Deutschland ohne China-Handel?
Kompromiss im Hamburger Hafen oder Erschwerung des Handels mit China: "Ein bisschen chinesisch gibt es so wenig wie ein bisschen schwanger?" Deutsche Politiker verstehen nicht, wie China seinen Außenhandel organisiert.
In den letzten Tagen ist der politische Streit um eine Minderheitsbeteiligung einer Tochter der chinesischen Staatsreederei Cosco an der Betriebsgesellschaft des Hamburger Container-Terminals Tollerort in einer Form entbrannt, als stünde der Verkauf der Bundesrepublik an das Reich der Mitte bevor.
Dabei war diese Beteiligung keine chinesische Forderung, sondern geht auf den Wunsch der Freien und Hansestadt Hamburg zurück, die ihren Platz in der deutsch-chinesischen Lieferkette sichern wollte.
Cosco ist schon seit geraumer Zeit an den Betriebsgesellschaften entsprechender Container-Terminals an der Rheinschiene in Rotterdam und Duisburg beteiligt. Aus Hamburger Sicht bestand das Risiko, hier den Anschluss zu verlieren.
Um den Dampf aus dem politischen Kessel zu nehmen, scheint jetzt eine geringere chinesische Beteiligung von nur 24,9 Prozent als Kompromiss zur Debatte zu stehen. Mit dieser Notlösung könnte man das Reizwort "Sperrminorität" umschiffen. Hamburg könnte damit seinen Bedeutungsverlust gegenüber Rotterdam eindämmen.
Wenn die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann jetzt einen solchen Kompromiss mit der Begründung ablehnt, "so wenig wie es in der Natur ein bisschen schwanger gebe, könnte es auch in Hamburg nur ein bisschen chinesisch geben", dann zeigt sie damit nur, dass sie die Art und Weise, wie China seinen Außenhandel organisiert, nicht einmal ansatzweise verstanden hat.
Die Zeiten, als Deutschland die Handelsbedingungen diktieren konnte, sind vorbei, auch wenn man dies in Berlin nicht wahrhaben will. Eine Einschränkung des China-Handels oder gar einen vollständigen Verzicht würde Deutschland mit einem drastischen Anstieg der Inflation erkaufen.
Die Vorgeschichte
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat traditionell gute Beziehungen nach China, auch wenn das historische Chinesenviertel auf St. Pauli den Nationalsozialisten zum Opfer fiel. Nur zögerlich sind Chinesen nach der Verfolgung wieder in die Hafenstadt zurückgekehrt.
Seit 1986 gibt es eine Partnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai, der Stadt mit dem weltweit größten Hafen, der auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung eine treibende Kraft ist. Kein Wunder, dass man in Hamburg etwas geknickt war, als man feststellen musste, dass die chinesische Staatsreederei 2010 einen Stahlpakt mit Rotterdam, dem stärksten Wettbewerber an der Nordseeküste, schmieden wollte.
2016 beteiligte sich die Cosco Ports (Rotterdam), eine vollständige Tochter der Cosco Pacific, mit 35 Prozent am Euromax Terminal Rotterdam, was der China Cosco Shipping Corporation und ihren Partnern einen besseren Zugang in den Nordwesten der EU ermöglichte.
Der Brückenkopf der Neuen Seidenstraße
Bislang lag das Schwergewicht der chinesischen Investitionen auf der Südflanke der EU. An der deutschen Küste ist die chinesische Staatsreederei bislang noch nicht vertraglich engagiert.
Man hat sich dafür mit 30 Prozent am neuen Bahnterminal im größten europäischen Binnenhafen in Duisburg beteiligt, der sich in den letzten Jahren zum europäischen Brückenkopf der Neuen Seidenstraße entwickelt hatte.
Diese Funktion versucht aktuell Polen zu übernehmen, mit der Begründung, dass das deutsche Schienennetz marode sei und keinen sicheren Transport mehr ermögliche.
Transportketten "aus einer Hand"
Dass Cosco die Einrichtung durchgängiger Logistik-Ketten vom Ursprung bis zum Ziel umsetzen will, hat auch mit den steigenden Kosten zu tun, wenn eine Lieferkette nicht "aus einer Hand" angeboten wird.
