Die Energiewende wieder in Schwung bringen
Seite 3: Autos und Energiezukunft
Mittlerweile besteht auch in Deutschland Konsens darüber, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört. Allerdings sind die Entscheidungen für die Elektromobilität nicht in Deutschland sondern im Ausland, speziell in den USA und in China, gefallen.
In den Führungsetagen der deutschen Autoindustrie wollte man das lange Zeit nicht zur Kenntnis nehmen und dachte, man könne weiter wie bisher Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor produzieren. Jetzt hat man den Anschluss bei der E-Mobilität weitgehend verloren und es drohen Verluste von großen Marktanteilen.
Und es gibt noch ein weiteres Problem: Wenn erst Produktion und Verkauf von Elektrofahrzeugen in großem Maße angelaufen sind, entwertet das die herkömmlichen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor stark. Dann wissen die Kunden nämlich, dass diese Autos schon technisch veraltet und moralisch verschlissen sind, wenn sie noch fabrikneu beim Autohändler stehen.
In diesem Fall lassen sich die Fahrzeuge nur noch mit starken Preisnachlässen verkaufen, zumal auch das Verkaufsargument "hoher Wiederverkaufswert" entfällt.
Aber die Autofirmen haben dafür eine einfache Gegenstrategie. Sie verkaufen das neue Modell zunächst einfach zu stark überteuerten Preisen und zwingen so die wenige betuchte Kundschaft, weiter die alten Modelle abzunehmen.
Natürlich ist heute jeder große Automobilhersteller in der Lage, Elektroautos aller Art zu konstruieren. Aber der Elektroantrieb ist eine neue Technologie, die eine teilweise völlig neue Zulieferindustrie erfordert.
Der größte Engpass dürften dabei die Akkuzellen sein. Derzeit haben wir in Deutschland keine nennenswerte Fertigung von Lithium-Ionen-Akkus für Fahrzeuge. Und dummerweise ist es auch nicht damit getan, jetzt einfach ein paar Batteriefabriken aus dem Boden zu stampfen, denn für deren Betrieb benötigen wir dann ausreichend Rohstoffe, in erster Linie Lithium.
Der Lithiumbedarf steigt zurzeit weltweit wesentlich schneller als die Produktion. Das Gleiche gilt für das benötigte Kobalt. Deshalb werden Zellen für die Traktionsbatterien auch in absehbarer Zukunft der produktionsbestimmende Engpass bleiben.
Ein alltagstaugliches E-Auto muss über eine Reichweite von mindestens 300 Kilometer, besser 400-500 Kilometer verfügen, bei sonst ähnlichem Fahrverhalten wie ein herkömmliches Auto der entsprechenden Klasse, damit es vom Kunden akzeptiert wird. Dazu sind Akkukapazitäten von mindestens 50-80 kWh notwendig.
Allerdings wird diese Akkukapazität von den meisten Fahrzeugen nur selten benötigt, da die meisten Fahrstrecken unter 50 km betragen.
Um Akkukapazität zu sparen kann man Plug-In-Hybrid-PKWs bauen. Diese besitzen z.Zt. in der Regel Akkukapazitäten unter 10kWh, womit sie eine elektrische Reichweite von 30-50 km haben. Wenn der Akku leergefahren ist, kann man dann ganz normal mit dem Verbrennungsmotor weiterfahren. Mit der gleichen Akkukapazität, die für 1 reines Elektroauto benötigt wird, kann man 5-6 Plug-In-Hybriden bauen. Und diese werden im Durchschnitt vermutlich über 80% ihrer Laufleistung elektrisch fahren.
Und es gibt noch einen Vorteil. Der Plug-In-Hybrid hat einen Verbrennungsmotor und einen E-Motor/Generator. Wenn man mit dem Verbrennungsmotor den Generator antreibt, hat man einen Motorgenerator, also ein Benzin- bzw. Dieselaggregat. Technisch ist eine derartige Auslegung des Fahrzeugs kein Problem. Je nach Fahrzeuggröße würde so ein Motoraggregat eine elektrische Leistung von 15-30 kW haben.
Die Hauptnutzung der meisten PKW ist die Fahrt zur Arbeitsstelle und zurück, evtl. dabei noch ein Abstecher zum Supermarkt und zur Kita/Schule als Elterntaxi. Den Tag über steht das Auto dann auf einem Parkplatz vor der Arbeitsstelle. Dabei wird ein Plug-In-Hybrid sicher die ganze Zeit mit der Ladesäule verbunden sein, ebenso wenn er nachts vor der Wohnung/dem Haus parkt. Voraussetzung ist natürlich eine entsprechend ausgebaute Ladeinfrastruktur.
