Schwimmen in der Schmutzbrühe: Warum der Triathlon in der Seine trotzdem stattfand
Kolibakterien trotzend, schwammen die Athleten im Fluss. Das Wasser soll normal geschmeckt haben. Dauerregen in Paris überlastet Abwassersysteme.
Nun fand der umstrittene Triathlon in der Seine also doch statt, am Mittwoch – einen Tag später als geplant. Als sich die ersten Triathletinnen gegen sieben Uhr morgens zum Einschwimmen in die grünbraune Brühe stürzten, regnete es noch in Strömen.
Um acht Uhr sprangen die Sportlerinnen in kurzen Badeanzügen von der legendären Brücke Pont Alexandre III in den angeschwollenen Fluss und schwammen los in Richtung Eiffelturm. Um Viertel vor Elf folgten die Männer.
Schwimmen in der einstigen Kloake
Seit den ersten Wettbewerben in der (einstigen) Kloake vor mehr als hundert Jahren stand Schwimmen in der Seine unter Strafe. Das hatte seine Gründe: Die im Wasser erhaltenen Erreger können Harnwegsinfekte, Durchfall, Erbrechen, Bauchschmerzen sowie Wundinfektionen verursachen.
Die Seine sei zu verschmutzt, um in ihr zu schwimmen, hieß es noch vor wenigen Tagen. In der Nacht vor dem Schwimmwettkampf hatte sich ein Dauerregen über Paris ausgegossen, weshalb sich die Wasserqualität noch deutlich verschlechtert haben dürfte.
Wie das Wasser geschmeckt hat
Doch die wegen der Kolibakterien gefürchteten Magen-Darm-Erkrankungen blieben aus. Ganz normal habe die Seine geschmeckt, es sei nichts von einem besonders verdreckten Gewässer zu spüren gewesen, erklärte Nina Eim, die den zwölften Platz im olympischen Frauen-Triathlon belegte.
Es gehe allen Athleten gut, bestätigte Bundestrainer Thomas Moeller dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Wasserwerte wurden für gut befunden. Tatsächlich erreichten alle 55 Triathletinnen das Ziel ohne sichtbare Probleme.
Abwassersystem in Paris ist nicht für Starkregen ausgelegt
Tage zuvor hatten die bei den täglichen Messungen mikrobiologischen Tests zu hohe bakterielle Werte gezeigt. Aufgrund der Regenfälle werde die Wasserqualität wahrscheinlich zu schlecht sein, hieß es.
Die vom Triathlon-Dachverband geforderten Garantien für eine ausreichende Sauberkeit des Wassers, um das Schwimmen erlauben zu können, waren nicht erfüllt. Die Athleten verzichteten daher auf ihre Übungseinheiten in der Seine.
Schon während der Eröffnungsfeier regnete es stundenlang am Stück. In Paris fließen Regenwasser und Abwasser in der Regel in dieselbe Kanalisation. Fällt zu viel Regen, kann das teils veraltete System die riesigen Abwassermengen nicht mehr aufnehmen. Läuft es über, gelangt die braune Brühe in den Fluss.
Bereits im Vorfeld der Olympischen Spiele war darüber diskutiert worden, ob die Qualität des Wassers in der Seine wirklich gut genug sei, damit dort Wettkämpfe stattfinden können.
Milliarden Euro wurden in Kläranlagen investiert
Jahrzehntelang dümpelten Müll und Unrat auf dem trägen Fluss mitten durch Paris. Die Verschmutzung sei zwar nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Wochen, aber in den letzten Tagen seien auch Paletten und Äste oder Autoreifen vorbeigeschwommen. Schwimm-Bundestrainer Bernd Berkhahn zweifelte daran, ob das dem Anspruch eines Olympiarennens gerecht werden würde.
Um die Wasserqualität zu verbessern, wurden in den vergangenen Jahren 1,4 Milliarden Euro in Kläranlagen und in das Abwassersystem investiert. Allein rund 100 Millionen Euro kostete das erst im Mai eingeweihte gigantische Wasserspeicherbecken Austerlitz mit einem Fassungsvermögen von 50.000 Kubikmetern – das entspricht mehr als zwanzig olympischen Schwimmbecken.
Bei starkem Regen soll es überschüssiges Wasser auffangen und behandeln. Damit will man verhindern, dass mit den Wassermassen auch Toilettenabwässer in den Fluss gelangen.
Das Wasser werde so lange in dem Becken gehalten, bis die Regenfälle vorbei sind, berichtet die Tagesschau. Dann werde es grob gefiltert, in Kläranlagen geleitet und erst dann in die Seine. Doch auch in dem neuen System ist das Becken irgendwann voll.
Kolibakterien: Kürzlich noch über den zulässigen Grenzwerten
Bei Kontrollen in den vergangenen Monaten jedenfalls ließ die Wasserqualität zu wünschen übrig. Zuletzt war die Belastung mit Krankheitserregern zu hoch gewesen. So lagen die Werte für Kolibakterien als Schlüsselindikator für Fäkalien jeweils über den von den Sportverbänden vorgeschriebenen Grenzwerten.
Die Stadt begründete dies mit der ungewöhnlichen feuchten Witterung und niedrigen Temperaturen. Bei höheren Temperaturen und einem niedrigeren Wasserstand der Seine hingegen würden Krankheitserreger im Wasser schneller abgebaut.
Anfang Juli schließlich hatte die Stadtverwaltung versichert, dass sich die Wasserqualität der Seine verbessert habe und somit zum Baden geeignet sei. Und das, obwohl die Wassermenge des Flusses vier- bis sechsmal höher sei als im Sommer üblich. Mit der Wassermenge aber nahm auch die Fließgeschwindigkeit zu.
Schwimmer fühlten sich durch starke Strömung behindert
Im Mittelpunkt der Kritik stand daher die starke Strömung, die der angeschwollene Fluss verursachte. Erst kürzlich hatten die deutschen Triathleten von Wissenschaftlern die Strömung in der Seine messen lassen, um die Ideallinie zu finden. Während die Athleten flussabwärts mit der Strömung schwämmen, gehe es flussaufwärts darum, eine Position mit möglichst geringer Gegenströmung zu finden, hieß es.
Am Tag des Wettkampfes war die extreme Strömung doppelt so hoch gewesen wie bei den Testwettbewerben im letzten Jahr, kritisierte Moeller gegenüber RND. Bei der aktuellen Strömungsgeschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde zu schwimmen, mache keinen Sinn. Der Bundestrainer erklärtes als "ein großes Risiko, dort Wettkämpfe auszutragen".
Rund zwei Wochen vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Paris nahm die französische Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra ein Bad in der Seine, begleitet von Para-Triathlet Alexis Hanquinquant. Wenige Tage später sprang Anne Hidalgo vor den Kameras in den Fluss.
Die Olympischen Spiele seien die treibende Kraft für die Verbesserung der Wasserqualität, erklärte die Pariser Bürgermeisterin in einer Rede. Die Stadt müsse an den Klimawandel angepasst und der Fluss zurückerobert werden.
In Sachen sauberes Flusswasser verfolgt sie jedenfalls ehrgeizige Ziele: Im nächsten Jahr sollen noch mehr Badestellen mitten in der Stadt eröffnen.