Die Covid-19-Pandemie im West-Ost-Konflikt
Einzig Ungarn schert aus und hat aufgrund eines Schlupflochs in einer EU-Richtlinie den russischen Impfstoff Sputnik V zugelassen, Sicherheitsbedenken lassen sich bei den überstürzten Genehmigungsverfahren kaum geltend machen, auch Brexit-Großbritannien ist nun aus der EU-Politik ausgeschert
Wir scheinen uns auch im Kampf gegen Covid-19 in einem Konflikt zwischen dem Nato-Westen und Russland zu befinden. Die Europäische Union, die eine gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen beschlossen hat, tut so, als würde es nur Impfstoffe aus dem Westen geben, die aus Russland und China werden kaum erwähnt und kommen schon gar nicht in Betracht, eingesetzt zu werden.
Dabei sind angeblich bereits mehr als eine Million Chinesen mit dem chinesischen Vakzin "New Crown COVID-19", der auf inaktivierten Viruspartikel basiert, geimpft worden, angeblich ohne Nebenwirkungen. Daneben gibt es noch den Ad5-nCoV-Impfstoff mit einem Adenovirus-Vektor und dem Spike-Protein. Der Klinische Test der Phase 3 ist bei beiden Impfstoffen noch nicht abgeschlossen. Ende November hat das russische Militär begonnen, Soldaten mit Sputnik V zu impfen. Dabei müssen zwei Impfdosen gegeben werden. Auch hier läuft der Klinische Test der Phase 3 noch. Nächste Woche soll nach Anordnung Putins mit Massenimpfungen begonnen werden, zuerst mit Lehrern und dem medizinischen Personal. 2 Millionen Impfdosen sollen bis dahin produziert worden sein. Die Impfung soll freiwillig sein, Russen erhalten sie kostenlos.
Die Milliarden sollen an die westlichen Impfstoffhersteller fließen, bislang sind es Astra-Zeneca, Sanofi-GSK, Johnson & Johnson, Biontech, Curevac und Moderna. Die brauchen zwar ein wenig länger mit der Notzulassung, aber die beschleunigten Verfahren der klinischen Tests und der Zulassung versprechen nicht notwendig mehr Sicherheit. Immerhin soll auch der mit einem Adenovirus als Vektor arbeitende russische Impfstoff Sputnik V nach einer zweiten Analyse mit 18.000 Versuchspersonen eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent haben und damit mit Pfizer, Biontech, Moderna etc. gleichzustehen. Die EU-Kommission tut zwar so, als würde man Sputnik mit einem Adenovirus-Vektor nicht aus Prinzip ablehnen, sondern fordert, dass der Impfstoff in Europa hergestellt und bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) angemeldet werden müsse. Vorbehalte gibt es wegen der angeblichen Intransparenz.
Blockbildung in der Pandemie
Ungarn unter Orban ist in der EU ein Querulant. Obwohl Seite an Seite mit Polen mit dem Veto gegen den EU-Haushalt stehend, geht man in Budapest einen eigenen Weg, den Polen völlig ablehnt, und will den Sputnik-Impfstoff einsetzen, erworben hat ihn Ungarn schon, aber nur ein paar Dosen, ob und wann Russland liefern kann, ist fraglich. Kreml-Sprecher Peskow betonte, dass die Russen zuerst mit dem Impfstoff versorgt würden. Putin sagte gestern, man erkunde gerade, wie die Staaten der "Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit" (CSTO) - Armenien, Kasachstan, Kirgisistan,Tadschikistan und Weißrussland - mit Sputnik und den beiden anderen russischen Impfstoffen versorgt werden können. Neben Sputnik V ist auch der mit Peptiden arbeitende Impfstoff Epivaccorona bereits registriert und soll im Januar eingesetzt werden.
Unruhe gibt es im transatlantischen Bündnis, weil Ungarn nicht nur Impfstoff aus Russland, sondern auch aus China einführen will. Vorgeworfen wird Ungarn, dass die Zulassung aus politischem Druck geschehe, zudem gebe es Sicherheitsbedenken, was das Vertrauen in Impfungen untergraben könne. Das aber ist scheinheilig, der Druck auf die European Medicines Agency (EMA) seitens der Politik und der Pharmakonzerne ist ebenfalls sehr hoch, was auch die schnelle Genehmigung für Großbritannien gestern durch die britische MHRA für den Pfizer/Biontech-Impfstoff zeigt. Nächste Woche soll bereits mit dem Impfen begonnen werden.
Die EU-Kommission will für die Zulassung der Impfstoffe von Moderne und Biontech/Pfizer aber noch auf die Prüfung durch die EMA warten und wurde von der britischen Entscheidung überrascht, da man gerade über eine "Europäische Gesundheitsunion", also über eine Zentralisierung der europäischen Gesundheitspolitik, sprechen wollte. Die britische Entscheidung könnte auch andere Mitgliedsländer dazu motivieren, ebenfalls national wie Ungarn Impfmittel zu genehmigen, zumindest kam bei Gesundheitsministern auch Kritik über das Vorgehen der EU-Kommission auf. Maltas Gesundheitsminister etwa sagte, es wäre hilfreich, wenn die EMA erklären würde, warum die Genehmigung so lange braucht. Daher steht die EMA unter erhöhtem Druck, nun die Genehmigung für das Pfizer/Biontech-Vakzin auszusprechen. Das soll spätestens am 29. Dezember geschehen. Erst dann können die Mitgliedsländer Impfdosen erhalten. Die EU-Kommission schreibt:
Für die Zulassung eines Arzneimittels benötigt die EMA belastbare Informationen über Sicherheit, Wirksamkeit und pharmazeutische Qualität, wobei die Sicherheit an erster Stelle steht. Die Sicherheitsanforderungen an COVID-19-Impfstoffe sind unverändert genauso hoch wie bei jedem anderen Impfstoff in der EU; daran wird auch eine Pandemie nichts ändern.
EMA erklärt, man habe keine Daten aus Russland erhalten, Russland hat die Bereitschaft signalisiert, die notwendigen Daten der EMA zu übergeben. Die Nichtberücksichtigung von Sputnik und anderen russischen Impfstoffen dürfte auch politischen und wirtschaftlichen Interessen entsprechen, nicht nur angeblich hehren Sicherheitsbedenken. Die russischen Impfstoffe basieren auf der bekannten Vektor-Methode, während die EU offenbar bislang die neuen, noch nicht in Massenimpfungen erprobten mRNA-Vakzine bevorzugt, die nur mit hohem und teurem logistischen Aufewand ausgeliefert werden können. Ungarn rechnet sich Chancen aus, Sputnik auch im Land herstellen zu können - und wenn der Impfstoff wirksam, sicher und günstig ist, könnte man dann davon profitieren, weil damit zumindest eine Forderung der EU eingelöst würde. Aber man sichert sich auf allen Seiten ab und hat für Ungarn auch 6,5 Millionen Impfdosen von Astra-Zeneca reserviert.
Die EU-Kommission hat nun aber eingelenkt. In Ausnahmesituationen hätten die EU-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Arzneimittel in Notzulassungen für eine beschränkte Zeit auch ohne Prüfung durch die EMA zu genehmigen. Das ist eine Ausnahmeregelung nach der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. EU-Kommissionssprecher Eric Mamor sagte am Montag in dem Sinne, dass Sputnik V in Ungarn vorübergehend verwendet werden darf, aber in keinem anderen EU-Mitgliedsland. Zudem trage Ungarn für die Verwendung des Impfstoffs die volle Verantwortung.