Die Energiewende wieder in Schwung bringen

Seite 5: Politische Aspekte

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Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger hat einmal gesagt: "Wer das Öl kontrolliert, der beherrscht die Staaten." Heute müsste man noch das Gas hinzufügen, aber im Übrigen gilt das heute noch genau so wie damals.

Wir sind völlig von den Erdöl- und -gasimporten abhängig, also kann man uns damit erpressen und schädigen.

Das gilt nicht nur für die Lieferanten. Donald Trump sieht die EU und besonders Deutschland als Konkurrenten. Deshalb unternimmt er alles, um gegen Iran, einen wichtigen möglichen Öllieferanten für Europa, unbedingt Sanktionen, im Klartext: ein Handelsembargo, zu verhängen. Auch andere mögliche Öllieferanten, die sich der Kontrolle der USA widersetzten, wurden und werden systematisch destabilisiert und ausgeschaltet (Irak, Libyen, Syrien, z.Zt. Venezuela).

Auch versuchen die USA mit allen Mitteln, Nordstream 2 zu verhindern und stattdessen LNG-Terminals für überteuertes amerikanisches LNG aus Fracking-Gas zu erzwingen. Dabei werden die in Europa vorhandenen LNG-Terminals seit vielen Jahren nur zu 17-24% ausgelastet. D.h. mit den vorhandenen Kapazitäten könnte mühelos die drei- bis vierfache Menge LNG nach Europa transportiert werden. Und die europäische Gasinfrastruktur ist so ausgebaut, dass es völlig egal ist, an welchem Terminal das LNG eingespeist wird.

Eine Baugenehmigung für ein LNG-Terminal in Wilhelmshafen liegt seit über 20 Jahren vor (wenn sie nicht inzwischen wieder erloschen ist), aber die deutschen Gasversorger haben kein Terminal gebaut, weil sie wussten, dass es unwirtschaftlich ist, da das LNG teurer und unsicherer ist als das russische Gas.

Außerdem: Wenn schon abhängig von ausländischen Lieferanten, dann lieber von Putin, der am Handel mit uns interessiert ist, als von Trump, mit dem wir uns mittlerweile faktisch in einem unerklärten Wirtschaftskrieg befinden. Es bringt jedenfalls gar nichts, den ständigen Drohungen Trumps nachzugeben, denn jedes Zugeständnis bestärkt Trump nur als Erfolg in seinem Kurs und bringt ihn dazu, neue Zugeständnisse von uns zu verlangen.

Wir sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir uns mit den USA im Wirtschaftskrieg befinden und knallhart sagen: "Bis hierher und nicht weiter. Und wenn ihr uns mit Autozöllen kommt, gibt es Gegenmaßnahmen, die die USA treffen". In diesem Kontext sollte man evtl. auch die Nato-Mitgliedschaft neu überdenken.

Und im Übrigen ist das nicht nur Donald Trumps "Persönliche Note" und der Standpunkt einiger Republikaner, sondern seit langem amerikanische Regierungspolitik. Und zwar fraktionsübergreifend. Obwohl Demokraten und Republikaner sich spinnefeind sind und alle möglichen Gespräche platzen lassen, bis hin zum Shut Down, bei dem Gesetz gegen Nordstream 2 herrscht Einigkeit und es wird von Republikanern und Demokraten gemeinsam verabschiedet.

Das Konzept ist rein national für die BRD ausgelegt. Das hat zwei Gründe: Erstens können wir es so national realisieren und brauchen uns nicht auch noch mit der Brüsseler Bürokratie und den dortigen Lobbyisten rumzuärgern. Zweitens ist die Sicherung unserer Energieversorgung von existenzieller Bedeutung, da ein Ausfall unkalkulierbare Schäden verursachen kann. Wenn wir die Verantwortung dafür nach Brüssel abgeben, sind nachher alle, also keiner, dafür zuständig.

