Die Avantgarde der Share-Economy
Versuche, die erfolgreiche Wohnungstauschbörse airbnb mit Verboten zu hindern, können den Vormarsch des "Teilens" ist nicht stoppen
Der Staat sieht es nicht gern, wenn seine Bürger sich autonom organisieren. Doch mit den neuen Medien sind die Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung gestiegen: Immer mehr Menschen nehmen an weltweiten Tauschnetzwerken teil und gründen ihre ganz eigenen Wirtschaftsformen: Für viele eine Alternative zu Krise und Prekariat.
Jana wohnt in Paris. Die Deutsche hat lange gebraucht, um eine Wohnung zu finden. Nun zahlt sie ortsübliche 600 Euro Kaltmiete für 18 Quadratmeter, Koch- und Klonische inklusive. Zu viel für eine Studentin, die von einem mageren Stipendium leben muss. Vor kurzen hatte Jana Airbnb entdeckt. Dank dem Onlineportal vermietet sie ihr kleines "Studio" Wochenendweise für 50 Euro die Nacht an Touristen und schläft selbst bei Freunden.
Der Staat schlägt zurück
Dies könnte jedoch bald vorbei sein, denn die Stadt New York hat das Untervermieten von privatem Wohnraum als erste mit einem Verbot belegt. Die Untervermietung wird als illegales Hotel gewertet, wenn die Besucher allein in der Wohnung sind und die Vermietung unter 30 Tagen liegt. Und in Berlin ist das Zweckentfremdungsverbot vom Abgeordnetenhaus auf den Weg gebracht. Auch in Frankreich liegt nun ein Gesetzesvorschlag zur Reglementierung von Airbnb-Praktiken auf dem Tisch der Wohnungsbauministerin Cécile Duflot. Der Staat schlägt zurück.
Seit fünf Jahren nutzt das junge Start-up Unternehmen Airbnb aus San Francisco die weltweiten Gesetzeslücken aus. Die Angebote bewegten sich in einer wirtschaftlichen Grauzone. Mit dem Credo "Lade Freunde ein, die du noch nicht kennst" wollte Airbnb ein Ausnahmeunternehmen werden, eine Art freundliches profitorientiertes Unternehmen: Menschen aus aller Welt vernetzen und dabei allen Seiten Profite sichern.
Das Unternehmen selbst hat nach dem Wirtschaftsmagazin Forbes mittlerweile einen Jahresumsatz von 180 Millionen Dollar, denn pro Wohnungsvermietung kassiert das Portal eine anteilige Marge. Airbnb spricht sich zudem von jeder Verantwortung frei - materielles Risiko, Steuerpflicht und Meldung an den Vermieter unterliegen allein dem Nutzer.
Es fällt also langsam auf, dass es funktioniert
Das Unternehmen reiht sich mit seinem Konzept in einen Trend ein, der sich Share-Economy nennt - auf Tausch basierten Wirtschaftsmodellen. Durch das Internet kann man mittlerweile ganz allein von Tauschgeschäften leben: Vom erfolgreichen Car-Sharing bis hin zu Börsen, wo vom Toaster bis zur Immobilie alles getauscht werden kann. Seit 2012 gibt es auch das Food-Sharing, bei dem überschüssige Lebensmittel privat angeboten werden, die sich der hungrige Verbraucher dann direkt und kostenlos abholen kann. Zudem gibt es auch immer mehr soziale Tauschnetzwerke, wie das im April gegründete "Voulezvousdiner" (Wollen Sie speisen?), wo jeder seine Kochkünste anbieten und Leute einladen oder sich bewirten lassen kann - hier wird im Voraus allerdings ein Preis abgemacht.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Tauschmodelle darin, ob Geld oder eine Gegenleistung im Spiel ist oder der Tausch kostenlos über den Tisch geht- und da liegt der Hase im Pfeffer. Jedenfalls im Fall Airbnb. Denn gegen das sogenannte "Couch-Surfing", wo Einheimische den Globe-Trottern kostenlos einen Schlafplatz anbieten, konnte aus eben diesem Grunde noch nichts unternommen werden.
