Deutsche Protestkultur: Konformer Ungehorsam
Seite 3: Konformer Ungehorsam
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Die jungen Aktivisten – ob Fridays For Future (FFF), Extinction Rebellion (XR) oder die "Letzte Generation" – berufen sich bei ihren Aktionen nämlich genauso auf den zivilen Ungehorsam als probates Instrument politischer Einflussnahme. In einem Online-Beitrag von "XR" heißt es etwa:
Ziviler Ungehorsam ist die aktive, gewaltlose Weigerung, das Diktat von Regierungen zu akzeptieren. Er lässt die Regierenden wissen, dass man sich ungerechtem Handeln in den Weg stellen wird und das Volk notfalls Gesetze übertreten wird.
Auch die Fridays-for-Future-Bewegung hat bereits die Taktik des zivilen Ungehorsams für sich in Anspruch genommen. In einem darauf Bezug nehmenden Welt-Artikel vom September 2021 heißt es, dass die jungen Aktivisten der Regierung "Verrat" und "Mord an der jungen Generation" vorwerfen. Den Ausblick auf eine Regierung unter erneuter Führung der Union bezeichnet FFF-Aktivistin und Grünen-Mitglied Luisa Neubauer dem Artikel zufolge als "lächerlich".
Während dieselben Medien davor warnen, dass Corona-Demos und "Heiße Herbste" von Radikalen gekapert werden, die das Narrativ einer "Diktatur" bedienen oder den Volksvertretern "Verrat" vorwerfen, kann es auf der Klima-Seite hingegen offenbar gar nicht radikal genug zugehen. "Generell ist ziviler Ungehorsam legitim, weil demokratischer Fortschritt in den seltensten Fällen aus dem politischen System selbst heraus geschieht. Meist bedarf es dazu 'radikaler' Proteste", zitiert die taz den Philosophen Robin Celikates in einem Beitrag vom 5. Juni 2021.
Der taz-Artikel trägt den Titel "Die Helden von morgen" – und bezeichnenderweise nicht einen anderen, wie Sie gleich feststellen werden. Denn, so heißt es im Artikel, es sei gut möglich, dass es der Klimabewegung so ergehe wie früheren Bewegungen des zivilen Ungehorsams: "Zu ihrer Zeit wurden sie als Terroristen bezeichnet. Für uns heute sind sie Helden", so der Philosoph Celikates weiter.
Undenkbar, dass eines der großen deutschen Medien in ähnlicher Weise über die Corona-Proteste berichtet hätte. Im selben taz-Artikel erkennt ein "XR"-Mitglied an, dass Richter dem Anliegen der Aktivisten immer wohlgesinnter – wenn auch noch nicht wohlgesinnt genug – gegenübertreten. Bei Richtern, die in Verdacht gerieten, die Argumentation der Corona-Kritiker aufgegriffen zu haben, klingelte dagegen die Polizei.
Erlauben Sie an dieser Stelle einen weiteren Ausflug in die Welt der modernen Rechtssprechung: Ende April vergangenen Jahres hat das Bundesverfassungsgericht auf die Beschwerde einer internationalen Gruppe von Klimaschützern hin die im sogenannten Klimaschutzgesetz getroffenen Vorkehrungen der Bundesregierung für unzureichend – und damit in Bezug auf die zur "Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit" für verfassungswidrig erklärt.
Auf dieses Urteil reagierten einige Staatsrechtler jedoch mit Empörung, da es – ironischerweise – einen Freifahrtschein für die künftige Einschränkung grundrechtlicher Freiheiten, zum postulierten Wohle des Klimas, zu offenbaren schien.
Den Klima-Protesten wird aber nicht nur auf nationaler Ebene der Segen für ihren zivilen Ungehorsam erteilt: Die (jüngste) Brandrede des UN-Generalsekretärs António Guterres zum Klimabericht des IPCC, wurde gleichsam als "Aufruf zur Revolution" interpretiert und schien dem Aktivismus von Schülern wie auch Wissenschaftlern in ähnlicher Weise die Absolution zu erteilen.
Und damit zurück zu Robin Celikates. Der dem Klima-Anliegen offenbar ebenfalls wohlgesinnte Sozialphilosoph wird auch in einem Artikel vom April dieses Jahres zitiert, der vom gebührenfinanzierten Radiosender Deutschlandfunk Nova stammt – der DLF-Ableger, der sich an die jüngere Zielgruppe richtet. Darin darf der Philosoph eine wichtige Botschaft an die Jugend verbreiten:
Dass es zivilen Ungehorsam geben muss, ist Bestandteil davon, in einer Demokratie zu leben.
Und natürlich: hat er damit recht. Oder etwa nicht?
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