Deutscher Ökostrom wird nicht verscherbelt

Seite 2: Deutschland exportiert, wenn die Preise hoch sind

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Apropos Überschuss

Es stimmt auch nicht, dass Deutschland überschüssigen Ökostrom hat. Der Rekord liegt wohl bei 73% des Bedarfs am 11.5.2014. Mehr als 100% hatten wir noch nicht (kommt aber bald). Das Problem ist aber bereits die Kombination Solar & Wind plus Grundlast. Letzteres hat ein Must-run-Mindestniveau. Das liegt in Deutschland bei rund 20 GW. Liegt der Strombedarf nach Abzug des gleichzeitig erzeugten erneuerbaren Stroms darunter, sinken die Großhandelspreise ins Negative. Der konventionelle Kraftwerkspark zahlt Kunden dann, damit sie mehr Strom verbrauchen.

Da Frankreich mehr Grundlast (Kernkraft ist Grundlast) hat, ist das Problem dort akuter, weswegen die französischen Preise oft weit niedriger sind.

Wenn die Großhandelspreise in Deutschland niedrig sind, dann sind sie manchmal noch tiefer in Frankreich, wie man hier an einem Tag Mitte Juni 2013 sieht. Der große Unterschied zwischen Base & Peak spricht auch Bände: Wenn die Nachfrage niedrig ist, kommen französische Kernkraftwerke an ihre (Unter-)Grenzen. In Deutschland dahingegen steigt die Erzeugung des Solarstroms teilweise schneller als die Nachfrage, so dass Peak-Preise niedriger als Base-Preise sind. Normalerweise ist es umgekehrt. Quelle: EEX

Wir beginnen zu verstehen, warum Deutschlands Strom wertvoller ist. Grundlaststrom muss zu Spottpreisen verschleudert werden, wenn die Nachfrage unters Must-run-Niveau sinkt. Überschüssiger Ökostrom müsste auch verschenkt werden, den gibt es aber noch gar nicht.

"Aber", höre ich Sie einwenden, "RP-Online sagt, Deutschlands Stromleitungen können den ganzen Windstrom gar nicht mehr aufnehmen!" Das stimmt. 2012 gingen so 0,33% deutscher Windenergie verloren. 2011 waren es 0,41%. Die mickrige Summe hat sich also gebessert.

Fassen wir also zusammen: Deutschland kann Strom erzeugen, wenn der Bedarf steigt, d.h. Deutschland exportiert, wenn die Preise hoch sind. Zum Beispiel exportiert Deutschland netto mehr im Winter als im Sommer, wie dieser Überblick für 2013 zeigt.

Quelle: Fraunhofer ISE

Frankreich hat aber mehr Must-run-Kapazitäten und verkauft eher, wenn die Preise niedrig sind. Steigt der inländische Bedarf, importieren die Franzosen - und zahlen dabei Höchstpreise.

Während also manch einer über die Energiewende als deutschen Alleingang meckert, ist Frankreich umgeben von Wende-Ländern. Der belgische Strom ist 2014 zu rund 10% schon Solar & Wind, Spanien bereits zu 25% Wind und 5% Solar, Italien zu 15% Solar & Wind zusammen. Der französische Atomstrom wird langsam aus dem Markt verdrängt und die finanzielle Situation für diese Kraftwerke sieht zunehmend düster aus.

Für die absehbare Zukunft dürfte Deutschland einen Gewinn am europäischen Strommarkt erzielen. Allein der Stromhandel brachte Deutschland letztes Jahr rund 1,9 Milliarden Euro ein, die man der Energiewende zugute schreiben kann. Ich berichtete bereits im Mai darüber, allerdings auf Englisch. Keine Resonanz in der deutschen Presse. Im Juni allerdings kam eine Kleine Umfrage im Bundestag zum gleichen Ergebnis, und wieder wurde kaum darüber berichtet, abgesehen von einigen Blogs. Wird Zeit, dass das bekannter wird.

Craig Morris (@PPchef) schreibt über die Energiewende auf Englisch bei Energy Transitio und Renewables International.