Lieferant der dringend benötigten Regelenergie
Das eröffnet die Möglichkeit, das Auto als Lieferant der dringend benötigten Regelenergie zu nutzen. Da die Autos die meiste Zeit des Tages sowieso auf Parkplätzen vor den Arbeitsstellen stehen, ist es egal, ob sie gleich um 7 Uhr zu laden beginnen und um 10 Uhr voll sind oder der Ladevorgang erst in der Einspeisungsspitze der Solaranlagen von 11-14 Uhr stattfindet, wodurch man Einspeisungsspitzen kappen kann (negative Regelenergie).
Dazu müsste man für den Fahrer nur die Möglichkeit schaffen, einzuprogrammieren, bis wann er wieviel Strom bis zu welchem Preis laden will. Der Strompreis muss dann in Abhängigkeit von der aktuellen Verfügbarkeit (Produktion und Verbrauch), just in time angepasst werden. Den Rest erledigt die Netzsteuerung, die gleichzeitig auch noch die Stromflüsse im Netz optimiert und so eine maximale Auslastung der vorhandenen Leitungen ermöglicht (Smartgrid).
Auch kann die Netzsteuerung bei Bedarf das im Freien (nicht in der Garage, Vergiftungsgefahr durch Abgase) an der Ladesäule hängende Fahrzeug als Motorgenerator starten und so Strom ins Netz einspeisen. Dazu ist nur eine bidirektionale Auslegung des Ladesystems (Wechselrichter) sowie eine entsprechende Steuerung/Datenübertragung notwendig.
Die Netzsteuerung "weiß" dann, wo welches Fahrzeug an der Ladesäule hängt, welche elektrische Leistung es liefern kann und wie lange (erlaubte Treibstoffmenge). Eine Rückspeisung von Strom aus der Batterie ist ebenfalls möglich, aber meist nicht sinnvoll, weil der in der Batterie gespeicherte Strom zum Fahren benötigt wird. Es muss in diesem Zusammenhang natürlich noch geklärt werden, ob man den Wechselrichter im Fahrzeug oder in der Ladesäule einbaut.
Wichtig ist auch, dass die Fahrzeuge so ausgelegt werden, dass sie im Generatorbetrieb leise laufen, damit sie keine große Lärmbelästigung verursachen, wenn sie z.B. nachts in Wohngebieten betrieben werden. Aber dieses Problem ist bei den dieselbetriebenen Klein-BHKWs für Einfamilienhäuser schon gelöst. Der Betrieb mit nur einer Drehzahl und einem Lastzustand sollte die Lösung dieses Problems bei den Fahrzeugen auch stark vereinfachen, zumal die Autofirmen einen ganz anderen Entwicklungsaufwand betreiben können als irgendwelche kleinen Start Ups oder Handwerksbetriebe, die ein Diesel-BHKW entwickeln und dafür die Dieselmotoren irgendwo zukaufen. Das Gleiche gilt für die Abgasreinigung.
Wenn der Fahrer starten will und das Fahrzeug gerade Strom liefert, ist das kein Problem. In dem Moment, wo die Verbindung zur Ladesäule unterbrochen wird, logt die Netzsteuerung das Fahrzeug aus und schaltet evtl. bei Bedarf ein anderes zu. Das ist ohne weiteres möglich, denn die Leistung eines einzelnen Fahrzeugs ist mit 15-30kW klein gegenüber dem Netz. Andererseits hätte 1 Million derartiger Fahrzeuge mit durchschnittlich 20kW elektrischer Leistung zusammen eine Leistung von 20GW.
Mit einer angenommenen statistischen Verfügbarkeit von 50% stünde dann also immer eine Regel- und Reserveleistung von 10GW, das entspricht der vollen Leistung von allen in Deutschland noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken zusammen, jederzeit abrufbar zur Verfügung.
Und eine Million derartiger Fahrzeuge ist ja erst der Anfang. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 3,5 Millionen PKW neu zugelassen. Wenn davon nur 20% Dieselhybriden wären, hätten wir in 10 Jahren eine jederzeit sicher verfügbare Regel- und Reserveleistung von 70 GW.
