Die EU will ein Identifikationssystem für die Benutzer von Prepaid-Telefonkarten
In Holland dürfen IMSI-Catcher von Polizei und Geheimdiensten schon eingesetzt werden
Die EU-Mitgliedsstaaten sollen ein EU-weites gemeinsames Verfahren zur Identifizierung der Benutzern von Prepaid-Telefonkarten einführen. Nach Spanien, das derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, ist ein solches System notwendig zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens.
Spanien brachte den Vorschlag während eines Treffens der Arbeitsgruppe über Drogenhandel, die dem Bereich Justiz und Inneres des Europäischen Rats unterstellt ist, zu Beginn des Jahres auf den Tisch. Nach Spanien sind anonyme Prepaid-Telefonkarten "einer der technologischen Erneuerungen, die am meisten von Kriminellen verwendet werden".
Spanien verweist auf den bekannten Beschluss des Rats aus dem Jahr 1995 über das legale Abhören der Telekommunikation, der für die Mitgliedsstaaten die sogenannten Anforderungen zum Abhören aufführt.
"Die Minister sehen mit Sorge, dass die Verwendung von Prepaid-Telefonkarten unter den gegenwärtigen Bedingungen der Anonymität für die Benutzer die Umsetzung der Anforderungen und Prinzipien verhindert, die in diesem Ratsbeschluss festgelegt wurden. Die fehlende Regulierung der anonymen Prepaid-Telefonkarten widerspricht der Notwendigkeit der Strafverfolgungsbehörden nach einem Zugang zur Telekommunikation."
Nach Spanien erfassen die meisten EU-Mitgliedsstaaten nicht die Prepaid-Karten und auch nicht die Benutzer. Spanien fordert die anderen Länder daher auf, "harmonisierte Regulationsanforderungen" zur Identifizierung der Benutzer der Prepaid-Kartentechnologie in Betracht zu ziehen, um "die Anonymität, soweit dies mit dem Schutz der Kundendaten der Netzbetreiber vereinbar ist, zu beenden". Spanien gesteht zwar zu, dass es schwierig sein dürfte, ein Verfahren zur Identifizierung der Benutzer von Prepaid-Telefonkarten einzuführen, warnt aber, dass die Verwendung dieser Karten von kriminellen Organisationen "die Nachforschungen im Bereich des organisierten Verbrechens so behindert", dass der Spielraum zum Handeln zumindest erkundet werden sollte,
Die holländische Regierung versuchte seit einigen Jahren, eine Registrierung für die Benutzer von Prepaid-Karten einzuführen. Jeder Käufer einer solchen Karte hätte sich ausweisen und das betreffende Telekom-Unternehmen die Daten aufbewahren müssen. Nachdem sich diese heftig dagegen zur Wehr gesetzt hatten, wurde die Regelung nie verwirklicht. Die Provider fürchteten vor allem die daraus entstehenden Kosten und schlugen eine Alternative vor: den Einsatz der sogenannten IMSI-Catcher. Seit März 2002 wurden diese formell in Holland eingeführt.
Der IMSI-Catcher ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, die weltweit eindeutigen IMSI-Nummern (International Mobile Subscriber Identity) von Prepaid-Handys zu erfassen. Der IMSI-Catcher gibt sich als Transmitter oder Funkzelle eines GSM-Netzwerks aus. Alle Mobiltelefone in der Nähe des IMSI-Catchers werden von diesem "eingefangen", der dann angibt, dass die temporäre Identifikationsnummer nicht mehr gültig sei. Die Mobiltelefone melden sich dann automatisch neu mit ihrer IMSI-Nummer an, die von der simulierten Funkzelle registriert wird. Die Überwacher können dann feststellen, wo und wann ein Verdächtiger das Telefon benutzt.
Mit diesen Daten lässt sich dann in den Verbindungsdaten der Provider feststellen, welche Telefonnummer zu der IMSI-Nummer gehört. Dann können die Strafverfolgungsbehörden direkt das Telefon des Verdächtigen abhören und die Verbindungsdaten auswerten.
Nach den Gesprächen zwischen der Regierung und den Providern schwand bei letzteren ihre Begeisterung über den Einsatz von IMSI-Catchern, als diese eingeführt wurden. Die Provider fürchten jetzt Störungen ihrer Netzwerke und mögliche Beschwerden ihrer Kunden. Doch nach der holländischen Regierung sei dieses Risiko gering.
Ein weiteres Problem ist eine andere Nutzung des IMSI-Catchers. Er kann auch verwendet werden, um willentlich jede Telekommunikation in einem Gebiet zu stören oder direkt Gespräche abzuhören. In Holland ist dies nur in Krisenfällen wie Geiselnahmen erlaubt. Die holländische Regierung und die Provider vereinbarten, die Möglichkeit der Störung und des Abhörens vor dem Einsatz zu blockieren. Die Polizei aber war damit nicht einverstanden. Sie ist der Meinung, es genüge, Regeln zu formulieren, um Situationen festzulegen, in denen auch die anderen Funktionen des IMSI-Catchers benutzt werden dürfen, während eine technische Sperre überflüssig sei. Doch das Justizministerium bestand auf der technischen Sperre, da die Sorge vor schwierigen Auseinandersetzungen vor Gericht bestand, ob die Polizei heimlich die Möglichkeit des direkten Abhörens benutzt hat oder nicht.
Auch die holländischen Geheimdienste dürfen IMSI-Catcher einsetzen, aber sie haben weitergehende Rechte. So dürfen sie damit direkt Gespräche abhören und müssen keine Aufzeichnungen über den Einsatz der IMSI-Catcher machen.