Die EU hat viel Geld für gescheiterte Projekte zur CO2-Sequestrierung in den Sand gesetzt

Sleipner-Gasfeld, in dem seit 1996 CO2 unter dem Meeresboden gespeichert wird. Bild: Bair175/CC BY-SA-3.0

Mit Abscheidung und Speicherung von CO2 (CSS) wollte man Emissionen reduzieren und zugleich die Konjunktur anschieben, der Europäische Rechnungshof konstatierte das teure Scheitern des Programms

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Wer nichts verändern will, versucht Techniken zu entwickeln, um die Folgen von Techniken, deren Nebenwirkungen schädlich sind, zu kompensieren. Das wäre prima, denn so könnte man ungestört weitermachen und etwa die die Klimaerwärmung vorantreibenden CO2-Emissionen ausstoßen, die mit neuer, steuerlich geförderter Technik, die Profite und Arbeitsplätze schaffen, einfach beiseiteschaffen.

Das ist die Idee des CCS-Konzepts, also der Abscheidung und Speicherung von CO2, oder des CCUS-Konzepts, bei dem CO2-Emissionen abgeschieden, genutzt und dann gespeichert werden. Damit würden die eingefangenen CO2-Emissionen etwa von Kraftwerken, Chemiefabriken oder Zementherstellern nicht nur weggepackt, wo sie nicht mehr - oder eher zeitweise - nicht mehr stören, sondern könnten noch einmal zwischenzeitig als Ware verkauft werden.

Das Einpumpen von CO2 wird zwar bereits seit Jahrzehnten verwendet, beispielsweise zur Ölgewinnung, aber die langfristige und vor allem sichere Speicherung in unterirdischen Lagern ist ein neues Konzept, dessen Folgen und Risiken noch völlig unklar sind. CCS kann zwar die CO2-Emissionen etwa von Kraftwerken erheblich reduzieren, das Abscheiden benötigt aber selbst wieder viel Energie. Und es sieht überdies so aus, dass erneuerbare Energien so billig werden, dass sich CCS, selbst wenn die Technik ausgereift wäre, überhaupt im Vergleich schlicht zu teuer käme.

Die EU hat im Zuge der Klimapolitik zur Reduzierung der CO2-Emissionen ab 2007 begonnen, CCS-Techniken zu fördern. Bekanntlich wollte man bis 2020 die Emissionen um 20 Prozent reduzieren, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent erhöhen und die Energieeffizienz um 20 Prozent verbessern. Letzteres klappt mitunter auch deswegen nicht, weil leistungsstärkere Maschinen auf den Markt kommen und gekauft werden. Bestes Beispiel die Autoindustrie. Die effizientere Leistung der Motoren wird durch größere, leistungsstärkere und schwerere SUVs wieder aufgewogen. Bei Bildschirmen, Notebooks oder Smartphones ist das ähnlich. Das nennt man auch den Rebound-Effekt.

Weil man aber nicht nur die Klimaerwärmung bekämpfen, sondern damit gut kapitalistisch einen neuen Markt und neue Produkte schaffen wollte, um die Finanzkrise besser zu überstehen, wurde das Europäische Energieprogramm zur Konjunkturbelebung (EEPR) mit insgesamt 4 Milliarden Euro gestartet, das neben CSS auch die Windenergie voranbringen sollte, und die Reserve für neue Marktteilnehmer (NER300) eingerichtet, die mit dem Verkauf von Emissionszertifikaten ebenfalls mit Milliarden CCS-Projekte fördern sollte. Daneben gab es weitere Forschungsprogramme.

Das ist nun 10 Jahre her, und richtig, man hat weder von CSS noch von CCUS viel gehört, schon gar nicht von großen Durchbrüchen. Jetzt hat sich der Europäische Rechnungshof - es gibt also auch in der EU gewisse Checks and Balances - der Sache angenommen. In seinem Bericht kam zum Schluss, dass EEPR zwar die Windenergie erfolgreich voranbrachte, aber nicht CSS, NER300 hatte aber wie EEPR ansonsten keinen Erfolg, innovative Techniken erfolgreich zu entwickeln. Ein entscheidender Grund war auch, dass NER300 zu wenig Einnahmen erzielte, weil der CO2-Preis nicht stieg, also die kapitalistisch motivierten Emissionszertifikate nicht funktionierten. Dadurch wurde es nicht rentabel, Techniken zur Abscheidung und Speicherung von CO2-Emissionen zu entwickeln.