Das führt dann dazu, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht und das Konzept auf diese Weise kaputt gemacht wird. Dann wird hier gekürzt und da gespart und zum Schluss kommt eine Energieversorgung raus, die total "auf Kante genäht" ist, weil jeder sich auf den Anderen verlässt.

Natürlich ist in Deutschland heute eine weit überdimensionierte fossile Kraftwerksleistung installiert. Aber im vorigen Winter drohte das französische Stromnetz zusammenzubrechen, weil dort zwei AKWs ausfielen, und alle waren heilfroh, dass Deutschland seine letzten Reserven mobilisieren konnte und so Schlimmeres verhindert wurde.

Es ist völlig richtig, dass wir in Europa eine Gemeinschaft sind und uns helfen und füreinander einstehen müssen, zum gegenseitigen Nutzen. Anderen helfen und sie unterstützen kann man aber nur, wenn man selbst handlungsfähig ist und im entscheidenden Moment nicht die gleiche Hilfe benötigt, die die Anderen von einem erwarten. Deshalb ist hier ein deutscher Alleingang durchaus auch im Interesse der ganzen EU.

Die größten Hindernisse für dies Konzept sind wahrscheinlich organisatorischer Art sowie abweichende Einzelinteressen mächtiger Lobbys. Aber vielleicht ist es ja doch möglich, alle betroffenen Akteure mit ins Boot zu holen.

Da wären zum ersten die Parteien. Grüne und Linke sollten mit dem Konzept kein Problem haben, da es ja die konkrete Umsetzung ihrer klimapolitischen Forderungen darstellt. Auch die FDP kann vermutlich mit dem Konzept leben, weil es ein großes Wirtschaftsprogramm ist und außerdem einige richtige Einwände der FDP in der klimapolitischen Debatte berücksichtigt.

Schwieriger sieht die Situation bei CDU und SPD aus. In der Groko gilt grundsätzlich: Alle Erfolge sind das eigene Verdienst und für Misserfolge ist prinzipiell immer der Koalitionspartner verantwortlich.

Klima- und energiepolitisch hat die Koalition außer leeren Worten bisher nichts vorzuweisen. Mit den derzeitigen Plänen werden die Klimaziele nicht erreicht und es drohen riesige Strafzahlungen an die EU. Und die Kohlekommission war ganz einfach Kasperletheater mit dem Stück "Kohleausstieg". Ein Kohleausstieg, der in Wirklichkeit die Kohlenutzung bis 2038 sichert, ist klima- und energiepolitisch eine Katastrophe. Und dazu finanziell ein Desaster.

Das muss man sich mal überlegen: In der Braunkohle und den Kraftwerken arbeiten gerademal noch knapp 20.000 Beschäftigte. Für deren Entschädigung und Umschulung sollen 40 Milliarden Euro ausgegeben werden. Das sind 2 Millionen pro Person. Da wäre es billiger, allen Betroffenen eine ordentliche lebenslange Rente zu garantieren. Zumal die Hälfte der Beschäftigten in der Kohle ohnehin in den nächsten Jahren in Rente geht.

Weitere 40-50 Milliarden sind für Infrastrukturmaßnahmen in den betroffenen Regionen und als Entschädigungen für die vorzeitige Stilllegung der Braunkohletagebaue und Kraftwerke geplant. Hier wird einfach die Staatskasse geplündert und Steuereinnahmen werden in großem Umfang umgeleitet, man könnte auch sagen, zumindest teilweise veruntreut.

Anstatt einen sinnlosen Kohleausstieg bis 2038 zu beschließen, sollte man ihn rückgängig machen und lediglich ein Gesetz verabschieden, das Bau und Inbetriebnahme neuer Kohlekraftwerke bzw. Tagebaue ohne Ausnahmen verbietet.

Stattdessen sollten wir alle Kraft darauf konzentrieren, die benötigten Kapazitäten zur Erzeugung des grünen Stroms, der als Ersatz für den Kohlestrom benötigt wird, zu errichten. Bis dahin müssen wir die Kohleverstromung ohnehin weiterlaufen lassen. Erst wenn wir genügend Ersatz haben, können wir den Kohlestrom abschalten.