Zum Vergleich: Die Gesamtkapazität aller in der Bundesrepublik z.Zt. vorhandenen Kohle- Gas- Öl- und Kernkraftwerke beträgt ca. 86 GW, die allerdings nie gleichzeitig abgerufen werden können, da einige Kraftwerke immer wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten nicht verfügbar sind.
Und nicht nur das. Durch die dezentrale Einspeisung würde die Versorgungs- und Störsicherheit unserer Stromnetze sehr viel besser, da bei Ausfall von wichtigen Versorgungsleitungen die Stromversorgung nicht zusammenbricht, sondern das entsprechende Gebiet auf Inselbetrieb umgeschaltet und so versorgt werden kann. Damit würden Ausfälle wie der in Berlin am 19.02. dieses Jahres, wo Treptow und Köpenick auf Grund eines Kabelschadens 31 Stunden ohne Strom waren, unmöglich.
Allerdings sollte man immer genug Kraftstoff dezentral vorrätig haben, da in Katastrophensituationen evtl. auch das Verkehrsnetz zusammenbricht und die Versorgung der Aggregate mit Treibstoff dann nicht sichergestellt werden kann (so geschehen im "Eiswinter" 1978/79 in der DDR).
Deshalb und weil der Dieselmotor auch noch einen höheren Wirkungsgrad als der Ottomotor hat und Diesel billiger ist als Benzin sollte man für die Plug-In-Hybriden Dieselmotoren verwenden. Da kann man nämlich den Treibstoff in den vorhandenen Heizöltanks speichern, denn Diesel und leichtes Heizöl ist das Gleiche.
Natürlich bedeutet die Verwendung von Diesel statt Erdgas zur Stromerzeugung eine höhere Abhängigkeit von Mineralölimporten, speziell am Anfang der Realisierung des Konzeptes, wenn noch wenig regenerative Stromerzeugung zugebaut ist. Aber dafür werden Erdgasimporte eingespart. Preislich kommt das vermutlich ungefähr auf das Gleiche raus, wobei man natürlich nicht sagen kann, wie sich die Preise bei Öl und Gas entwickeln werden.
Klimapolitisch macht die Elektromobilität allerdings nur Sinn, wenn mit Ökostrom gefahren wird. Bei Braunkohlestrom hat selbst ein Fahrzeug mit "durstigem" Verbrennungsmotor eine bessere CO2-Bilanz. Es ist aber völlig egal, ob das CO2 zentral durch ein Kraftwerk oder dezentral von Autos freigesetzt wird. Hier zählt nur die Menge. Natürlich wird bei Verwendung von Erdgas pro kWh etwas weniger CO2 erzeugt als mit dem Diesel, aber die bei der Erdgasnutzung über die ganze Produktionskette (Förderung und Transport) auftretenden Leckageverluste verschlechtern die Bilanz beim Erdgas wieder, da 3kg freigesetztes Methan ungefähr genauso klimaschädlich sind wie 1 Tonne CO2.
Verkehrspolitisch ermöglicht das Konzept ebenfalls einiges. Für die zukünftig notwendige sichere Bereitstellung der Reserveenergie sollten 7-10 Millionen Dieselhybrid-PKWs ausreichen. Wenn man dazu noch mal die gleiche Zahl reine Elektroautos annimmt und ein paar Millionen herkömmliche PKWs, die dem TÜV noch nicht zum Opfer gefallen sind, sollte sich die Zahl der in Deutschland zugelassenen PKWs so in 20 Jahren etwa halbieren lassen. Diese Aussichten werden bei den Chefs der Autoindustrie sicher wenig Begeisterung hervorrufen, aber eine Reduktion des PKW-Verkehrs ist ebenfalls unumgänglich.
Es ist allerdings nicht Teil dieses Beitrags, auch ein Verkehrskonzept für die Zukunft zu liefern, auch wenn dies dringend benötigt wird. Aber hier geht es um das Energiekonzept.
Es müssen auch gesetzliche Regelungen geschaffen werden, wie der so erzeugte Strom zu vergüten ist (Kraftstoffverbrauch und Fahrzeugverschleiß müssen ausreichend vergütet werden). Auch müssen für die Netzsteuerung, die Ladesäulen und die Datenübertragung verbindliche Standards geschaffen werden. Hier kann nicht jede Autofirma und jeder Netzbetreiber machen, was sie wollen.
