Dick und Doof im Untersuchungsausschuss

Wahre und erfundene Geschichten von Bush und Cheney, Almihdhar und Alhazmi

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Außer Spesen nichts gewesen: Am vergangenen Donnerstag sagten US-Präsiden George W. Bush und sein Vize Dick Cheney vor dem 911-Untersuchungsausschuss des US-Senats aus. Um nicht als "Angeklagter" wahrgenommen zu werden, hatte Bush die Befragung ins Weiße Haus verlegen lassen. Die Präsentation im Doppelpack garantierte außerdem, dass die beiden Zeugen keine widersprüchlichen Angaben machen und sich so blamieren konnten. Aber selbst wenn: Die Statements durften ebenso wenig mitgeschnitten werden wie die Fragen, keiner der Anwesenden durften sich auch nur Notizen machen. Kann man sich vorstellen, wie die Öffentlichkeit reagiert hätte, wenn Präsident William Clinton dies für seinen Auftritt vor dem Lewinsky-Untersuchungsausschuss zur Bedingung gemacht hätte? Doch damals war das Bedürfnis nach Aufklärung wesentlich stärker - schließlich ging es um raffinierten Sex mit einer Praktikantin und nicht um simplen Massenmord an 3.000 Menschen.

Die Kommission äußerte sich im Nachhinein zufrieden mit dem Date. Bush und Cheney seien entgegenkommend und offen gewesen. "Ihre Informationen werden bei der Erstellung des Abschlußberichts von großer Hilfe sein. Wir danken dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten für ihre fortgesetzte Zusammenarbeit mit der Kommission," so der Ausschussvorsitzende, Bushs Parteifreund Thomas Kean.

Schon in den Vorwochen hatte der Untersuchungsausschuss nicht gerade durch investigativen Ehrgeiz geglänzt. Bei den Sitzungen am 13. und 14. April war es um das sogenannte Versagen der Geheimdienste vor dem 11. September gegangen. Die als Zeugen geladenen Chefs von CIA und FBI, George Tenet und Robert Mueller, waren vor allem im Falle von Khalid Almihdhar und Nawaf Alhazmi gehörig in Erklärungsnotstand geraten. Die beiden sollen die Entführer der Passagiermaschine American Airlines 77 gewesen sein, die sich am 11. September in das Pentagon gebohrt hatte. Die CIA hatte bereits im Januar 2000 herausgefunden, dass Almihdhar und Alhazmi an einer al-Qaida-Konferenz in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur teilgenommen hatten und Einreisevisa für die USA besaßen.

Erstaunlicherweise unternahm die CIA nichts mit dieser Information. Die Agenten verständigten die (Einreisebehörde) INS nicht, die sie an der Grenze hätte zurückweisen können, und sie setzten das FBI nicht in Kenntnis, welches sie hätte beschatten können, um ihren Auftrag herauszufinden. Stattdessen lebten Alhazmi und Almihdhar das ganze Jahr lang und (weitere) neun Monate nach ihrer Identifizierung als Terroristen offen und unter ihrem eigenen Namen in den USA, sie beantragten Führerscheine, eröffneten Bankkonten und schrieben sich in Flugschulen ein - bis zum Morgen des 11. September ... Und da sich die zwei Terroristen häufig mit den anderen Tätern des 11.September trafen, hätten Bundesagenten eine komplette Karte mit allen Flugzeugentführern des 11. September erstellen können, wenn sie diese beschattet hätten. Aber das FBI wusste bis drei Wochen vor den Anschlägen nicht, dass es das hätte tun sollen ....

The Hijackers we let escape in Newsweek

Der Clou: Mehrere Monate lang lebten die beiden in San Diego "zur Untermiete bei einem FBI-Spitzel" - ohne dass dieser angeblich mitbekommen hätte, was in seinem Hause geplant wird. In einem Kommissionsbericht wird das Durcheinander darauf zurückgeführt, dass die CIA sich auf "Raumdeckung" und das FBI auf "Manndeckung" konzentrierte - durch die entstandenen Sicherheitslücken hätten Almihdhar und Alhazmi immer wieder schlüpfen können.

Seltsamerweise fehlt in dem im April vorgelegten Bericht Nr. 10 des Untersuchungsausschusses (Threats and Responses in 2001) jeder Hinweis darauf, dass die angeblichen Entführer von Maschine AA 77 vermutlich gar nicht fliegen konnten. In Newsweek dagegen war zu lesen:

Almihdhar und Alhazmi nahmen ihre Flugstunden ernst, aber es war unmöglich, ihnen etwas beizubringen. Fluglehrer Rick Garza in Sorbi's Flying Club gab beiden Männern ein halbes Dutzend Stunden am Boden, bevor er sie im Mai in einer einmotorige Cessna mitfliegen ließ. 'Sie waren nur daran interessiert, große Jets zu fliegen', erinnert sich Garza. Aber Garza gab bei seinen unglücklichen Studenten bald auf. 'Ich dachte mir, sie sind ganz einfach ungeeignet', sagt er. 'Sie waren wie Dick und Doof (like Dumb and Dumber)'.

Auch die Fähigkeiten von Hani Hanjour, den die US-Behörden mittlerweile als Pilot von AA 77 identifiziert haben wollen (Almihdhar und Alhazmi sollen die Crew überwältigt haben), waren offenbar eng begrenzt. Um im April 1999 seinen Pilotenschein zu bekommen, hatte er geschlagene drei Jahre gebraucht. Als er nach eineinhalb Jahren im Dezember 2000 das Flugtraining wieder aufnahm, erwies er sich als lausiger Flieger. "Zudem spricht Hanjour ein so schlechtes Englisch, dass der Fluglehrer sich ernsthaft fragt, wie Hanjour eigentlich damit die Pilotenprüfung in den USA bestanden haben will." (New York Times)

Ausgerechnet diese Bruchpiloten sollen mit AA 77 am 11. September ein höchst anspruchsvolles Flugmanöver durchgeführt haben: Die Maschine visierte zunächst das Weiße Haus an, wurde im letzten Augenblick in einem 270-Grad-Looping herumgerissen und raste dann in Baumwipfelhöhe auf das Pentagon zu.

Um der Bush-frommen 911-Kommission ihre Arbeit nicht zu erschweren, wird mittlerweile wichtigen Zeugen ein Maulkorb umgehängt. So läuft gerade vor einem Bundesgericht in der US-Hauptstadt Washington ein Prozess gegen die FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds. Frau Edmonds hatte erklärt, aufgrund ihrer Tätigkeit im FBI-Hauptquartier wisse sie genau, dass die Führung der Organisation vor dem 11. September Kenntnisse über die Verwendung von Flugzeugen als Waffe bei möglichen al-Qaida-Anschlägen gehabt habe. Das US-Justizministerium will mit der Klage verhindern, dass die frühere FBI-Mitarbeiterin in einem Prozess aussagt, den 500 Überlebende und Hinterbliebene des 11. September gegen die Regierung angestrengt haben.

Von Jürgen Elsässer ist gerade das Buch "Kriegslügen. Vom Kosovokonflikt zum Milosevic-Prozess" (Verlag Kai Homilius) erschienen.