Das könnte in 5-10 Jahren erreicht sein. Und das Abschalten geht dann ganz einfach. Mit einer ordentlichen CO2-Steuer, die den Kohlestrom zu teuer macht. Auch dürfte sich ein großer Teil des Problems bis dahin von selbst erledigt haben. In Jänschwalde z.B. ist 2023 sowieso Schluss mit der Braunkohle, mit oder ohne Kohleausstieg. Nur, mit können die Kraftwerksbetreiber vielleicht noch ordentlich Entschädigungen kassieren.

Natürlich könnte die Große Koalition durch die Übernahme dieses Konzeptes endlich etwas Sinnvolles auf die Beine stellen. Aber ein Problem ist, dass sie das Ganze nicht als ihre eigene Idee verkaufen kann. Außerdem besteht die große Gefahr, dass ein Erfolg vielleicht dem Koalitionspartner mehr nützt als der eigenen Partei. Da könnte es sein, das man sich lieber gegenseitig blockiert, ohne Rücksicht auf Verluste.

Hinzukommt, dass sowohl CDU als auch SPD Rücksicht auf alle möglichen Sonderinteressen nehmen, um sich nur ja keine mächtige Lobby zu vergraulen. Solche Politik lähmt natürlich zusätzlich.

Kommen wir zur Autoindustrie. Wenn wir die Autobosse davon überzeugen können, dass sie mit diesem Konzept ihre Autos in Deutschland gewinnbringend verkaufen können, bekommen wir die Energiewende garantiert wieder in Schwung, denn den Wünschen der Autolobby hat sich bisher noch keine bundesdeutsche Regierung widersetzt.

Außerdem sind da noch die Betriebsräte und Gewerkschafter der Autoindustrie. Für die geht es um Arbeitsplätze, die mit diesem Projekt gesichert werden können. Wenn wir die alle zusammentrommeln könnten, müsste es doch möglich sein, auch mal ein sinnvolles und zukunftsfähiges Projekt in Deutschland umzusetzen. Erfahrungsgemäß wird ja leider meist lieber das Know How nach Asien oder in die USA verkauft.

Nachtrag

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu meinem vorgängigen Artikel Energiewende und die Versorgungssicherheit. Als ich diesen Artikel am 02.02. dieses Jahres veröffentlichte, konnte ich nicht ahnen, wie schnell sich die Richtigkeit meiner Einschätzung der mangelnden Störsicherheit unserer Elektroenergieversorgung zeigen würde. Ich hätte auch gerne auf den Beweis durch den großen Stromausfall am 19.02. in Berlin verzichtet.

Kurz nach dem Ende des Stromausfalls habe ich telefonisch mit einigen Führungskräften von Einheiten, die während des Stromausfalls zur Hilfe eingesetzt waren, gesprochen. Meiner Einschätzung, dass wir verdammtes Glück im Unglück hatten und gerade noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen sind, hat keiner von ihnen widersprochen.

Wenn der gleiche Schaden sich z.B. in einer Frostperiode mit Temperaturen von -10°C ereignet hätte, wären durch den Ausfall von Steuerungen und Umwälzpumpen vermutlich viele Heizsysteme und Wasserleitungen kaputt gegangen. Da hätte die Schadenssumme um einiges hoher gelegen und es hätte auch sehr viel länger gedauert, bis die Schäden repariert wären, nicht nur 31 Stunden. Und vermutlich hätte es bei einem solchen Szenario einige Tote gegeben.

Diesmal ist das Ganze noch einigermaßen glimpflich abgegangen, aber nach dem Gesetz von Murphy kommt das nächste Mal bestimmt. Die Frage ist nicht ob?, sondern nur wann? und wo?

Deshalb ist die Verbesserung der Ausfallsicherheit des Stromnetzes so extrem wichtig und neben dem Ersatz der fossilen Brennstoffe durch regenerative Energie das zweite wichtige Ziel dieses Konzepts.

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