Die Befreiung der Arbeit durch die Maschine
...ist für Robotikforscher (noch) kein Thema, wohl aber für einen Autohersteller
"Roboter werden die Welt verändern", verkündete der Aufruf zum Futurist Forum bei der Robotikkonferenz IROS in Hamburg. Sie würden völlig neue Bereiche erobern, bis sie alle Bereiche des Lebens und der menschlichen Erfahrung durchdringen. "Aber wie wird diese Zukunft aussehen?", fragt der Ankündigungstext weiter. "Wie werden sich unsere Welt, die globale Wirtschaft und die Gesellschaften ändern? Welche Wirkung werden diese Veränderungen haben und welche Bedürfnisse ergeben sich daraus in der nahen Zukunft? Und was können Robotik und Automationstechnologien zur Klärung dieser Fragen beitragen?"
Spannende Fragen. Beim Forum ging es dann aber doch erst mal um die Technologie selbst. In Zukunft müsse jeder Roboter über Joint Torque Control verfügen, sagte Gerd Hirzinger und zeigte unter anderen Videoaufnahmen von einem Roboterarm, der dank sicherer Beherrschung der Gelenkkräfte am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen Basketball mehrmals auftippte. Intuitive Programmierung werde bald verfügbar sein, Robotergefährten könnten dann mit simplen Kommandos gesteuert werden.
Oussama Khatib (Stanford University) stimmte dem zu. Roboter seien reif, sagte er, es habe Fortschritte bei Mobilität und Manipulation gegeben, doch die Integration der verschiedenen Fähigkeiten sei noch nicht ausreichend. Sicherheit im Umgang von Mensch und Roboter könne auch durch verteilte Intelligenz in der Umgebung gewährleistet werden. Zum Schluss fragte Khatib: "Aber ist die Oma glücklich mit Robotern?"
Danach gab es Ausführungen über Datensicherheit, Videos, in denen attraktive Frauen mit attraktiver Technik arbeiteten, Überlegungen, wie man Menschen an Roboter gewöhnen könne, und die Frage, ob sie nun Arbeitsplätze wegnehmen oder neue schaffen. Das war dann doch etwas enttäuschend, ausschließlich von der Technologie und vom Marketing her gedacht, ohne jede gesellschaftliche Perspektive.
Wie wäre es, Roboter nicht als Arbeitsplatzvernichter zu sehen, sondern als Befreier der Arbeit? Wenn Maschinen weitgehend selbstständig alle für den menschlichen Lebensunterhalt erforderlichen Arbeiten übernehmen können, müssen es die Menschen nicht mehr, sondern können Arbeit wieder als Entfaltung ihrer Persönlichkeit erleben, als etwas, das sie aus innerem Antrieb tun, um sich weiterzuentwickeln, sich künstlerisch auszudrücken, vielleicht auch, um Geld zu verdienen. Doch dieses Geld dient nicht dem Lebensunterhalt. Der wäre bereits durch ein bedingungsloses Grundeinkommen gewährleistet, erwirtschaftet durch Roboter. Auf den Fluren des Hamburger Kongresszentrums finden solche Gedanken viel Zustimmung. Sie werden es früher oder später auch auf die große Kongress-Bühne schaffen, wenn das Futurist Forum einen ausreichend langen Atem entwickelt und sein Profil bei den folgenden Kongressen schärft.
Bis dahin gibt es außer der Konferenz-Kaffeepause aber auch andere Gelegenheiten, sich über die soziale Integration von Robotern zu verständigen. Ungewöhnliche und unerwartete Gelegenheiten manchmal. So lud nur eine Woche vor der IROS der Automobilkonzern Mazda Journalisten zur Challengers Conference nach Barcelona ein. Da ich mich nicht für Autos interessiere und nicht darüber berichte, fühlte ich mich zunächst nicht angesprochen. Doch bei der Veranstaltung sollte es gar nicht um Autos gehen, sondern um die Zukunft der Arbeit. Die Friedensnobelpreisträgerin Jody Williams würde sprechen, unter anderem über ihre Kampagne gegen Killerroboter. Andere Vorträge behandelten das Prekariat, das Maker Movement und neue Formen des Wirtschaftens. Und ich würde mit allen Referenten Einzelinterviews führen können.
Alles in allem war das eine Konstellation, die meinem Weltbild so gar nicht entsprach. Ein Automobilkonzern lädt ein zum Gedankenaustausch, wie wir den Kapitalismus überwinden können? Unvorstellbar. Also habe ich die Einladung angenommen, den Vorträgen gelauscht und fünf Gespräche geführt. Sie werden hier in der gleichen Reihenfolge wiedergegeben, wie sie stattgefunden haben.
Ja, Roboter verändern die Welt. Es ist jetzt schon eine Geschichte mit manchmal überraschenden Wendungen. Was mag da noch alles auf uns zukommen? Wir müssen die Sache im Auge behalten und weiter darüber reden.
Gespräch mit Guy Standing: Die neue große Transformation