Diäten und Emotionen
Die EU-Abgeordneten haben sich ihre künftigen Bezüge selbst bestätigt. Im Ministerrat müssen nun noch die Regierungen zustimmen
Das Thema taugt immer für griffige Schlagzeilen: Einheitlich 7.000 Euro sollen die Europaparlamentarier ab dem Jahr 2009 als Vergütung erhalten. Das Abgeordnetenstatut, um das jahrelang gestritten worden war, ist am Donnerstag im Plenum der EU-Volksvertretung mit deutlicher Mehrheit angenommen worden.
Das letzte Mal hatten die Abgeordneten vor zwei Jahren versucht, mit einem Statut ihre Einkünfte anzugleichen. Bislang sind die Diäten der 732 Mitglieder des Europaparlaments (EP) an die jeweiligen nationalen Regelungen geknüpft. So erhalten die deutschen Abgesandten mit knapp 7.000 Euro monatlich soviel wie Bundestagsabgeordnete, italienische Europaparlamentarier beziehen dagegen 12.000 Euro, ihre ungarischen Kollegen aber nur 800 Euro.
“Gleiches Geld für gleiche Arbeit” forderten die Mandatsträger im Juni 2003 – und setzten 9.000 Euro brutto auf ihre Gehaltslisten. Dem Rat der EU, in dem die Vertreter der Regierungen über europäische Belange befinden, erschien dies angesichts des in allen Ländern praktizierten Sozialabbaus kaum opportun: Im Januar letzten Jahres legten Deutschland, Frankreich, Österreich und Schweden ihr Veto gegen das Vorhaben ein. Assistiert hatten dabei die großen Boulevardzeitungen in Deutschland und Österreich, die alle Europaabgeordneten unter den Generalverdacht der Raffgier stellten.
Die 7.000 Euro Grundgehalt scheinen nun dagegen durchzugehen. Schon in dieser Woche wird der Ministerrat das Vorhaben beraten. Einen langen Schlagabtausch mit dem Parlament will man sich angesichts der Krise um EU-Verfassung und Finanzplanung nicht leisten. Zumal durch die vorgesehene Entkoppelung von nationalen und europäischen Abgeordnetenbezügen die Zahlungen allein aus der EU-Kasse geleistet werden.
Ganz unumstritten ist das Vorgehen allerdings nicht: So liegen die Diäten einiger Abgeordneter aus Osteuropa deutlich über denen ihrer heimischen Regierungschefs. Der Verwaltungswissenschaftler Hans Herbert von Arnim hält daher das gegenwärtige Entlohnungssystem für durchaus praktikabel. Auch, weil es zum Ausgleich der Lebenshaltungskosten in Straßburg und Brüssel ja die Tagesgelder gibt. Für die Anwesenheit an den Sitzungsorten erhält jeder Abgeordnete pro Tag 262 Euro.
Gerade um die Tagegelder aber hatte es im Anfang des vergangenen Jahres heftigen Ärger gegeben. Der österreichische EP-Abgeordnete Hans-Peter Martin hatte nach eigenen Angaben 7.000 Fälle von Betrug mit Tagesgeldern recherchiert. Abgeordnete hätten sich u. a. morgens in Anwesenheitslisten eingetragen und seien dann in ihre Heimat gereist. Einige hätten ihre Unterschrift sogar durch “Vertreter” leisten lassen. Bisher jedoch sind die Verfehlungen nicht juristisch eindeutig belegt. Tatsächlich aber lädt das derzeitige Vergütungssystem im EP zum Missbrauch ein. So können Reisekosten nach Brüssel oder Straßburg pauschal abgerechnet werden. Und auch die Beschäftigung von Angehörigen als Assistenten (Parlamentarier erhalten bis zu 14.865 Euro für Mitarbeiter und eine “allgemeine Unkostenpauschale” von 3.785 Euro) ist nicht ausgeschlossen.
Insbesondere die Reisekosten müssen ab 2009 nun nach tatsächlich angefallenen Kosten – und bei Vorlage von Belegen – abgerechnet werden. Auch die Vergabe der teilweise sehr lukrativen Assistentenposten in der Familie soll künftig unmöglich sein. Trotzdem werden auch mit dem Abgeordnetenstatut die zahlreichen “Grauzonen” nicht vollständig beseitigt. So lässt die Besteuerung der Einkommen mehrere Varianten zu und auch bei der großzügigen Erstattung von Gesundheitsleistungen muss noch konkretisiert werden.
Dass Rat und EU-Kommission in dieser Hinsicht Druck machen, ist jedoch unwahrscheinlich. Schließlich hat man sich auch dort mit dem System arrangiert, das manche Annehmlichkeit ermöglicht. Erst Anfang Juni musste sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach einem Urlaub auf der Yacht eines Freundes befragen lassen, der später von einer Kommissionsentscheidung begünstigt worden war. Barroso allerdings wurde vom Vorwurf der Vorteilsnahme freigesprochen – durch das Europäische Parlament.