Die EURO-Umstellung kann nationalistische Einstellungen fördern
Psychologische Folgen des DM-Abschiedes
Noch gehen die Ängste vor der Einführung des EUROs in alle Richtungen, so manch einer fühlt dabei ein Unbehagen, ohne es näher erklären zu können. Viele befürchten eine versteckte Preiserhöhung, die sich inzwischen auch schon zum Teil bewahrheitet hat, denn die Einzelhändler runden ihre Preise jetzt schon "Euro-gemäß" auf und nur recht selten ab. Wissenschaftler des rheingold Institutes für qualitative Markt- und Medienanalysen spürten den Ängsten jetzt in einer tiefenpsychologischen Studie nach und kamen zu dem Ergebnis, dass den Deutschen durch die bevorstehende Währungsumstellung ein Stück "Wir-Gefühl" verloren ginge und sie sich deshalb neuen nationalen Identitätsmustern zuwenden könnten.
Die Deutsche Mark als Nachkriegswährung hat sich das Vertrauen der Deutschen redlich verdient, zeigte sie im Verlauf ihrer Geschichte doch kaum Schwächen. Besonders nach der Wende war die DM für viele Ostdeutsche die Währung, in die sich sämtliche Hoffnungen legten. Doch nun heißt es langsam Abschied von der vertrauenswürdigen Währung zu nehmen. Am 1. Januar 2002 kommt endgültig der EURO als Zahlungsmittel in den Umlauf und bis Ende Februar sollen auch die letzten Glückspfennige aus den Portemonnaies der Deutschen verschwunden sein. Mit großen Werbekampagnen fahnden die Banken schon heute nach den so genannten "Schlafmünzen". Die jahrelang gut gefütterten Sparschweine sollen möglichst jetzt geschlachtet werden, weil sonst in der heißen Umtauschphase mit riesigen Schlangen an den Bankschaltern gerechnet werden muss.
Währung als psychologisches Bindeglied zur nationalen Identität In vielen Umfragen äußern sich die Deutschen recht skeptisch zur Umstellung der Währung. Hauptsächlich werden Ängste vor einem Stabilitätsverlust und den damit verbundenen Preiserhöhungen als Grund für das Misstrauen in die neue Währung angegeben. Die Studie "Einführung des Euro und Verlust der DM in Ost- und Westdeutschland" führt aber auch noch andere Gründe an. In tiefenpsychologischen Interviews stellte sich heraus, dass es eine tiefe psychologische Bindung an die Währung und das "Wir-Gefühl" der Deutschen gibt. Die Psychologen vermuten, dass durch das Verschwinden der DM die Frage nach der nationalen Zugehörigkeit stark erschüttert werden kann und die Frage, was Deutsch ist, neu belebt wird. Besonders ausgeprägt sind diese Verlustängste bei den Ostdeutschen, denn der EURO wird als heimatlose Währung in einer eher identitätslosen Europäischen Vereinigung empfunden.
Der Euro gehört der EU. Das ist nicht mehr das Heimatgeld. Das haben außer uns noch elf andere Länder - das ist heimatloses Geld!
Zitat eines westdeutschen Interviewpartners
Die Forscher sehen ernsthafte Zeichen einer psychologischen Krise durch die tief greifende Verunsicherung, die eine verstärkte Zuwendung zu anderen Symbolen mit nationaler oder regionaler Identität auslösen kann.
Insbesondere in den neuen Bundesländern kann diese Entwicklung auch zu einem weiteren Anwachsen rechtsradikaler Tendenzen führen.
Bei den Probanden zeigte sich, dass das eigentliche Problem nicht die Währungsumstellung ist, die bei manchen einhergeht mit den Fragen nach der Stabilität, versteckten Preiserhöhungen oder den Umstellungen in der Gewöhnungsphase an die neuen Münzen und Geldscheine. Diese Probleme werden von den Interviewpartnern als lösbare Probleme angesehen. Deutlich wurde, dass die Befragten die Zugehörigkeit zur Europäischen Union faktisch nicht wahrnehmen und insoweit keinerlei Identitätsbindung besitzen. Vielmehr verdrängen viele die Einführung immer noch oder verleugnen die bevorstehenden Veränderungen: "Ich glaube nicht daran, dass der Euro kommt!"
Das ist, als würde man den Engländern den Tee und die Queen nehmen. Was bliebe ihnen dann noch? Nur der Regen. Und was bleibt uns, wenn die Mark weg ist?
Zitat Westdeutschland
Der Verlust der Deutschen Mark wird als persönlicher Verlust aufgefasst, der einer Begräbnisstimmung gleichkommt. Besonders die Ostdeutschen zeigten in den Interviews deutliche Reaktionen von Schweigen bis hin zu Wutausbrüchen und Weinkrämpfen. Da haben sie sich ihr Leben lang nach der DM gesehnt und nun wird sie ihnen schon wieder fortgenommen. Manche packt gar die Sammelleidenschaft, damit auch die Enkel wissen, "wo ihre Wurzeln sind." Die Währungsumstellung verbinden die Befragten schnell mit Themengebieten wie Deutsche Geschichte, Nationalstolz, Entfremdung, Einwanderung, Leitkultur und Verlust von Identität und Heimat.
Erst wird die D-Mark abgeschafft, dann die deutsche Sprache, und bald gibt es die Deutschen nicht mehr!
Zitat Westdeutschland
Mit der Einführung der DM im ehemaligen Hoheitsgebiet der DDR war die Mark das zentrale Symbol, endgültig vollwertige Deutsche zu sein. Zwar konnte sich bis heute das Identitätsgefühl nicht vollständig erfüllen, doch gilt die Währung als Einheitsstifter des wiedervereinten Deutschlands.
Die D-Mark überbringt die deutschen Eigenschaften. Die DDR ist Ostdeutschland geworden.
Zitat Ostdeutschland
Wegfall der nationalen Identität
Die Projektleiter Simone Severin und Michael Schütz legen dar, dass in allen europäischen Ländern ein nationales "Wir-Gefühl" als selbstverständlich wahrgenommen wird, während die Deutschen auf Grund der geschichtlichen Vergangenheit ein Nationalgefühl nur bis zu einer bestimmten Grenze empfinden können. Oft ist allein durch die Benutzung des Begriffs "National" die Grenze erreicht. Insofern befindet sich der Deutsche permanent auf der Suche nach Identitätssplittern wie der Nationalelf oder anderen Sportstars wie Boris Becker oder Michael Schumacher. Doch zu den wichtigsten und vor allem stabilsten Identitätssplittern gehört ohne Frage die Deutsche Mark. Die Forscher vermuten, dass mit ihrem Wegfall das Band zwischen den Deutschen, zwischen den Generationen, zwischen Ost und West durchtrennt und die grundlegende Sehnsucht nach Selbstbild, Abgrenzung und Wir-Gefühl wieder frei wird. Als Schlussfolgerung daraus könnte ihrer Meinung nach die Frage nach der nationalen Bedeutung an Schärfe gewinnen. Viele werden sich auf die Suche nach neuen Gemeinsamkeiten und einem nationalen Selbstverständnis begeben. In diesem Zusammenhang vermuten die Wissenschaftler "ein stärkeres Auseinanderdriften von Ost- und Westdeutschland sowie ein Erstarken rechtsradikaler Tendenzen".