Benötigte Investitionen
Ende 2018 waren 45,93 GW Photovoltaikanlagen installiert. Wenn wir den Solarstrom in 20 Jahren verfünffachen wollen, müssen wir jährlich 9,2 GW Leistung zubauen. Zum Vergleich: 2011 erfolgte mit 7,91 GW der bisher höchste Zubau bei der Solarenergie. Der Zubau sollte sogar noch um 10% höher, also etwa 10 GW/a, ausfallen, um ein optimales Verhältnis von Solar und Windstrom zu erzielen. 2018 betrugen die Investitionskosten für 1kW peak Photovoltaik ca. 1.300 Euro. Auf 10GW Zubau hochgerechnet, ergibt sich ein jährlicher Investitionsbedarf von 13 Milliarden Euro für die PV über 20 Jahre.
2018 waren 59,42 GW zur Windenergieerzeugung installiert, davon 53,1 GW onshore und 6,41 GW offshore. Derzeit werden 17,7% des Windstroms offshore erzeugt, obwohl nur 10,8% der Leistung offshore installiert sind.
Wir können die Windkraftleistung onshore sicher verdoppeln. Das bedeutet, 20 Jahre je 2,7GW zuzubauen, hauptsächlich im Rahmen des Repowerings.
Um die Windstromerzeugung zu verfünffachen müssten wir dann allerdings die Offshorestromerzeugung auf eine installierte Gesamtleistung von 100GW ausbauen, also 5 GW jährlich, wobei die Offshoreanlagen allerdings pro installiertes GW ungefähr 2,2 mal so viel Strom liefern wie die Onshoreanlagen, weil auf See mehr Wind weht.
Der höchste Zubau an Windkraftanlagen erfolgte 2017 mit 6,28 GW, davon 5,01 GW onshore und 1,27GW offshore. Derzeit ist ein Ausbau der Offshorewindkraftkapazität bis 2030 auf 15 GW vorgesehen, es befinden sich aber bereits Offshorewindparks mit 23GW in Deutschland in Planung. Die Kosten pro installiertes MW liegen bei 3-4 Mio €, was einen jährlichen Investitionsbedarf von 15-20 Mrd € über 20 Jahre ergibt.
Aber das Geld wäre sicher viel besser angelegt als die 80 bis 90 Milliarden Euro, die der Kohleausstieg nach Willen der Kohlekommission und der Bundesregierung jetzt kosten soll.
Das für den Kohleausstieg geplante Geld sollte man lieber in den Ausbau des Stromnetzes und der Elektromobilität, z.B. in die Ladeinfrastruktur, stecken.
Und außerdem geht es hier nicht nur um den Klimaschutz. Die Braunkohle machte im Energiemix der BRD gerade mal 11% aus. Dazu kommen 14% Energie aus erneuerbaren Quellen. Daraus folgt, 75% unserer Energieträger werden importiert, allen voran Öl (34%), Gas (24%) und Steinkohle (10%). Wir sind völlig von diesen Importen abhängig (die übrige EU ebenso). Wenn wir sie nicht bekommen, gehen bei uns im wahrsten Sinn des Wortes die Lichter aus.
Es wird immer behauptet, dass unsere Energieimporte gesichert sind, weil wir Öl und Gas nicht nur von einem Anbieter beziehen, sondern viele Lieferanten haben, die jeder einzelne nur einen geringen Anteil an den Lieferungen haben. Aber stimmt das wirklich?
Ein böses Szenario: Am persischen Golf gibt es Krieg, die Strasse von Hormuz ist dicht und Saudi-Arabien und Iran fallen dadurch als Lieferanten aus. Dazu auch noch Katar als weltgrößter Lieferant von LNG. Natürlich bezogen wir 2018 nur 3,6% unseres Erdöls aus Iran und 1,7% aus Saudi-Arabien, zusammen also nur 5,3% Ausfall. Und LNG aus Katar beziehen wir überhaupt nicht. Aber der Öl- und Gaspreis würden durch die Decke gehen weil Öl und Gas international knapp werden, da Angebotsausfälle dieser Größenordnung nicht kurzfristig ersetzt werden können. Und wir müssten zahlen, da wir auf das Öl und das Gas angewiesen sind.
Gleichzeitig würde die Weltwirtschaft, auf die wir als Exportnation ebenfalls stark angewiesen sind, auch sehr unter einem hohen Ölpreis leiden. Wäre es da nicht sinnvoll, unsere Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen so schnell wie irgend möglich zu verringern?
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