Die Dummheit der Amerikaner
Seite 2: Politische Comedy bringt nichts
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Indem sein Humor ins Leere läuft, belegt "Vice" eine grundsätzliche, weit über ihn selbst hinausgehende Schwäche von dieser Art politischer Comedy. Politische Comedy ist gerade so populär wie nie zuvor. Aber sie bringt nichts.
Zwar informieren Comedy-Sendungen und Talk-Shows besser, als die Nüchternheits-gläubigen Nachrichten, aber sie depolitisieren die Wählerschaft, in dem sie den Eindruck verstärken, Politik sei eigentlich nur eine große Unterhaltungsshow.
Der Rechtsruck ist global. Die Korruption ist schlimmer als je zuvor. Die Umgestaltung der Demokratien in autoritäre Regimes - durch mehrheitlich per Wahl ermächtigte Regierungen läuft in konkreter Praxis ganz subtil ab.
Was haben die politischen Comedys daran geändert? Dagegen getan? Nichts. Sie haben den Prozeß befördert.
"Vice" versagt dort, wo es den Menschen Cheney zu fassen versucht. Die einzigen Szenen, die einen humanen Cheney zu zeigen versuchen, erscheinen als Alibi-Momente: die offenkundige Liebe des Mannes zu seiner Familie, die überraschende Toleranz gegenüber seiner lesbischen Tochter Mary, zu deren Gunsten Cheney sogar auf eine Präsidentschaftskandidatur verzichtet.
Was sind seine Ziele? Cheney ist ja kein Idiot. Er hat Motive. Vielleicht nur private. Vielleicht Geld und Macht. Aber hier bleibt er Karikatur, hier bleibt der Film ungemein naiv, denn seine Macher können sich offenkundig nicht vorstellen, dass so ein Mensch auch Überzeugungen hat. Stattdessen wirkt alles irgendwie absurd, und der Film stellt allenfalls eine - angebliche - düstere, makabre Komik eines Systems bloß.
Der Regisseur will Cheney nicht humanisieren, aber er kommt kaum darum herum. Damit wir das nicht so merken, dehumanisiert er Amerika.
Es gibt Menschen, die sind auf Anhieb sympathischer als Richard Cheney. McKay zeigt Cheney als grauen Bürokraten, als Chamäleon der Macht, zugleich als dämonischen Puppenspieler hinter den Kulissen. Ein schmeichelhaftes Portrait, denn insgesamt ist dies zwar ein verstörendes Denkmal, aber eben ein Denkmal.
Wir erleben einen Menschen, der den Irakkrieg inszeniert hat, Todesurteile unterzeichnet, die Folter legitimiert, Agenten enttarnt, um missliebige Angehörige zu bestrafen, Milliarden-Deals mit der Ölindustrie eingefädelt, dafür Hunderttausende getötet - Desinformationen, Falschmeldungen und Aushöhlung der Demokratie nicht mitgerechnet. Vielleicht ist Comedy doch die falsche Form für so etwas?
Diese Vergötzung ist in der Konsequenz eine Verniedlichung. Man könnte nach diesem Film fragen: Ist Richard Cheney nicht schlimmer als Trump? Und nach der Antwort "Ja" dann folgern: Trump ist gar nicht so schlimm.
Oder bewirkt dieser Film fast eine liberale Nostalgie für jene Zeiten, als rechte Politiker vielleicht sehr rechts waren, aber doch rational handelten, als sie einen gewissen Geschmack hatten, nicht vulgär waren und ein paar Werte, an die sie glaubten?
I’m like bed bugs. You have to burn the mattress to get rid of me.
Donald Rumsfeld in "Vice"
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