Früher war es üblich, dass der Kunde genau wusste, welchen Transporteur er für welche Route zu welchem Zeitpunkt für eine bestimmte Menge an Gütern benötigt. Er konnte dann die für ihn günstigste Kombination hinsichtlich Laufzeit und Preis auswählen. Und wenn er Glück hatte, war dies auch noch mit wenig Systemwechseln und Umladen verbunden. Man wusste einfach, welches Schiff wann aus welchem Hafen mit welchem Ziel ausläuft.
Welche Bedeutung eine direkte Verbindung hat, die weitgehend direkt über Land erfolgt, sieht man ganz deutlich am Bedeutungsgewinn der Frachtroute von Russland nach Indien.
Die Einrichtung des International North-South-Transportation-Corridor (INSTC) war eine indische Forderung an Iran, denn auf der neuen Transitroute benötigen Waren nur etwa 25 Tage, während sie auf der Route über Atlantik, Mittelmeer und Sueskanal mit 40 bis 45 Tagen knapp doppelt so lang unterwegs sind.
In der Zeit, in der die Güter unterwegs sind, kann man mit ihnen kein Geld verdienen und muss sie vorfinanzieren: Zeit ist Geld.
Bundesregierung will China ausbremsen
Als China westliche Investoren dazu gezwungen hat, sich in China Joint-Venture-Partner zu suchen, die sich mit rechtlich 51 Prozent beteiligten, war der Ärger in den Industrieländern groß.
Da es ohne eine solche Beteiligung über viele Jahre keine Erlaubnis für die aus Kostengründen stark nachgefragten Produktionsmöglichkeiten gab, haben viele Investoren diese Kröte in China geschluckt und sich auf das Lamentieren in ihren Heimatländern beschränkt.
Dort wurde kaum wahrgenommen, dass China die kritisierten Beschränkungen für ausländische Investoren in den meisten Bereichen schon längst aufgehoben hat.
Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas fand man jedoch in den Industriestaaten Gefallen an dem alten chinesischen Modell der Investitionssteuerung. Dies hat in Deutschland im ersten Schritt dazu geführt, dass chinesische Investitionen in deutsche Firmen jetzt ab einem Anteil von 10 Prozent genehmigungspflichtig sind und nach Möglichkeit untersagt werden. Andererseits will man chinesische Joint-Venture-Partner dazu zwingen, ihre Anteile an den deutschen Partner zu verkaufen.
Was man bei diesen deutschen Aktivitäten aber gerne übersieht, ist die Tatsache, dass das chinesische Recht in vielen Teilen mit den westlichen Vorstellungen nur bedingt kompatibel ist.
So musste ein deutscher Automobilhersteller vor Jahren erschreckt feststellen, dass seine Klage gegen eine chinesische Kopie ausgerechnet vor einem Gericht zur Verhandlung anstand, das Anteile an dem Nachahmer hielt.
Das Aufsprengen von Lieferketten als westlicher Rettungsversuch
Während die chinesischen Lockdowns in der Folge von Corona im Reich der Mitte für deutlich weniger Tote sorgten als im Westen, kam hierzulande schnell der Vorwurf an die chinesische Adresse, dass man mit den Lockdowns die europäische Wirtschaft ausbremsen wolle.
Wenn die deutsche Politik nun versucht, einerseits die Lieferketten wie im Falle von Hamburg zu behindern und anderseits bei deutschen Investitionen in China eine Genehmigungspflicht anstrebt, wird man die gleiche Erfahrung machen wie aktuell im Erdgasmarkt.
Eine Rückführung der Lieferketten auf Europa ist zwar denkbar, sie benötigt jedoch Zeit, Geld und den Willen zu längerfristigen Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von Produkten.
Zudem ist nicht gesichert, dass Deutschland dabei das Heft des Handelns in der Hand behält oder auf erratische Veränderungen am Markt reagieren muss, wie vor Jahren bei den Seltenen Erden. Damals hatte China den Export reduziert, um die Beschränkungen wieder zurückzunehmen, als man aufseiten des Westens in den Abbau dieser Stoffe investiert hatte, was diese Investments schnell entwertete.