um Regelungen für den Handel mit konventionellen Rüstungsgegenständen, von Kriegsschiffen, Flugzeugen, Panzern, bis zu Kleinwaffen und, ein wichtiger Streitpunkt, Munition.

Der Vertrag soll die Unterzeichner dazu verpflichten, "Waffenlieferungen an terroristische Organisationen zu verhindern und Waffen nur an Länder zu liefern, welche die Menschenrechte achten" (FAZ, heutige Printausgabe, S. 2). Ob damit die höchsten Standards, über die Westerwelle sprach, gemeint sind? Die Frage würde sich aktuell für Deutschland bei der Lieferung von 200 Panzer des Typs "Leopard 2" an Katar stellen.

Die Regierung in Katar hat laut Spiegel entsprechendes Kaufinteresse signalisiert. Von deutscher Regierungsseite gibt es dazu noch keine offizielle Stellungnahme. Aber es heißt auch, dass sich das Kanzleramt ein Geschäft mit Doha aber ebenso vorstellen könne wie das Bundeswirtschaftsministerium. Es gebe eine "Interessensbekundung" aus Katar, wird der Vizeregierungssprecher Streiter zitiert - und eine Delegation der Firma Krauss-Maffei Wegmann soll schon vor Wochen nach Katar gereist sein. Solche Interessenbekundungen an deutschen Panzern gebe es schon seit 2008, berichtet die taz.

Schon die große Koalition habe 2009 "grünes Licht" für die Lieferung von 36 "Leopard II"-Panzern signalisiert. Merkel plädiert schon seit einiger Zeit für eine Aufweichung der Richtlinien für Waffenlieferungen. Als Beleg dafür wird in kritischen Artikeln über deutsche Waffenexporte ihre Äußerungen beim Bergedorfer Gesprächskreis im September 2011 zitiert:

Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt […] den Export von Waffen mit ein […] Wenn wir uns im Atlantischen Bündnis einig sind, dass die NATO nicht alle Konflikte lösen kann und dass den aufstrebenden Schwellenländern und Regionalorganisationen mehr Verantwortung zukommt, dann sollten wir im Bündnis bei den Rüstungsexporten auch schrittweise zu einer gemeinsamen Politik kommen.

Was auf den Nachdenkseiten im Januar dieses Jahres als neuer Regierungskurs beschrieben wird - "die deutschen Rüstungsexporte deutlich aktiver als in der Vergangenheit zu unterstützen und auch gegen restriktivere internationale Regularien für derartige Exporte im Rahmen der EU zu wirken" - muss nicht unbedingt den ungenannten "hohen Standards" widersprechen, mit denen sich der Außenministerwelle brüstet, es zeigt sich aber ein Geist, dem das eigene Hemd näher ist als Konflikte anderswo. In Saudi-Arabien, wohin auch deutsche Panzer geliefert werden sollen, und in Bahrain halten die zum Teil blutigen Konflikte der schiitischen Minderheit mit der Regierung an, ebenso in Bahrain (Violence against Shia clerics troubles Saudi Arabia and Bahrain). Im vergangenen Jahr sind saudi-arabische Panzerfahrzeuge über die Landbrücke nach Bahrain gefahren, um die befreundete Regierung in deren Niederschlagung der Proteste zu unterstützen.

Autoritäre Führung

Auch das Herrscherhaus in Katar, die Familie al-Thani ist eng mit dem bahrainischen Herrscherhaus, den al-Kalifas befreundet (und sogar entfernt verwandt, der Stamm Utub, aus der die al Khalifas stammen, war bis 1783 in Katar zuhause). Sollte die schiitische Mehrheit in Bahrain dem Herrscherhaus weiter zusetzen, wäre es nicht mit völliger Bestimmtheit auszuschließen, dass eine Krauss-Maffei Wegmann Lieferung auch aus Katar zur Unterstützung der Freunde eingesetzt würde.

Die Schiiten stellen in Katar nur eine Minderheit. Von internen Konflikten ausgehend von Schiiten ist bislang noch nichts an die größere Öffentlichkeit gedrungen; bisher gibt es, was innere Unruhen betrifft, aus dem durch große Gasfelder richtig reichen Land wenig zu berichten. Das viele Geld befriedet manches und deckt vermutlich einiges an Spannungen zu.

