Streit um Geschlechtsidentität: Olympiasiegerin Khelif wehrt sich gegen Bericht über Gutachten

Khelif im Ring. Bild: ProPhoto1234/ Shutterstock.com

Olympiasiegerin Imane Khelif wehrt sich gegen Vorwürfe. Ein Journalist behauptet, sie sei biologisch ein Mann. Jetzt droht ein brisanter Rechtsstreit. Der Reporter geht in die Offensive.

Die algerische Boxerin Imane Khelif, die bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris die Goldmedaille gewann, hat eine Klage gegen den Journalisten Jaffer Ait Aoudia angekündigt. Dieser hatte in einem Artikel für das französische Magazin "Le Correspondant" behauptet, Khelif sei biologisch ein Mann.

Journalist beruft sich auf medizinische Gutachten

Ait Aoudia stützt seine Behauptungen auf zwei medizinische Gutachten, die ihm vorliegen sollen. Diese sollen im Juni 2023 in Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern in Frankreich und Algerien erstellt worden sein. Laut dem Artikel diagnostizieren die Gutachten bei Khelif einen 5-Alpha-Reduktase-Mangel, eine Störung der sexuellen Entwicklung, die nur bei biologischen Männern auftritt.

Die beiden Endokrinologen Soumaya Fedala und Jacques Young, die als Verfasser der Gutachten genannt werden, sollen bei Untersuchungen festgestellt haben, dass Khelif keine Gebärmutter, sondern innere Hoden und einen "Mikropenis" habe. Zudem sei ein für Männer typischer Testosteronspiegel und ein Y-Chromosom nachgewiesen worden. "Klar und deutlich, Imane Khelif ist ein Mann in einer Frauenhülle", schlußfolgert der Journalist.

Echtheit der Dokumente nicht bestätigt

Die Authentizität der von Ait Aoudia zitierten Gutachten lässt sich bislang nicht unabhängig überprüfen. Einer der genannten Ärzte, Professor Jacques Young vom Krankenhaus Kremlin-Bicêtre in Paris, wollte gegenüber Medien die Echtheit der Dokumente weder bestätigen noch dementieren.

Er berief sich auf seine ärztliche Schweigepflicht.

IOC und Anwalt weisen Vorwürfe zurück

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) erklärte, man werde sich zu einem laufenden Gerichtsverfahren und zu Medienberichten über ungeprüfte Dokumente unbekannter Herkunft nicht äußern. Khelifs Anwalt Nabil Boudi bezeichnete den Artikel in "Le Correspondant" als "Fake News", die nur darauf abzielten, seiner Mandantin zu schaden.

Ait Aoudia plant Veröffentlichung in Gänze

Ait Aoudia erklärte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, er stehe zu seinen Recherchen. Die ihm vorliegenden Dokumente über Imane Khelif seien eine Sensation; er plane, die Papiere in Kürze vollständig zu veröffentlichen.

Der Fall hatte bereits während der Olympischen Spiele in Paris im Sommer für Schlagzeilen gesorgt. In sozialen Medien und rechten Foren wurde spekuliert, ob Khelif wirklich eine Frau sei. Sogar der damalige US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump beteiligte sich an der Debatte und gratulierte Khelif spöttisch zur "Entwicklung von einem Mann zu einer Frau".

Die Boxerin selbst wies alle Zweifel an ihrer Geschlechtsidentität stets vehement zurück. "Ich bin eine Frau wie jede andere Frau. Ich wurde als Frau geboren, lebe als Frau und kämpfe als Frau", betonte sie nach ihrem Olympiasieg. Auf die Frage nach den Gründen für die Anfeindungen sagte sie: "Sie hassen mich und ich weiß nicht, warum."

Auch Telepolis hatte den Fall von Beginn an eng verfolgt. Unsere Redaktion hat sowohl Fürsprecher von Khelif, als auch Kritiker zu Wort kommen lassen und über die politischen sowie juristischen Auseinandersetzungen berichtet.

Während der Schriftsteller und Mitbegründer des PEN Berlin, Ralf Bönt, keine Probleme angesichts der Zulassung von Khelif durch das IOC sah, vertrat die Biologin Marie-Luise Vollbrecht auf Basis ihrer fachlichen Expertise die Position, dass Khelif ein Mann sei.

Telepolis macht sich keine dieser Positionen zu eigen und hat explizit entgegengesetzten Meinungen Raum gegeben, sofern sie hinreichend begründet waren. Alle Beiträge finden Sie auf der Themenseite "Khelif-Affäre bei Olympia 2024".