Dabei ist Airbnb wohl das bis jetzt erfolgreichste Sharing-Modell mit über "600 Millionen sozialen Verbindungen" wie es in der Selbstdarstellung heißt. Gerade weil bei Airbnb im Gegensatz zu anderen Tauschformen Geld im Spiel ist, mag das seine Beliebtheit erklären.
Denn tauschen ist schön, aber noch leben wir vor allem in einer Kauf-statt einer Tauschgesellschaft. Und das macht Airbnb so interessant: Das junge Unternehmen ist eine der ersten Teilnehmer der Share-Economy, die der traditionellen Wirtschaftsbranche ernsthafte Konkurrenz machen. Das Portal droht zum Mainstream zu werden. Nicht nur junge Backpacker oder alternative Ökos, sondern vom Manager bis zum Student nutzen alle das Portal. Es fällt also langsam auf, dass es funktioniert.
Tourismus für alle Gehaltsklassen
Dem Staat ist das Gewerbe mit den privaten Wohnungen deshalb immer mehr ein Dorn im Auge, da es keine ordentliche Definition für die Untervermietungen gibt und die Vermieter nicht selten das eingenommene Geld nicht versteuern. Statt Verboten plädieren Verteidiger der Share-Economy für eine Airbnb-freundliche Gesetzgebung. So hat das kalifornische Sustainable Economies Law Center (SELC), eine Organisation alternativer Anwälte, schon konkrete juristische Vorschläge ausgearbeitet wie Städte und Kommunen verantwortungsvoll mit neuen Share-Phänomenen wie Airbnb umgehen können.
Denn abgesehen von den Hoteliers profitieren die Gemeinden davon, wenn es mehr touristische Angebote für alle Gehaltsklassen gibt. Erkannt haben das bis jetzt wenige Städte und Gemeinden. Zuletzt kündigte immerhin die Stadt Hamburg an, die Vermietung von privatem Wohnraum legalisieren zu lassen.
Doch eben jene Hotellobby will nicht mit sich diskutieren lassen und ist empört über die unerwartete Konkurrenz. Es wird sich über fehlende Standards mokiert und zudem seien die Reisenden auf eigenes Risiko unterwegs, hieß es kürzlich vom französischen Hoteldachverband.
Eigentlicher Hintergrund: Da man in Paris, London und New York und bald auch in Berlin kein ordentliches Hotelzimmer mehr unter 100 Euro die Nacht bekommt, steigen die Reisenden auf Alternativen um. Für 100 Euro kann man bei Privatanbietern gleich eine ganze Wohnung oder ein Loft mitten im Zentrum der Metropolen mieten und dazu noch nette Einheimische kennen lernen. Ginge das also so weiter, müssten die großen Hotellobbys befürchten, enorme Marktanteile zu verlieren - Wettbewerb ist in diesem Falle nicht erwünscht.
Verlierer Konsum?
Fraglich ist demnach auch, ob andere Share-Formen auch so friedlich weiter existieren könnten, wenn sie ebenfalls zur Konkurrenz aufsteigen. Wenn die Mehrheit der Leute am Wochenende nicht mehr in die Einkaufzentren gehen, sondern sich beispielsweise auf örtlichen Tauschbörsen treffen würde oder sich nicht mehr in Restaurants, sondern in privaten Wohnzimmern bewirten ließen.
Die Folgen dieser "utopischen" Welt wären: mehr sozialer Zusammenhalt, nachhaltige Nutzung von Ressourcen und die Integration von heute ausgegrenzten Menschen. Eine win-win Situation. Allerdings gibt es auch einen Verlierer: den Konsum. Denn wenn mehr getauscht und geteilt wird, konsumiert der Verbraucher weniger. Also faktisch eine Katastrophe für unsere Wachstumsgesellschaft. So ist sicherlich auch der Widerstand von Staat und der traditionellen Wirtschaft zu erklären.