Beim Vergleich des weltweiten Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt führt das Land seit Jahren. Das Wachstum der letzten Jahre ist enorm (19,4 % Wirtschaftswachstum 2010). Von 2004 bis 2010 hat sich das Bruttoinlandsprodukt vervierfacht und die Bevölkerung auf 1,7 Millionen Einwohner verdoppelt (vor allem durch Zuwanderung; die arabische Bevölkerung mit katarischer Staatsangehörigkeit beträgt laut Wikipedia nur rund 250.000 Menschen. ). Kein Staatsangehöriger bezahlt Einkommenssteuern, die Gesundheitsversorgung ist frei, die soziale Fürsorge angeblich sehr gut; es gibt größere Anstrengungen im Ausbildungssektor, Schulen und Universitäten werden ausgebaut - auch mit Hilfe ausländischer Unternehmer (EADS, EXXonMobile, Microsoft), die bei Wissenschafts- und Technologieparks mit von der Partie sind. Die Arbeitslosigkeit lag 2010 bei 0,5 Prozent.

Für den Betrieb sorgen vor allem die Eingewanderten in Katar (zum Einmarsch der katarischen olympischen Mannschaft kursierte der Witz, dass von 13 Mitgliedern der Mannschaft, 14 aus anderen Nationen kämen). Die Fremdarbeiter werden schlecht behandelt, kritisiert der aktuelle Amnesty-Bericht zu Katar:

Migrant workers, who make up more than 80 per cent of Qatar’s population and come mostly from south and south-east Asia, were inadequately protected under the law and continued to be exploited and abused by employers. In May, the International Trade Union Confederation criticized workers’ conditions in Qatar, particularly those of women domestic workers and men employed in constructing facilities for football’s 2022 World Cup, and called for major improvements.

Die Meinungsfreiheit findet auch in Katar ihre Grenzen, wie der etwa Fall eines verhafteten Bloggers zeigt. Die Führung ist autoritär. Laut Bundesauschuss Friedensratschlag ist Demokratie "ein Fremdwort in Katar":

Die Staatsform ist eine absolute Monarchie. Der Emir (derzeit Scheich Hamad ibn Chalifa al Thani) ist zugleich Staatsoberhaupt und vereinigt die gesetzgebende und exekutive Gewalt in seiner Person. Es gibt weder ein Parlament noch sind politische Parteien oder Gewerkschaften zugelassen. Im Land herrscht die Scharia; die Menschenrechtssituation wird von amnesty international als besonders problematisch eingestuft.

Dennoch lässt sich aus dem weiter oben Genannten auch schließen, dass es dem Herrscherhaus bislang geglückt ist, vor allem dank seiner Gasressourcen, der Flüssiggasproduktion und der Anlagepolitik (Beteiligung an vielen großen ausländischen Unternehmen, z.B. auch an Volkswagen) für einen Wohlstand zu sorgen, der die überwiegende Mehrheit befriedet. Das Risiko für einen Einsatz von Panzern im Inneren gegen die eigenen Bevölkerung scheint derzeit nicht gegeben, was sich allerdings bei Spannungen mit den Arbeitern schlagartig ändern könnte.

Wofür braucht Katar die Panzer?

200 Panzer für ein Land mit 11.606 km², was in etwa der Größe des Einzugsgebiets des Bodensees entspricht? Zur Abschreckung im Inneren? Zur Landesverteidigung bzw. zum weiteren militärischen Aufbau einer Front gegen Iran (die USA unterhalten in Katar eine sehr große und wichtige Militärbasis)? Auch im Zusammenhang mit Iran gibt es allerdings Nachrichten, die darauf verweisen, dass die katarische Führung - anders al Bahrain oder Saudi-Arabien - einen kooperativeren, auf Gespräche angelegten Kurs mit Iran pflegt.

Beunruhigend ist anderes. Dass Katar die Panzer für andere Nationen des Golfkooperationsrats zur Verfügung stellen könnte, wenn diese wie Saudi-Arabien oder Bahrain gegen die eigene Bevölkerung vorgehen. Dazu kommt die Bereitwilligkeit des Landes bei Waffenlieferungen an erster Stelle zu stehen, wenn es um eigene Interessen in anderen Ländern geht, wie zum Beispiel im Fall Libyen oder aktuell in Syrien. Dort mischt Katar an vorderster Stelle mit. Laut der Zeitung Figaro, die sich auf französische Sicherheitskreise beruft, soll Katar sogar eine Spezialeinheit auf syrischen Boden haben.

Eine rein defensiv ausgerichtete Außenpolitik sieht anders aus. Und "hohe Standards beim Waffenexport" werden von solcher Interventionspolitik, wie sie Katar betreibt, durchaus berührt. Zurückhaltung ist bei diesem Waffendeal besser, vor allem angesichts der Fehleinschätzungen, die deutschen Regierungen mit Waffenexporten bereits unterlaufen sind.