Andererseits ist überhaupt nicht klar, ob es rentabel oder überhaupt sinnvoll sein kann, nicht CO2-Emissionen zu reduzieren, sondern diese unterirdisch etwa in alte Öl- oder Gasfelder oder in saline Aquifere zu pumpen, wo sie dauerhaft bleiben und nicht wieder in die Atmosphäre gelangen sollen.

CCS-Konzept. Bild: EU

"Kein erfolgreiches Projekt für die CO2-Abscheidung und -Speicherung hervorgebracht"

Im Rahmen des EEPR-Programms wurde eine Milliarde Euro aufgelegt, um bis 2015 12 CSS-Demonstrationsprojekt im kommerziellen Maßstab zu bauen und in Betrieb genommen zu haben. Es wurden bis Ende 2017 nach dem Rechnungshof 424 Millionen Euro ausgegeben. Es gab nur 6 Projekte, die aber alle eingestellt wurden. Das Geld verpuffte also in eine nicht profitable, wahrscheinlich unsinnige Energietechnik, die mit einem Versprechen einherkam, das einem Perpetuum Mobile entspricht. Es wurde, so scheibt der Rechnungshof, "mit der Unterstützung aus dem EEPR-Teilprogramm für CCS keine einzige CCS-Demonstrationsanlage errichtet und in Betrieb genommen" - ganz im Gegensatz zur Förderung von Offshore-Windanlagen, wo vier Projekte erfolgreich waren und drei dies noch werden könnten. Als Konjunkturprogramm hat EEPR versagt.

Nicht anders sieht es beim NER300-Programm aus: Es hat "kein erfolgreiches Projekt für die CO2-Abscheidung und -Speicherung hervorgebracht", konstatiert der Rechnungshof. Das hatte aber auch damit zu tun, dass es Uneinigkeit zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedsländern gab, die Projekte bestätigen mussten, um Finanzhilfen zu erhalten. Dabei ging es beispielsweise um Finanzierungslücken, für die weder die Kommission noch das Mitgliedsland geradestehen wollte. Aber auch bei anderen Projekten zur innovativen Erzeugung erneuerbarer Energien kam nichts zustande. Für 38 Projekte wurden 1,8 Milliarden Euro bewilligt. Nur 2 Bioenergie-und 4 Windenergieprojekte gingen in den Betrieb, die Bioenergieprojekte lagen allerdings weit unter der verlangten Leistung.

"Wir stellen fest, dass keines der Programme darin erfolgeich war, CCS in der EU einzusetzen", so der Rechnungshof abschließend. Er gesteht zu, dass es viele Hürden gab, etwa bei den Regulierungen und zu strikten Forderungen, aber auch dadurch, dass erneuerbare Energien ebenso billiger wurden wie fossile Energien. Kann sein, dass man die Kosten und Schwierigkeiten der Entwicklung unterschätzt hat, vielleicht hat man aber auch einfach aufs falsche Pferd gesetzt, weil man mit CSS letztlich Veränderungen bei den CO2-Emittenten vermeiden wollte.

In Europa gibt es nur ein größeres CCS-Projekt in Norwegen. Hier wurden bereits seit 1996 im Sleipner-Gasfeld in der Nordsee fast eine Million Tonnen CO2 pro Jahr einen Kilometer unter den Meersboden gepumpt, im Gasfeld Snøhvit in der Barentssee jährlich 700.000 seit 2008, im Feld Gudrun seit 2014 CO2 injiziert.

Im neuen Projekt soll CO2 von einer Zementfabrik von Heidelberg Cement und einer Müllverbrennungsanlage mit Schiffen im Troll-Feld 2000 Meter unter den Meeresboden gepumpt werden. Erwartet wird allerdings, dass die EU das Projekt mit finanziert, die Kosten für die ersten 5 Jahre werden auf 1,6 Milliarden Euro veranschlagt. Norwegen will damit zu einem geschäftstüchtigen CCS-Pionier werden, der die Möglichkeit eröffnet, dass andere Länder abgeschiedenes CO2 hier lagern können. Die EU-Kommission hält sich zurück und will offenbar nicht weitere Gelder in die teure Technik versenken.

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